Breites Bündnis fordert sofortige Schutzmaßnahmen für Arbeitsmigranten
In einem dringenden gemeinsamen Appell fordert ein breites Bündnis von Verbänden, Arbeitnehmervertreter*innen, Gewerkschafter*innen, Migranten-Berater*innen und Menschenrechtler*innen die Politik, Behörden und die Wirtschaft auf, unverzüglich wirksame Schutzmaßnahmen anzuordnen und durchzusetzen, um in der Fleischindustrie, in der Landwirtschaft, in der Logistik, auf dem Bau und in der häuslichen Pflege Arbeitsmigrant*innen vor der Ansteckung durch das Corona-Virus zu schützen.
Alternativen zu Massenunterkünften nötig
„Die Wirklichkeit sind immer noch überbelegte Sammelunterkünfte und Sammeltransporte zur Arbeit in vollgestopften Bullis und Bussen“, sagt Guido Grüner von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg e. V. (ALSO). „Um die Vorgabe ‚Eine Person in einem Zimmer‘ umzusetzen, muss man sofort Alternativen finden zu Massenunterkünften. Freie Hotelkapazitäten sind eine Option.“
Schutzabstände bei der Arbeit sicherstellen
Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft NGG, ergänzt: „Unverzichtbar sind Schutzabstände zwischen den Arbeitenden bei der Fleischzerlegung. Schutzausrüstung gegen die Ansteckung ist ebenso unverzichtbar! Wer sorgt dafür? Wer kontrolliert das?“ Sein Kollege Frank Schmidt-Hullmann vom Bundesvorstand der IG BAU macht deutlich: „Wer jetzt über die Außerkraftsetzung von Höchstarbeitszeiten oder Mindestruhezeiten z.B. für die Landwirtschaft über die jetzt schon möglichen längeren Arbeitszeiten während der Saison hinaus nachdenkt, spielt mit der Gesundheit der betroffenen Beschäftigten. Denn wer wegen endloser Arbeitstage total übermüdet ist, steckt sich viel leichter mit Corona an oder wird leichter zum Opfer von schweren Arbeitsunfällen.“ Claudius Voigt von der GGUA in Münster bestätigt: „Die Arbeitsmigrant*innen sind durch ihre Wohn- und Arbeitsbedingungen eine Hochrisikogruppe in der Pandemie. Das Virus trifft auf erschöpfte, ausgelaugte Menschen, die bei Krankheitssymptomen weiterhin zur Arbeit gehen, weil völlig unklar ist, wovon sie leben können, wenn sie in Quarantäne gehen.“
Corona-Tests in allen Schlachthöfen
Peter Kossen vom Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ fordert Corona-Tests in allen Schlachthöfen, in den Sammelunterkünften und überall dort, wo große Gruppen von Arbeitsmigrant*innen auf engem Raum transportiert werden und arbeiten. „Die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen sind in einer großen Gefahr. Eine rasante Ausbreitung des Virus in diesen Gruppen ist nur eine Frage der Zeit!“ Wachsweiche Vorschriften der Kommunen und Landkreise wie diese: „Eine Unterbringung soll möglichst nur in Einzelzimmern erfolgen“ wird nichts bewirken, sind sich die Unterzeichner einig. Die Befolgung der Vorgaben müsse kontrolliert und durchgesetzt werden. „Dass zunehmend Kinder von Arbeitsmigrant*innen betroffen sind, macht entschlossenes Handeln umso dringlicher“, sagt Kossen. Eine bloße Unterweisung der Arbeitenden in Hygieneregeln reiche bei weitem nicht aus. Häufig sei die Sprachkompetenz gar nicht gegeben, solche Unterweisungen zu verstehen.
Menschenwürde für Arbeitsmigrant*innen jetzt!
Die Diözesanverbände Aachen, Paderborn, Osnabrück und Münster der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) fordern Menschenwürde und Gleichbehandlung ein: „Arbeitsmigrant*innen dürfen nicht wie Verschleißmaterial oder wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden, deren Gesundheit weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als der ihrer deutschen Kolleg*innen. In der Corona- Pandemie fällt mehr denn je auf, dass unsere Wirtschaft fundamental auf die Arbeitsmigrant*innen angewiesen ist. Umso mehr muss das ein Grund sein, sie nicht wie Menschen zweiter Klasse zu behandeln“, betont der katholische Sozialverband. Es gehe um das Leben und die Unversehrtheit mehrerer hunderttausend Menschen. Nur unverzügliches entschlossenes Handeln könne die massenhafte Infizierung noch abwenden.
Neben den genannten Organisationen wird der Appell unter anderem auch von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Niedersachsen/Bremen unterstützt.