Hessen: 30 Prozent Pestizidreduktion bis 2030

Hessens Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) hat den Pestizidreduktionsplan des Landes vorgestellt, mit dem der Pestizideinsatz bis 2030 um 30 Prozent bezogen auf die eingesetzte Wirkstoffmenge reduziert werden soll. Der Hessische Bauernverband (HBV) begrüßt den Plan, da er „nicht einfach nur Verbote, sondern auch Chancen für die Landwirtschaft darstellt“.

„Bis 2030 sollen 30 Prozent weniger Pestizide in Hessen eingesetzt werden. Wir müssen den Pestizideinsatz auf den Äckern, aber auch in Gärten und kommunalen Grünflächen reduzieren, um die Artenvielfalt, unsere Ressourcen und damit auch unser Leben und unsere Zukunft zu schützen“, erklärte die Umwelt- und Landwirtschaftsministerin anlässlich der Vorstellung des Plans. Dieser zeige den Weg auf, mit dem das 30-Prozent-Ziel, das 2021 von Vertreterinnen und Vertretern aus Landwirtschaft, Naturschutz und dem Land Hessen am Runden Tisch Landwirtschaft und Naturschutz mit einer Kooperationsvereinbarung beschlossen wurde, erreicht werden kann. Diese Vereinbarung wurde in 2021 von dem BUND Landesverband Hessen, dem Hessischen Bauernverband, der HGON – Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz, der Hessischen Landjugend, dem LSV – Land schafft Verbindung, dem NABU Landesverband Hessen und der VÖL – Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen unterzeichnet.

Mit dem Plan sollen die Betriebe befähigt werden, betriebsspezifische Strategien und Verfahren zu entwickeln, welche zu einer nachhaltigen Reduktion von Pflanzenschutzmitteln führen, ohne die Wirtschaftlichkeit des Betriebes zu gefährden. „Der Reduktionsplan soll die Betriebe dabei unterstützen, die Reduktionsziele der Europäischen Union im Rahmen des Grünen Deals und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ zu erreichen. Das hessische Reduktionsziel von 30 % der angewendeten Menge und das europäische Reduktionsziel von 50 % der über den Handel national abgesetzten Pflanzenschutzmittelmenge unter Berücksichtigung eines spezifischen Risikofaktors stehen dabei nicht im Widerspruch, sondern ergänzen sich gegenseitig“, heißt es in dem Plan. Der Pestizidreduktionsplan verfolgt vorrangig die Reduktion chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel, insbesondere der Mittel aus der Gruppe der Totalherbizide und der Insektizide. Biozide werden in den verschiedensten Bereichen angewendet, zum Beispiel zur Desinfektion, zur Bekämpfung von Eichenprozessionsspinnern sowie als Bestandteil von Baustoffen und Schutzanstrichen. Aufgrund dieser Vielzahl von Anwendungsbereichen werde auf ein konkretes Reduktionsziel für Biozide verzichtet.

„Die vorgesehenen Maßnahmen sind eine große Chance für Landwirtinnen und Landwirte, aber auch für Kommunen oder Betriebe des Garten- und Landschaftsbaus sowie private Gärtnerinnen und Gärtner. Wir helfen dabei, sich für zukünftige Herausforderungen fit zu machen, europäische und nationale Zielvorgaben zu erfüllen und von Beratung und Förde­rung zu profitieren“, so die Ministerin.

Insgesamt stehen über den Maßnahmenzeitraum 2023 bis 2028 rund zwei Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung und die Beratungsteams in den beteiligten Behörden werden personell verstärkt.

Anlässlich der Vorstellung des Plans erklärt der Hessische Bauernverband (HBV), dass er die Sicherung von Natur und Biodiversität unterstütze, dies sollte jedoch mit Maß und Ziel sowie unter Berücksichtigung der Folgen für die heimische Landwirtschaft umgesetzt werden. „Durch den Pestizidreduktionsplan erhoffen wir uns diese Ziele vereinen zu können, da der Plan nicht einfach nur Verbote, sondern auch Chancen für die Landwirtschaft darstellt“, sagte Hans-Georg Paulus, Generalsekretär des HBV. „In der Kooperationsvereinbarung des Runden Tisches Landwirtschaft und Naturschutz haben wir gemeinsam mit den Naturschutzverbänden vereinbart, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis zum Jahr 2030 um bis zu 30 Prozent zu reduzieren. Kooperation statt Ordnungsrecht ist der richtige Weg. Denn es gilt den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Sinne der Versorgungssicherung und der Nahrungsmittelsicherheit sowie den Erhalt der Biodiversität in möglichst guten Einklang zu bringen“, so Paulus weiter. Der kontinuierliche Rückgang des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln sei der Beleg dafür, dass die deutsche und hessische Landwirtschaft auf einem guten Weg sei Pflanzenschutzmittel noch gezielter und effizienter einzusetzen. Die Digitalisierung landwirtschaftlicher Produktionsprozesse biete dabei enormes Potenzial für eine ressourcen- und klimaschonendere Landbewirtschaftung. „Allerdings kann die Landwirtschaft ihre Rolle in der Primärproduktion von sicheren Nahrungsmitteln und ihren Beitrag zum Erhalt der Biodiversität nur leisten, wenn die wirtschaftlichen Bedingungen dies auch zulassen. Daher muss die Unterstützung der Landwirte Teil des Prozesses und der Strategie sein“, ergänzte der Generalsekretär.

Folgende Maßnahmen sind im Pestizidreduktionsplan unter anderem festgelegt:

Betriebe in Land- und Forstwirtschaft beraten und vernetzen

„Wir werden die Betriebe in Land- und Forstwirtschaft und Weinbau dabei unterstützen, neue Anbausysteme und alternative Verfahren zu etablieren“, erklärte die Ministerin. Der Pestizidreduktionsplan sieht dafür den Aufbau einer Schwerpunktberatung und eines Netzwerks von Modell und Demonstrationsbetrieben vor. Betriebe sollen für entsprechende Demonstrationsvorhaben eine Förderung im Rahmen des Projekts 100 nachhaltige Bauernhöfe erhalten. Ab 2024 sollen kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in Fragen der Pflanzenschutzmittelreduktion zur Seite stehen. Die landwirtschaftliche und gartenbauliche Schwerpunktberatung wird dabei am Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen angesiedelt, die weinbauliche Schwerpunktberatung am Regierungspräsidium Darmstadt.

Betriebe im Hessischen Ried intensiv beraten

Das Hessische Ried stellt mit seinen komplexen und sensiblen Grund- und Oberflächenwassersystemen sowie seinen durchlässigen Böden einen besonderen Hotspot für Einträge schädlicher Spurenstoffe dar. Daher soll den hier wirtschaftenden Betrieben, zusätzlich zu den landesweiten Beratungsangeboten, eine Intensivberatung zur Pflanzenschutzmittelreduktion durch den Landesbetrieb Landwirtschaft angeboten werden.

Forschung stärken

Auch die Forschung wird gestärkt: Im Rahmen eines Forschungsprojektes werden neueste technische Ansätze, die zu einer Reduktion von Abdrift führen können, sowie die Auswirkungen von Pflanzenschutzmittel-Anwendungen auf die Biodiversität untersucht. Die Ergebnisse sollen in die Beratung einfließen. Das Forschungsprojekt des Regierungspräsidiums Gießen wird mit Partnern wie dem Lore-Steubing-Institut für Naturschutz und Biodiversität und dem Zentrum für Artenvielfalt beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie durchgeführt. Das Land investiert 200.000 Euro in das Forschungsvorhaben.

Förderlandschaft ausbauen

Für Betriebe in Hessen, die auf nachhaltigere Bewirtschaftungsformen mit weitgehendem oder vollständigem Verzicht auf die Anwendung von Pflanzen­schutzmitteln umstellen wollen, stehen schon jetzt vielfältige Förderprogramme zur Verfügung. Diese Förderlandschaft soll über die nächsten Jahre im Hinblick auf deren Wirkung auf Pflanzenschutzmittelreduktion evaluiert und im Anschluss zielgerichtet ausgebaut werden. „Wir lassen die hessischen Betriebe nicht alleine, sondern unterstützen. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass es auch in Zukunft in Hessen fruchtbare Böden, sauberes Wasser und Artenvielfalt gibt. Denn das ist die Grundlage für die Produktion guter, gesunder, regionaler Lebensmittel“, betonte die Ministerin abschließend.

Monitoring etablieren

Um den Fortschritt bei der Pestizidreduktion messbar zu machen, wird ein Pflanzenschutzmittel-Beobachtungsnetz in Kooperation mit den berufsständischen Verbänden in Hessen etabliert. Die eingesetzten Mengen von Pflanzenschutzmitteln werden jährlich erhoben und durch das Regierungspräsidium Gießen bewertet. „Mit dem Aufbau des Netzes wird jetzt begonnen, 2024 sollen die ersten Daten erfasst und ausgewertet werden“, so die Ministerin.

17.05.2023
Von: FebL/PM

Der jetzt vorgelegte Pestizidreduktionsplan des Landes Hessen.