EU-Kommission rudert von ihrem Vorschlag zu Pestizidverboten in Schutzgebieten zurück

Die Europäische Kommission hat den EU-Mitgliedstaaten ein informelles Diskussionspapier (Non Paper) vorgelegt, in dem sie einen Verzicht auf Pestizidverbote in Schutzgebieten vorschlägt und damit ihren eigenen Verordnungsentwurf zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden (SUR) deutlich abschwächt. Der Bauernverband sieht sich damit in seiner massiven Kritik an dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag bestätigt, während der Deutsche Naturschutzring (DNR) darin ein fatales Signal zu Lasten von Biodiversität und naturverträglicher Landwirtschaft sieht. Der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling hält Änderungen am ursprünglichen Vorschlag zwar für richtig, kritisiert aber scharf das Vorgehen der Kommission.

In dem neuen Papier der Kommission heißt es: "Das Non-Paper skizziert mögliche Elemente, die der Rat in Betracht ziehen könnte:
- Abkehr von einem totalen Verbot hin zu einer Beschränkung des Einsatzes der am wenigsten schädlichen Pestizide
- Zulassung der meisten Pestizide in der Landwirtschaft in ökologisch sensiblen Gebieten, einschließlich aller im ökologischen Landbau verwendeten Pestizide
- Verringerung des Umfangs der Definition empfindlicher Gebiete, um sich auf die wichtigsten Gebiete zu konzentrieren
- Beibehaltung der ehrgeizigen Ziele hinsichtlich des Schutzes der Allgemeinheit, gefährdeter Gruppen und Bestäuber.“

Mit diesen Elementen werde den wichtigsten Anliegen der Mitgliedstaaten Rechnung getragen und gleichzeitig die Kohärenz des Vorschlags gewahrt, so das Papier. Die Verordnung fördere weiterhin die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln mit gutem Risikoprofil (sicherer für Landwirte, Pestizidanwender und Bürger) und erlaube ausnahmsweise die Verwendung der meisten auf dem EU-Markt zugelassenen Pestizide zur landwirtschaftlichen Verwendung in ökologisch sensiblen Gebieten, was eine wichtige Forderung der Mitgliedstaaten ist. Das Non-Paper halte ein hohes Schutzniveau für die Allgemeinheit, für gefährdete Gruppen und - eventuell durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur - für Bestäuber aufrecht.

„Das Non-Paper skizziert auch eine mögliche Verringerung der Gesamtfläche, die unter die Definition empfindlicher Gebiete fällt, so dass sich die Bemühungen der Mitgliedstaaten auf die Gebiete konzentrieren können, die für den Einsatz von Pestiziden am wichtigsten sind“, heißt es da.

Bauernverband: Umsetzung nur in Kooperation mit der Landwirtschaft

Der Deutsche Bauernverband sieht sich mit Blick auf das Non-Paper in seiner massiven Kritik an den Vorschlägen der EU-Kommission zur Sustainable Use Regulation (SUR) bestätigt, weil die Kommission ihren eigenen Vorschlag zum Komplettverbot von Pflanzenschutzmitteln in sogenannten „sensiblen Gebieten“ zur Disposition stellt. „Der Deutsche Bauernverband steht grundsätzlich zum Ziel, die Menge und das Risiko des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Das Vorschlagspapier der EU-Kommission an den Europäischen Rat zeigt, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag zur Sustainable Use Regulation über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln deutlich über das Ziel hinausgeschossen ist und die Unverhältnismäßigkeit des eigenen Vorschlags einsieht“, sagt der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken. Der Ansatz, pauschale Verbote in Schutzgebieten zu verhängen, sei von Anfang an falsch gewesen. Gleiches gelte für pauschale Reduktionsziele ohne vorhandene Alternativen. „Statt jetzt Flickschusterei zu betreiben, sollte die EU-Kommission den Vorschlag komplett zurückziehen und neu aufsetzen. Eine wirkungsvolle Umsetzung kann nur in Kooperation mit der Landwirtschaft gelingen. Baden-Württemberg und Niedersachsen haben gezeigt, wie das funktioniert“, so Krüsken.

DNR: Schutzgebiete besser vor Pestizideinsatz schützen

In Reaktion auf das Non-Paper spricht der DNR von einem falschen Signal. „Mit ihrem Non-Paper will die EU-Kommission den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, den Einsatz von Pestiziden in Schutzgebieten entgegen ihres eigenen Verordnungsentwurfs doch zu erlauben. Dies wäre ein fatales Signal zu Lasten von Biodiversität und naturverträglicher Landwirtschaft“, erklärt DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. Denn der nahezu flächendeckende Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln sei wesentlich für den Rückgang der biologischen Vielfalt verantwortlich. Selbst Schutzgebiete würden in Deutschland und der EU nach wie vor nicht ausreichend vor einem Einsatz geschützt. Damit die Schutzgebiete endlich ihren Aufgaben gerecht werden, müssten insbesondere Nationalparks, Naturschutzgebiete, das Schutzgebietsnetz Natura 2000 sowie für den Gewässer- und Trinkwasserschutz festgelegte Gebiete inklusive ausreichender Pufferzonen vom Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel konsequent verschont bleiben.
„Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir muss sich in Brüssel klar gegen den Vorstoß der EU-Kommission positionieren. Ansonsten rücken die in der Farm-to-Fork-Strategie vereinbarten Ziele, den Einsatz und das Risiko von Pestiziden bis 2030 zu halbieren, in weite Ferne und die Biodiversitätskrise wird weiter angeheizt", fordert Schöne in Richtung Özdemir.

Häusling: Vorgehensweise völlig inakzeptabel

„Es ist ein einmaliger und irritierender Vorgang, dass die Kommission dem Rat Änderungsangebote zu ihrem eigenen offiziellen Gesetzesvorschlag offeriert und damit am Europäischen Parlament vorbei agiert“, kommentiert der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling. Auf diese Weise werde eine inoffizielle parallele Verhandlungsebene eröffnet. Rat und Parlament hätten somit verschiedene Verlautbarungen der Kommission an denen sich die Verhandlungen orientieren, das sei völlig inakzeptabel.
„Aber nicht nur die Vorgehensweise ist kritikwürdig, auch der Inhalt des sogenannten ‚Non-Papers‘ wirft Fragen auf. Die Kommission kommt den Kritikern der SUR im Rat derart entgegen, dass kaum noch ambitionierte Ziele für den Umgang mit Pestiziden in sensiblen Gebieten übrigbleiben. Änderungen des zum Teil unlogischen und über das Ziel hinausschießenden Kommissionsvorschlages waren nötig und sind richtig, aber nicht mit dieser Vorgehensweise!“