Die Molkereigenossenschaften Arla Foods aus Dänemark und DMK Group haben ihre Fusionsabsicht angekündigt. Aus der Fusion soll „die größte Molkereigenossenschaft Europas hervorgehen“ und „die leistungsstärkste Molkereigenossenschaft Europas“ geschaffen werden, deren „Pro-forma-Umsatz bei 19 Milliarden Euro liegt“, so Arla und DMK in einer Mitteilung. Für den Bauernverband löst die Ankündigung „ein Aufhorchen in der Milchbranche aus“, stellt jedoch einen „nachvollziehbaren Schritt“ dar, während deutliche Kritik von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) kommt. Von einem „Frontalangriff auf die bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland und Europa“ spricht der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling.
Das fusionierte Unternehmen würde laut der Mittelung von Arla und DMK den Namen Arla tragen. Der Hauptsitz wäre in Viby J in Dänemark und Jan Toft Nørgaard, aktuell Aufsichtsratsvorsitzender von Arla Foods, würde den Vorsitz übernehmen. Peder Tuborgh, aktuell schon CEO von Arla Foods, soll CEO bleiben und Ingo Müller, noch CEO der DMK Group, würde als EVP (Executive Vice President) in das Executive-Team von Arla berufen, um die Integration nach der Fusion zu leiten.
AbL: Fusion wird vor allem den Bäuerinnen und Bauern schaden
Die AbL weist angesichts der Fusionspläne insbesondere auf die Rolle Genossenschaftsmolkereien in der politischen Auseinandersetzung um die Vertragspflicht u.a. im Milchsektor hin. Dort haben sich vor allem die großen Genossenschaftsmolkereien bisher als Verhinderer herausgestellt, wenn es darum geht, dass Landwirt:innen am Markt teilnehmen und vor Lieferung über Preise, Menge und Laufzeiten verhandeln können, statt wie bisher nur zu liefern und erst Wochen später den Preis zu erfahren.
„Aus Sicht der AbL wird eine Fusion vor allem den Bäuerinnen und Bauern schaden, denn bisher haben neue Molkereiriesen ihre Monopolstellung weniger dafür genutzt, um bei ihren Abnehmern höhere Preise im Sinne ihrer Genossenschaftsmitglieder durchzusetzen. Sondern sie haben sich gegen uns Milchbäuerinnen und Bauern gestellt“, erklärt Bernd Schmitz, AbL-Bundesgeschäftsführer und Milchbauer. Die größte Genossenschaftsmolkerei DMK sei nur zu oft Schlusslicht gewesen, was die Auszahlungspreise für ihre Milchlieferanten im bundesweiten Durchschnitt betrifft. „Wir brauchen keine weltmarktorientierten Riesenkonzerne, sondern mehrere kleinere und regional ausgerichtete Molkereien“, so Schmitz.
Und Elmar Hannen, Milchbauer und Arla-Lieferant kommentiert: „Es bleibt abzuwarten, wie u.a. die europäischen Kartellbehörden darüber entscheiden. Sollte dem zugestimmt werden, dann muss die Behörde eine mögliche Fusionsgenehmigung mindestens an die Auflage zur Vertragspflicht knüpfen. EU-Agrarkommissar Christophe Hansen hat dafür neben Vorschlägen zu konkreten politischen Rahmenbedingungen, wie eine verbindliche Vertragspflicht in der EU, auch praktische Vorschläge unterbreitet, dass ein kurzer Vertrag per Email schon ausreichend und zielführend ist. Der Bürokratie-Aufwand ist für uns Milchbetriebe sehr gering, aber dafür würden wir zu Marktteilnehmern und haben die Möglichkeit über Preise, Mengen und Laufzeiten vorab zu verhandeln, wie es in der Wirtschaft ohnehin üblich ist.“
BDM: Große Unternehmen können die Bedingungen zum Nachteil der Erzeuger diktieren
Mit großer Besorgnis sieht der BDM die Ankündigung der Fusion. Während die beteiligten Unternehmen die geplante Fusion als „Gestaltung der Zukunft der Milchwirtschaft“ präsentieren, sieht der BDM darin eine weitere Verstärkung der Marktkonzentration, die die ohnehin schon schwache Marktstellung der Milchviehhalter weiter gefährdet.
„Die Fusion von Arla und DMK ist kein Fortschritt für die Milchviehhalter, sondern ein weiterer Schritt hin zu einem oligopolistischen Markt“, erklärt BDM-Vorsitzender Karsten Hansen. „Die versprochene ‚Stärkung des Wettbewerbs‘ durch diese Fusion ist eine Illusion. Was hier als Vereinigung gemeinsamer Werte und Stärken verkauft wird, ist in Wahrheit eine Machtkonzentration, die den Wettbewerb um Rohmilch weiter einschränkt und die Abhängigkeit der Milchviehhalter von wenigen Großkonzernen verstärkt. Die Macht der Molkereien wird damit weiter ausgebaut, wenige große Unternehmen können die Bedingungen diktieren – zum Nachteil der Erzeuger.“
Genossenschaftsmodell unter Druck
Die geplante Fusion soll laut den Unternehmen auf genossenschaftlichen Strukturen basieren und den Landwirten ein „starkes Zuhause“ bieten. Der BDM sieht jedoch das Genossenschaftsmodell durch solche Megafusionen zunehmend ausgehöhlt. „Von einer echten genossenschaftlichen Mitbestimmung kann bei einem Konzern dieser Größenordnung kaum noch die Rede sein“, so Hansen. „Es ist fraglich, ob wirtschaftlichen Interessen der Milchviehhalter in einem Unternehmen mit einem Umsatz von 19 Milliarden Euro und über 12.000 Mitgliedern überhaupt noch berücksichtigt werden.“
Forderung nach verbindlichen Vertragsregelungen
Der BDM fordert angesichts dieser Entwicklung eine sofortige Anpassung der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) zugunsten der Milchviehhalter. „Wenn künftig an den Megakonzern Arla/DMK geliefert wird, dann nur noch mit schriftlichen, im Voraus ausgehandelten Verträgen“, betont Manfred Gilch, BDM-Vorstandsmitglied. „Die Praxis, dass Milchpreise erst nach Lieferung festgelegt werden, muss endlich beendet werden. Die Milchviehhalter haben ein Recht auf transparente und faire Vertragsbedingungen.“
Wettbewerbsbehörden müssen handeln
Der BDM appelliert an das Bundeskartellamt und andere zuständige Behörden, die geplante Fusion kritisch zu prüfen. „Die zunehmende Marktkonzentration führt dazu, dass Wechselmöglichkeiten für Milchviehhalter immer weiter eingeschränkt werden“, warnt Manfred Gilch. „Die bereits bestehenden Ausschließlichkeitsbindungen und nachträgliche Preisfestlegungen sind angesichts dieser Entwicklung nicht mehr hinnehmbar.“
„Ein warnendes Beispiel sollte die damalige Fusion von Nordmilch und Humana zur größten deutschen Molkerei DMK sein. „Die Zustimmung zur Fusion wurde mit der Argumentation „erkauft“, dass man mit dieser Stärke bessere Milchpreise für die Milcherzeuger erreichen könne. Das Gegenteil war der Fall!“, erinnert sich Karsten Hansen. „Eine mögliche Zustimmung zu dieser Fusion muss also mindestens an Bedingungen geknüpft sein, die die Marktstellung und Position der Milcherzeuger verbessern.“
Häusling: Wo bleibt da das Kartellamt?
Ähnlich äußert sich auch der EU-Abgeordnete Martin Häusling. „Die geplante Fusion der beiden größten deutschen Molkereien Arla und DMK ist ein Frontalangriff auf die bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland und Europa. Der Zusammenschluss dieser beiden Großkonzerne würde mehr Machtkonzentration, weniger Mitbestimmung und weiter sinkende Erzeugerpreise bedeuten. Die Erfahrung aus der Fusion von Nordmilch und Humana zum DMK 2011 hat schön gezeigt, was passiert, wenn die Machtkonzentration der Verarbeitungsseite zunimmt, während Erzeugern ein höherer Organisationsgrad verwehrt bleibt: Preise sind gefallen, bäuerliche Existenzen verschwunden. Da frage ich mich: Wo bleibt da das Kartellamt?“
Bauernverband, Milchindustrieverband, Arla, DMK bemühen gerne das romantische Bild der Genossenschaften, so Häusling, doch mit bäuerlicher Mitbestimmung hätten sie wenig am Hut. Wenn über 12.000 Mitglieder in einem Konzern, der sich primär am Weltmarkt orientiert, faktisch keinen Einfluss auf Preisgestaltung oder Produktionsentscheidungen haben, sei das Etikettenschwindel. „Machen wir uns nichts vor: Die Mega-Molkerei wäre ein Industriebetrieb mit Bauern als bloßen Rohstofflieferanten.“
Hinzu kommt nach Ansicht von Häusling, dass in Deutschland verbindliche Vertragsregelungen für den Milchmarkt immer noch fehlen, obwohl die EU das seit Jahren ermöglicht. Erzeuger liefern nach wie vor, ohne den Preis für ihre Milch zu kennen. Eine solche Unsicherheit sei in keinem anderen Wirtschaftszweig vorstellbar – und dennoch Alltag für unsere Milchbäuerinnen und -bauern. Die geplante Fusion würde diese Schieflage massiv verstärken. Das Ergebnis wäre der weitere Aderlass einer kleinstrukturierten, lokal verwurzelten Landwirtschaft – zugunsten anonymer, globaler Massenware, die auf Kosten von Umwelt, Tieren und Bäuerinnen und Bauern produziert wird.
„Die Monopolkommission arbeitet derzeit an einem Sektorgutachten für den Lebensmittelbereich. Schon in ihrem letztes Jahr veröffentlichten Hauptgutachten hat sie festgestellt: Die Konzentration in der Verarbeitung und im Handel führt zu höheren Preisen für Verbraucher*innen und verschiebt die Gewinne entlang der Wertschöpfungskette – weg von den Landwirten, hin zu Verarbeitern und Supermarktketten“, erklärt Häöausling und fordert: „Die Kartellbehörden dürfen die geplante Fusion so nicht genehmigen. Außerdem brauchen wir endlich eine verbindliche Vertragspflicht. Auch das Recht von Erzeugern auf höheren Organisationsgrad muss gestärkt werden, um echte Verhandlungsmacht gegenüber der Verarbeitungsseite zu schaffen. Genossenschaften dürfen nicht länger von verbindlichen Vertragspflichten der Gemeinsamen Marktordnung ausgenommen sein. Und grundsätzlich gilt: Wir brauchen eine Kehrtwende hin zu hochwertiger, regional verankerter Produktion – statt billiger Massenware für den Weltmarkt.“
WLV: Kräfte bündeln, um Wettbewerbsfähigkeit zu sichern
Die angekündigte Fusion lässt nach Ansicht von Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes in einer Region, in der das Gros der Milchviehhalter für das Deutsche Milchkontor (DMK) produziert, die Milchbranche aufhorchen. „Zunächst ist diese Fusion, vor dem Hintergrund eines sinkenden Milchangebotes auf dem europäischen Milchmarkt, ein nachvollziehbarer Schritt. Auf diese Weise können die Kräfte gebündelt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz der hiesigen Unternehmen zu sichern“, erklärt Beringmeier. Da der Unternehmenssitz sowie der Name zum dänischen Molkereiriesen gehen, müsse „insofern dringend sichergestellt werden, dass die Stimme der deutschen Milchviehhalter dadurch nicht untergraben wird. Den regionalen Herausforderungen und Bedürfnissen in der Milchwirtschaft muss weiterhin Sorge getragen werden. Die eigentliche Entscheidung zur Fusion wird auf der Vertreterversammlung im Juni getroffen. Die Molkerei-Standorte in und um Westfalen-Lippe müssen für die Milchverarbeitung erhalten bleiben“, so Beringmeier weiter. Der Erhalt der deutschen Standorte für die Milcherzeuger in Westfalen-Lippe sei von enormer Bedeutung. „Insgesamt ist das DMK als Genossenschaft eine wichtige Säule für den Erhalt einer flächendeckenden heimischen Milchviehhaltung“, so Beringmeier abschließend.
Zum weiteren Verfahren
Die Fusion bedarf der Zustimmung der Vertreterversammlungen der Genossenschaften sowie der behördlichen Genehmigung. Der detaillierte Fusionsvorschlag wird laut der Mitteilung von Arla und DMK in den kommenden Monaten mit den Mitgliedern der Genossenschaften sowie den zuständigen Arbeitnehmervertretern und Betriebsräten erörtert. Anschließend werde der Fusionsvertrag im Juni 2025 der Vertreterversammlung der Genossenschaft zur Genehmigung vorgelegt.