Diese Art von Genossenschaftsstrukturen müssen hinterfragt werden

Die Fusionspläne der Molkereigenossenschaften Arla und DMK sorgen weiter für Gesprächsstoff. Die Informationspolitik der Molkereien zu ihren Fusionsplänen ist für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) „absolut dürftig“ und „skandalös“. Diese Art von Genossenschaftsstrukturen sei dringend zu hinterfragen und die Position der Erzeugerinnen und Erzeuger durch entsprechende politische Rahmenbedingungen zu stärken. Nichts Gutes erwartet die MEG Milch Board von der geplanten Fusion, sieht die Kartellbehörden gefordert und fordert, dass eine Genehmigung des Zusammenschlusses nicht erfolgen sollte, bevor nicht eine flächendeckende Vertragspflicht mit festen Preisen und Mengen eingeführt ist. Und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mahnt die Sicherung der Arbeitsplätze an.

Claudia Gerster, AbL-Bundesvorsitzende und Bäuerin in Sachsen-Anhalt, erklärt: „Bisherige Fusionen und Wachstumsschritte von genossenschaftlichen Molkereien haben für Bäuerinnen und Bauern nur wenig gebracht, oder sogar noch geschadet. Die größte Molkerei DMK war sogar viele Jahre Schlusslicht bei den Auszahlungspreisen in Deutschland. Das hat sich erst im vergangenen Jahr wieder verbessert. Die geplante Fusion der Molkereigenossenschaften Arla Foods und DMK Group bringt einen neuen Genossenschafts-Giganten hervor mit den bekannten Entwicklungen, dass die Strukturen immer größer, verzweigter und undurchsichtiger werden. Zwar sind DMK und Arla noch Genossenschaftsmolkereien, aber sie haben sich durch das immense Wachstum von dem Genossenschaftsgedanken, also mehr Wertschöpfung für ihre Mitgliedsbetriebe zu generieren, stark entfernt und sind zu Konzernen mutiert. Die BayWa-Krise hat uns Bäuerinnen und Bauern erst kürzlich eindrücklich gezeigt, wie durch extreme Wachstumsschritte das Genossenschaftsprinzip unterwandert wurde und die Bauernhöfe sowie Arbeitnehmer:innen die Leidtragenden sind."

Ein großes Problem für Bäuerinnen und Bauern sieht die AbL-Vorsitzende darin, „dass die Informationspolitik von Arla und DMK absolut dürftig ist. Die Lieferanten wissen derzeit nicht mehr, als in der Presse bekannt gemacht wurde. Das ist skandalös.“ Bereits im Sommer sollen Bäuerinnen und Bauern auf den Vertreterversammlungen über die Fusion entscheiden. Die AbL fordert, dass die Molkereien vorab die Fakten auf den Tisch legen. „Für Bäuerinnen und Bauern ist u.a. wichtig: Wie konkret verbessern sich ihre Betriebsergebnisse? Wie werden die unterschiedlichen Geschäftsanteile für Lieferanten gehandhabt, derzeit ist die Einlagenhöhe je Liter Milch zwischen den Molkereien noch unterschiedlich? Wie sind die Kündigungsmodalitäten im Falle das Lieferant:innen mit der Fusion nicht einverstanden sind, also sind Sonderkündigungsrechte vorgesehen? Wie werden überhaupt alle Lieferantinnen und Lieferanten in die Fusions-Entscheidung eingebunden? Werden die Molkereien nach der Fusion ihre Blockade gegen die Vertragspflicht vor Lieferung aufgeben und somit ihren Lieferanten eine Teilnahme am Markt ermöglichen?“

Ottmar Ilchmann, Milchbauer und AbL-Landesvorsitzender in Niedersachsen, wo die DMK ihren Sitz hat, verweist auf die unterschiedlichen Interessen von Bäuerinnen und Bauern auf der einen und großen weltmarktorientierten Genossenschaften auf der anderen Seite. „Insbesondere große Genossenschaftsmolkereien haben bisher jegliche marktpolitischen Verbesserungen für ihre Lieferanten blockiert, weil sie weltmarktorientiert sind und dafür die Milch als günstigen Rohstoff benötigen – statt höhere und kostendeckende Milchpreise auszuzahlen. Sie verfolgen allein dadurch ein anderes Interesse als Bäuerinnen und Bauern. In Entscheidungsprozessen haben einzelne Mitglieder weder das juristische und ökonomische Wissen noch die Ressourcen, um wirklich mitzugestalten. Monopolartige Strukturen und lange Kündigungsfristen machen es den Mitgliedern kaum möglich, die Molkerei zu wechseln. Wir sprechen als AbL mit einer Stimme mit unseren europäischen Berufskolleg:innen des European Milk Boards und fordern, diese Art von Genossenschaftsstrukturen dringend zu hinterfragen und mit politischen Rahmenbedingungen uns Erzeugerinnen und Erzeuger zu stärken,“ so Ilchmann.

MEG Milch Board: weitere Markt- und Machtkonzentration

Nichts Gutes erwartet die MEG Milch Board von der geplanten Fusion der Molkereikonzerne DMK (Deutsches Milchkontor) und Arla, jedenfalls nicht für die Milcherzeuger:innen oder die Konsument:innen. „Im Gegenteil,“ ist sich der Vorstandsvorsitzende Frank Lenz sicher, „es würde zu einer weiteren Markt- und Machtkonzentration führen und den Wettbewerb weiter einschränken.“

„Wenn diese beiden Konzerne fusionieren, würden sie knapp 13 Prozent der in Europa produzieren Milch verarbeiten. Für uns Milcherzeuger ist laut EU-Milchpaket bei einer Bündelungsgrenze von 4 Prozent der EU-Milchmenge Schluss. Selbst wenn wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, können wir eine solche Macht nicht erreichen. Das zeigt, wie absurd das Ganze ist. Hier sind eindeutig die Kartellbehörden gefordert!“

Sowohl DMK als auch Arla verstehen sich als Genossenschaften, die im Eigentum der Erzeuger stehen. Davon haben sie sich nach Ansicht von Lenz schon lange entfernt: „Mit der Umsetzung des Vertreterprinzips und der Auslagerung von Verarbeitung und Vertrieb in nachgelagerte Kapitalgesellschaften haben die einzelnen Genossen sehr wenig Einflussmöglichkeiten. Aber dennoch hätten die Konzerne schon jetzt auf Grund ihrer Größe und der Menge der verarbeiteten Milch die Möglichkeit, am Markt entschlossener für die Interessen ihrer Eigentümer, also der Milcherzeuger einzutreten. Trotz aller Beteuerungen der Konzernlenker, sich für die Milcherzeuger einzusetzen, ist das in den letzten Jahrzehnten nur unzureichend erfolgt. Das belegen unser Milch Marker Index und die Studien zur Wertschöpfung der Molkereien einwandfrei. Schon deshalb muss die Vertragspflicht für alle, auch für Genossenschaften, umgesetzt werden. Damit könnten alle Beteiligten vorausschauend planen und eine höhere Wertschöpfung für die Milch erzielen,“ erklärt Lenz.

Zudem fordert die MEG Milch Board, dass eine Genehmigung des Zusammenschlusses nicht erfolgen sollte, bevor nicht eine flächendeckende Vertragspflicht mit festen Preisen und Mengen eingeführt ist. Nur hierdurch werden, wie das Bundeskartellamt in seiner Sektoruntersuchung Milch bereits 2012 feststellte, die Erzeuger in die Lage versetzt, am Markt teilzunehmen. Eine weitere Konzentration auf Seiten der Molkereien ohne gleichzeitige Eröffnung von Wettbewerb durch die Möglichkeit, Preise und Mengen eigenverantwortlich zu verhandeln, schwächt die Erzeuger erneut und steht ihren Interessen diametral entgegen. Würde es den Fusionspartnern tatsächlich auch um die Belange der Milcherzeuger und deren Stärkung gehen, so würden sie selbst an einer Umsetzung der genannten Punkte mitwirken und diese mit Nachdruck verfolgen.

NGG: Bestehende und tariflich gesicherte Arbeitsplätze sichern

 „Jetzt kommt es darauf an, dass alle bestehenden und auch tariflich gesicherten Arbeitsplätze bei DMK und Arla Foods gesichert und Investitionen in die Modernisierung der Produktionsstandorte in Deutschland, vorgenommen werden“, erklärt in einer ersten Reaktion auf die Fusionspläne Finn Petersen, Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Nord. Dabei verweist die NGG darauf, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Standortschließungen und anderen strukturellen Maßnahmen gekommen sei. Als zuständige Branchengewerkschaft verhandelt die NGG sowohl an den deutschen Standorten der Arla Foods, als auch für das DMK, seit Jahren bzw. Jahrzehnten, Tarifverträge.

Die Stellungnahme des European Milk Boards zu den Genossenschaftsstrukturen findet sich hier.