EU-Kommission will Position der Landwirt:innen in der Wertschöpfungskette stärken

Die EU-Kommission schlägt neue Maßnahmen vor, um die Position der Landwirte in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette zu stärken und die grenzüberschreitende Durchsetzung von Maßnahmen gegen unlautere Handelspraktiken zu verbessern. Der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling sieht darin längst überfällige positive Ansätze.

Die Vorschläge, die laut EU-Kommission die Ergebnisse des Strategischen Dialogs der EU widerspiegeln, sehen unter anderem Verbesserungen bei Verträgen zwischen Landwirten und Käufern (Verarbeitern und Handel) vor, ebenso wie die Stärkung von Erzeugerorganisationen. Es soll geklärt werden, wann Begriffe wie „fair“, „gerecht“ und „kurze Lieferketten“ verwendet werden können, um die Organisation der Lieferkette bei der Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu beschreiben und es soll die Möglichkeit für Landwirte und andere Akteure ausgeweitet werden, Nachhaltigkeitsinitiativen mit bestimmten sozialen Dimensionen zu vereinbaren, wie etwa die Unterstützung des Generationswechsels, die Erhaltung der Lebensfähigkeit kleiner landwirtschaftlicher Betriebe oder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Landwirten und Landarbeitern.

Dazu erklärt der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen: „Die heutigen Vorschläge erfüllen meine Zusage, die Position der Landwirte in der Agrar- und Lebensmittelkette weiter zu stärken. Die Landwirte verdienen es, von ihrer Arbeit gerecht zu leben. Diese gezielten Änderungen werden den Landwirten zugutekommen, indem sie die Verträge stärken, die Zusammenarbeit zwischen den Landwirten stärken und vereinfachen, freiwillige Kooperationsinitiativen zugunsten der Nachhaltigkeit fördern und sicherstellen, dass die Landwirte wirklich von Initiativen profitieren, die faire und kurze Lieferketten für die Verbraucher vermarkten. Darüber hinaus wird die Verbesserung des Austauschs zwischen den nationalen Durchsetzungsbehörden von entscheidender Bedeutung sein, um unlautere Handelspraktiken wirksam anzugehen und eine faire Behandlung von Landwirten und kleineren Akteuren der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft in der gesamten EU sicherzustellen.“

Häusling: Mitgliedstaaten müssen konsequent umsetzen

Martin Häusling, Mitglied im Agrar- sowie im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments, kommentiert: „Die Vorschläge der EU-Kommission setzen nach der Abschwächung von Umweltstandards unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus im Frühling nun endlich dort an, wo Landwirtinnen und Landwirte seit Langem dringend politischen Handlungsbedarf fordern: bei der Stärkung der Verhandlungsmacht von Erzeugern. Landwirte müssen auf Augenhöhe mit den Verarbeitern und dem Handel, die aufgrund ihrer wachsenden Marktmacht immer stärkeren Preisdruck ausüben, verhandeln können.
Positiv ist die Stärkung von Erzeugerorganisationen. Es ist richtig, dass Vorschriften für deren rechtliche Anerkennung vereinfacht werden sollen. Auch sollen die Mitgliedstaaten ihnen mehr finanzielle Unterstützung im Rahmen der GAP gewähren können."

Auch die Festlegung klarer Kriterien für Marketing-Begriffe wie „fair“, „gerecht“ und „kurze Lieferketten“ ist nach Ansicht von Häusling überfällig. Dies schaffe Transparenz und trage dazu bei, das Vertrauen der Verbraucher in regionale und nachhaltige Produktion zu stärken. Darüber hinaus wäre die Erweiterung grenzüberschreitender Kooperationen gegen unlautere Handelspraktiken ein entscheidender Fortschritt. "Ein gegenseitiger Unterstützungs-Mechanismus soll die Verfolgung von Verstößen über Ländergrenzen hinweg effizienter machen. Das würde den fairen Wettbewerb in Europa stärken", so Häusling.

Die derzeitige Debatte in Deutschland um die Umsetzung der Mengen- und Preisverpflichtung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktordnung im Bereich Milchmarkt zeige allerdings, wie viel Widerstand zu erwarten ist. "Milchindustrie und der Bauernverband blockieren hier Fortschritt auf Kosten der Erzeuger. Genossenschaften profitieren seit Jahren von ihrem positiven Image, obwohl ihre Interessen bei Ein- und Verkauf oftmals nicht mit denen der Erzeuger übereinstimmen. Sie gebärden sich wie Konzerne und nutzen ihre Marktmacht aus, um Erzeugerpreise zu drücken, bzw. zahlen diese als Restposten aus. In vielen Fällen haben Erzeuger kaum noch Einfluss auf das produktive Geschäft, obwohl sie als „Eigentümer“ auf dem Papier stehen. Es reicht daher nicht, dass die EU fortschrittliche Instrumente zur Stärkung der Landwirte in der Lebensmittelkette - wie zum Beispiel die verpflichtenden Preisvereinbarungen - zur Verfügung stellt – die Mitgliedsstaaten müssen diese auch konsequent gegen marktmächtige Interessen umsetzen", erklärt der grüne EU-Abgeordnete.

In den vergangenen Jahren ist der Anteil der Erzeuger am Wert der Endprodukte in der Lebensmittelkette kontinuierlich gesunken. Gleichzeitig steige die Marktmacht des Handels und der Verarbeiter. Landwirte stehen dadurch laut Häusling unter immensem Druck, während ihre Produktionskosten steigen und ihre Verhandlungsspielräume schrumpfen. Diese Schieflage gefährde nicht nur die wirtschaftliche Existenz vieler Betriebe, sondern auch die langfristige Nachhaltigkeit und Vielfalt in der Landwirtschaft.