EMB: Dem Höfesterben ein Ende setzen

Bei der jüngsten Mitgliederversammlung des European Milk Board (EMB) kamen Milcherzeugerorganisationen aus zahlreichen europäischen Staaten zusammen, um über zentrale Herausforderungen der Milchbranche zu diskutieren. Man war sich dabei einig: Auch wenn auf den Höfen kostendeckende Preise jetzt viel öfter vorkommen als zuvor – man daher dem Ziel des EMB immer nähergekommen ist – sind die grundlegenden Probleme des Milchsektors noch nicht gelöst und müssen JETZT angegangen werden. Das erklärte auf der Versammlung des EMB auch ein Vertreter der Europäischen Föderation der Gewerkschaften für Lebensmittel, Landwirtschaft und Tourismus. Und Berit Thomsen als Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft im EMB unterstreicht mit Blick auf die Fusionspläne von Arla und DMK die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit unter anderem den Bauernorganisationen des EMB.

„Die wirklichen Kosten zuzüglich einer Gewinnmarge, die wir bekommen sollten, werden immer noch nicht gedeckt. Der Sektor ist nicht gesund“, umschreibt der EMB-Vorsitzende Kjartan Poulsen die Situation am Milchmarkt. Sein Kollege – EMB-Vizevorsitzender Boris Gondouin – ergänzt: „Es braucht eine positive und nachhaltige Regulierung. Ja, sicher – wir haben jetzt auch eine Art Regulierung im Sektor. Aber die ist ungemein problematisch, denn sie beruht auf dem Wegsterben vieler bäuerlicher Betriebe, wodurch die Menge knapper geworden ist. Das kann und darf nicht die Zukunft des Milchsektors sein!“
Die strukturellen Probleme am Milchmarkt sind laut EMB nicht gelöst. Im Gegenteil, sie seien heute stärker als je zuvor. Deshalb müssen die Milcherzeuger weiterkämpfen – für tiefgreifende, sinnvolle Reformen.

EMB erkennt progressive Position der EU-Kommission an – doch mehr Entschlossenheit ist gefragt

Positiv wurde auf der Versammlung die aktuelle Position der EU-Kommission zur Reformierung der Gemeinsamen Marktorganisation aufgenommen. Doch die Milcherzeuger machen deutlich: Es braucht nun auch vom EU-Parlament und dem Rat konkrete politische Entscheidungen, um die Reformen tatsächlich auf den Weg zu bringen. Denn nur so können Landwirte auf den Höfen gehalten werden und Neueinsteiger eine echte Perspektive vorfinden.

Die zentralen Reformforderungen des EMB:

  1. Kriseninstrumente mit Präventivwirkung: Das EMB fordert die Integration vorausschauender Maßnahmen zur Marktstabilisierung, wie das Marktverantwortungsprogramm (MVP), um extreme Preisschwankungen und Verluste wirksam zu verhindern.
  2. Stärkung der Erzeugergemeinschaften: Produzentenorganisationen sollten europaweit eine kollektive Verhandlungsmacht von bis zu 30 % des EU-Marktes erhalten. Dies soll zu gerechteren Preisen in den Marktbeziehungen mit Molkereien und dem Einzelhandel führen.
  3. Faire Handelspraktiken durch gesetzliches Verbot von nichtkostendeckenden Preisen: Preise unterhalb der Produktionskosten sollten verboten werden, um unlauteren Wettbewerb und die Ausnutzung von Marktmacht entlang der Wertschöpfungskette zu verhindern.
  4. Verpflichtende Verträge mit fairen Klauseln: Das EMB fordert EU-weit verbindliche Verträge zwischen Milcherzeugern und Verarbeitern, die eine ausgeglichene und partnerschaftliche Zusammenarbeit sicherstellen.
  5. Einbindung der genossenschaftlichen Verarbeiter in ein gerechtes Marktsystem: Genossenschaftliche Molkereien müssen als integraler Bestandteil der Marktordnung einbezogen werden – mit allen Rechten und Pflichten.
  6. Bürokratische Maßnahmen, die den Erzeugern und der Produktion das Leben schwer machen, müssen identifiziert und drastisch reduziert werden. Trotz höherem Milchpreis verlassen viele Erzeuger die Produktion, da sie mit steigenden Anforderungen und einem ständigen Mehr an Bürokratie die Erzeugung nicht weiterführen können. Wer dennoch weiterproduziert, kappt einen Großteil seiner Investitionen, da er nicht mehr an eine Zukunft in der Milchproduktion glaubt.

Ziel: Landwirtschaft mit Zukunft

Die EMB-Mitgliederversammlung sendet ein klares Signal an die Politik in Brüssel und in den einzelnen europäischen Ländern: Ohne entschlossene Strukturreformen wird Europas Milchwirtschaft in eine Sackgasse geraten. „Unsere Vorschläge zeigen den Weg hin zu einer krisenfesten, fairen und nachhaltigen Milchproduktion. Jetzt ist es an der Zeit, sie umzusetzen“, betont EMB-Präsident Kjartan Poulsen.

Das EMB ist nach eigenen Worten nicht die einzige Organisation, die sich für die ökonomischen und sozialen Belange in der Landwirtschaft einsetzt. Aus diesem Grund war es für das EMB eine Ehre, dass auch ein Vertreter der Europäischen Föderation der Gewerkschaften für Lebensmittel, Landwirtschaft und Tourismus (European Federation of Food, Agriculture and Tourism Trade Unions; EFFAT) die Positionen und Ziele seiner Organisation bei der EMB-Mitgliederversammlung vorgestellt hat. „So wurde einmal mehr deutlich, dass man gemeinsam mit anderen konstruktiven Akteuren wichtige soziale Impulse auf der EU-Ebene setzen kann“,so das EMB.

EFFAT: soziale Konditionalität stärken

Die Position der EFFAT -unter anderem zur GAP - schilderte auf der EMB-Versammlung Ivan Ivanov. Trotz ihrer wesentlichen Rolle im europäischen Nahrungsmittelsystem gehören nach Ansicht der EFFAT Landarbeiter nach wie vor zu den am stärksten gefährdeten Personen in der EU:

  • 10 Millionen Beschäftigte in der Landwirtschaft in der gesamten EU,
  • 32 % von ihnen arbeiten schwarz, ohne Zugang zu sozialem Schutz und Arbeitsrechten,
  • der Sektor verzeichnet ca. 500 tödliche und 150,000 nicht tödliche Unfälle jährlich — Ausdruck dauerhaft unsicherer Arbeitsbedingungen,
  • unzählige Arbeiter sind Ausbeutung ausgesetzt und Ausgrenzung, insbesondere von Wanderarbeitern und Saisonarbeitern.

Die anstehende Reform der Europäischen Agrarpolitik (GAP) nach 2027 bietet für die EFFAT eine entscheidende Chance, die Agrarpolitik so umzugestalten, dass sie den arbeitenden Menschen zugutekommt und dazu beiträgt, die seit langem bestehenden Probleme des Sektors anzugehen.

Nach einem historischen Durchbruch mit der Einführung der sozialen Konditionalität im Rahmen der letzten GAP-Reform drängt EFFAT nun darauf, diese hart erkämpfte Errungenschaft zu stärken und durchzusetzen.

Die wichtigsten Forderungen von EFFAT für die GAP nach 2027:

  • Stärkung der sozialen Konditionalität durch vollständige Umsetzung und eine ex ante Mechanismus, größerer Umfang, verbindliche Inspektionsziele und wirksame Überwachung.
  • Sicherung eines starken GAP-Haushalts Das Programm belohnt Mitgliedstaaten, die soziale Ziele wie die Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit, die Förderung von Tarifverhandlungen und die Verringerung der Zahl von Arbeitsunfällen vorantreiben.
  • Ausweitung der Direktzahlungen Kriterien die Beschäftigungsdimension einzubeziehen. Nicht nur der Landbesitz, sondern auch die angegebenen Arbeitszeiten, die Sozialversicherungsbeiträge und die Stabilität der Beschäftigung müssen berücksichtigt werden.
  • Verpflichtende Schulung und Ausbildung der Arbeitnehmer, insbesondere in arbeitsintensiven Sektoren wie der Obst-, Gemüse- und Weinproduktion.

Thomsen: gemeinsam für die Interessen der Bäuerinnen und Bauern

Bezüglich der geplanten Fusion von Arla und DMK kritisiert die AbL die zunehmende Konzentration konzernähnlicher Strukturen zum Nachteil der genossenschaftlichen Bäuerinnen und Bauern. Dazu erklärt Berit Thomsen, AbL-Referentin für Tierhaltung und Marktpolitik: "Sollte kein Weg an dieser Fusion vorbeigehen, dann müssen klare Rahmenbedingungen und Instrumente sowohl politisch als auch kartellrechtlich geschaffen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit für Milchbäuerinnen und Bauern zu verbessern. Deshalb ist die AbL an Kooperationen mit anderen Bauernorganisationen des EMBs interessiert, um sich auszutauschen und die Kräfte zu bündeln und sich gemeinsam für die Interessen der Bäuerinnen und Bauern stark zu machen. Auch müssen die Auswüchse dieser Fusion öffentlich gemacht werden, damit die Politik marktpolitische Rahmen setzt - zur Stärkung der Milcherzeuger:innen."