Die Patentierung der Natur: Wie Agrarkonzerne das Erbe der Menschheit verkaufen

Bei einem Abend mit der Trägerin des alternativen Nobelpreises Vandana Shiva stellte das Bündnis für ein gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft in Bayern, dem Landwirtschafts-, Bio-, Umweltverbände, der Verbraucherschutz und weitere Gruppen der Zivilgesellschaft angehören, die aktuellen Pläne der EU-Kommission zum Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen vor. So sollen entgegen dem Vorsorgeprinzip die Risikoprüfung, die Pflicht zur Rückverfolgbarkeit und die Kennzeichnungspflicht entfallen. Damit wird den Verbraucher*innen die Wahlfreiheit genommen und den Landwirt*innen droht die schleichende Kontamination ihres gentechnikfreien Anbaus.

Die Trägerin des bayerischen Naturschutzpreises Vandana Shiva, legte in ihrem Vortrag dar, welche Folgen die Beherrschung des Saatgutmarktes durch globale Agrarkonzerne für Landwirt*innen hat. Den Preis für die Verbreitung von gentechnisch verändertem, patentiertem Saatgut zahlen die Bäuerinnen und Bauern, durch Abhängigkeit, Schulden und dem Verlust ihrer Lebensgrundlage.

Damit den Bäuerinnen und Bauern in Bayern nicht das passiert, was wir in Brasilien und Indien in den letzten 20 Jahren beobachten können und um die Pläne der EU-Kommission zu stoppen, hat sich das Bündnis für eine gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft in Bayern, zusammengeschlossen, dem unter anderem die AbL, der BDM und mehrere Bioanbauverbände angehören. Der BN-Vorsitzende Richard Mergner erklärt in seinem Grußwort. „Der Freistaat Bayern hat sich den gentechnikfreien Regionen Europas angeschlossen. Die EVP-Fraktion im EU Parlament mit ihrem-Vorsitzenden Manfred Weber von der CSU hat volle Zustimmung zu den Plänen der EU-Kommission signalisiert. Wir fordern Ministerpräsident Markus Söder auf, hier Klartext zu reden und das Bekenntnis zu einem gentechnikanbaufreien Bayern zu erneuern.“

Zuvor stellten die Vertreter*innen des bayerischen Bündnisses die aktuellen Pläne der EU-Kommission vor. Mit der Behauptung, dass die neuen gentechnischen Verfahren (z.B. Crispr/Cas) „quasi“ natürliche Veränderungen im Erbgut von Pflanzen produzieren, soll ein Freifahrschein zur Ausbringung in der Natur ausgestellt werden. Christoph Fischer von Zivilcourage betont: „Außerdem kann die Agrarindustrie Patente auf Genabschnitte anmelden, die teilweise mit diesen neuen Verfahren hergestellt worden sein sollen. Diese könnten aber auch durch natürliche Zucht entstanden sein. Das Problem: Saatgut-Züchtern könnten bei der Produktion ihrer natürlichen Züchtungen Probleme bekommen, wenn hier bereits kostenpflichtige Patente vorliegen. Dieses Risiko zieht sich dann durch die komplette Wertschöpfungskette Landwirte, Verarbeiter, Endprodukt. Auf jeder Wertschöpfungsstufe kann die Agrarindustrie so mitverdienen, ohne an der Produktion beteiligt zu sein - nur auf Basis der Patente! Dass die EU-Expert*innen das nicht erkennen oder erkennen wollen lässt nur einen Schluss zu: Sie müssen besser hinschauen, um zuverlässig Ihre Bürger*innen und Landwirt*innen vor Schaden zu bewahren“.

Mehr als 1.500 Patente auf wichtige Genabschnitte in Pflanzen liegen in Europa bereits heute in den Händen von 3 großen Agrarkonzernen. Schon heute geraten konventionelle Züchter damit in Konflikt und werden mit hohen Patentgebühren konfrontiert.

Anstatt die im Green Deal verankerte „Farm to Fork“ Strategie durch den Ausbau des ökologischen Landbaus, mehr Agrarökologie und durch eine vielfältige und regional angepasste Landwirtschaft voranzubringen, scheint die EU-Kommission einen Greenwashing Deal mit den Agrarkonzernen auszuhandeln. Die EU verfolgt das Ziel bis 2030 den Pestizideinsatz im Vergleich zu heute zu halbieren. Den Agrarkonzernen wird im Gegenzug ein Freifahrschein für gentechnisch veränderte Pflanzen und deren Patentierung ausgestellt. Ein nachhaltiges Geschäftsmodell für die Agrarkonzerne.Doch zeigen die Entwicklungen in der Erfahrung mit gentechnisch veränderten Pflanzen ein anderes Bild. So hat sich in den letzten 20 Jahren z.B. in Brasilien und den USA wo zweidrittel der angebauten Pflanzen bereits gentechnisch verändert sind, der Pestizideinsatz teilweise verdreifacht. Die Versprechen zur Ertragssteigerung bleiben bis heute ebenso unerfüllt, wie die im Hinblick auf die Klimaanpassung, denn die Komplexität des Zusammenspiels von Genen bei Hitze- oder Trockentoleranz, überfordern die Technologie. Die genetische Vielfalt in der bäuerlichen Landwirtschaft weltweit bietet hier einen noch unerschlossenen genetischen Schatz, mit einem Freifahrschein für gentechnisch veränderte Pflanzen, ist diese Saatgutvielfalt bedroht.

Die Bewahrung der Saatgutvielfalt hat sich Vandana Shiva zur Lebensaufgabe gemacht. Sie engagiert sich gegen die Abhängigkeit von Kleinbauern durch Saatgutpatente, die weltweit von Agro-Gentechnikkonzernen vorangetrieben wird. Bäuerinnen und Bauern, die sich für das Recht auf Demokratie und Ernährungssouveränität einsetzen, sind auch die Protagonisten im neuen Film „Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde.“ Der Film zeigt wie Agro-Gentechnik funktioniert und welche Risiken und Gefahren von ihr ausgehen.

16.05.2023
Von: FebL/PM

Teilnehmer:innen des Abends mit der Trägerin des alternativen Nobelpreises Vandana Shiva (v.l.n.r.): MdEP Maria Noichl, Vandana Shiva, BN-Landesvorsitzender Richard Mergner, BN-Agrarreferent Harald Ulmer, Sprecher der Zivilcourage Rosenheim Christoph Fischer; Foto: BN