Wasserkrise in Europa: Umsteuern, solange es noch geht

Der Umgang mit der knappen Ressource Wasser muss verantwortungsvoller werden, fordern die Grünen EU-Abgeordneten Sarah Wiener und Martin Häusling in einem Positionspapier. Das beginnt nach Ansicht der EU-Abgeordneten mit einer konsequenten Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und beinhaltet unter anderem die Entsiegelung von Flächen und die Bildung von Schwammlandschaften.

Auch 2023 ist ein Sommer der Extreme: Für 40% des EU-Gebietes gilt aktuell eine Dürre-Warnung. Auf Trockenperioden folgen zwar auch heftige Unwetter mit Regen. Doch die trockenen und verdichteten Böden können diesen nicht aufnehmen und für die Pflanzen speichern, auch im Grundwasser kommt immer weniger an. Je weniger Wasser im Kreislauf ist, desto deutlicher werden auch die Qualitätsprobleme. Nur knapp die Hälfte der Gewässer sind in gutem ökologischem Zustand. Mineraldünger, Pestizide und Chemikalien belasten diese, so die zwei EU-Abgeordneten.

Die jüngste Bewertung der Europäischen Umweltagentur (EUA) zeigt laut dem Positionspapier, dass nur etwa 40 Prozent der europäischen Oberflächengewässer einen guten ökologischen Zustand und 38 Prozent einen guten chemischen Zustand erreichen; bei den Grundwässern sieht es im Allgemeinen besser aus: 74 Prozent erreichen einen guten chemischen und 89 Prozent einen guten mengenmäßigen Zustand, aber in einigen Einzugsgebieten sind die Probleme immer noch gravierend. Die Gewässer hätten laut WRRL schon 2015 in einem guten Zustand sein sollen.

Anlässlich der Vorstellung des Papiers erklärt Martin Häusling: “Flächenfraß und Versiegelung müssen jetzt gestoppt werden. Wir können keine fruchtbaren, wasserspeichernden Böden mehr entbehren. Weiterhin braucht es dringend EU-weite Maßnahmen für den Bodenschutz, den Umbau der Wälder und strukturreiche Landschaften. Entscheidend ist die Förderung von Schwammlandschaften und -städten, diese speichern nicht nur Wasser, sie verdunsten auch und tragen damit zur Kühlung und zur Regenbildung bei. Die Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen ist nicht mehr zeitgemäß, Wasser muss in der Fläche gehalten werden. Nur so sind die Flächen auch widerstandsfähig gegen ertragsbedrohende Dürren. Dazu gehört auch der Humusaufbau. Ökologisch bewirtschaftete Flächen können durchschnittlich doppelt so viel Wasser im Boden speichern, wie konventionelle – wegen des höheren Humusgehalts.

Zunehmende Versiegelung verstärkt die Wasserknappheit nur noch. In Österreich werden jeden Tag 12 Hektar Boden verbaut, in Deutschland 55. Der Boden kann dadurch seine natürliche Aufgabe als Wasserspeicher und Grundwasserlieferant nicht erfüllen.

Sarah Wiener, Mitglied im Agrar- und Umweltausschuss, fasst zusammen: “Die Wasserrahmenrichtlinie soll einen guten Zustand der europäischen Süßgewässer garantieren, wird aber in der Praxis kaum umgesetzt. Fristen werden immer weiter nach hinten verschoben – etwa für neue Bewirtschaftungspläne für Flusslandschaften – und Ausnahmen für Industrie und Landwirtschaft gemacht. Die Kommission ist rechtlich verpflichtet, die Umsetzung von Richtlinien zu überprüfen und kann das nicht länger schleifen lassen. Die Wasserversorgung der EU-Bürgerinnen und Bürger muss für die Zukunft gesichert werden. Dabei ist nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität in Gefahr: Neben Mineraldüngern und Pestiziden sind in der EU auch 100.000 Chemikalien im Umlauf, von denen nur 500 umfassend geprüft wurden. Ein besserer Schutz von Oberflächengewässern ist deshalb unumgänglich, etwa durch eine stärkere EU-Chemikalienverordnung (REACH).”

Als Forderungen nennt das Positionspapier unter anderem:
- Alle Nutzer, einschließlich der Landwirtschaft, müssen in gerechterer Weise an den vollen Kosten der Wasserdienstleistungen beteiligt werden.
- Verbot des präventiven Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung.
- Wiederherstellung von Mooren und Feuchtgebieten.
- Verstärkte Nutzung naturnaher Lösungen, wie dem Pflanzen von Bäumen, Hecken und Saumstrukturen, dem Anlegen von Mulden, der Beseitigung von Dämmen und Drainagen, um sicherzustellen, dass Wasser zurückgehalten wird, die Verdunstung und Kühlung (biotische Pumpe) erhöht wird, der Wasserkreislauf diversifiziert wird und sich die biologische Vielfalt des Süßwassers in degradierten Gebieten wieder ausbreiten kann („Schwammlandschaften“ kreieren).
- Gezielte Förderung des Ökolandbaus und agrarökologischer Maßnahmen, insbesondere in Wasserschutz- und -einzugsgebieten.
- Flächenfrass und Flächenversiegelung eindämmen (Kommunal- und Verkehrspolitik).
- Zusätzliche Versiegelungen müssen durch Rückbaumaßnahmen ausgeglichen werden, etwa, indem Straßen, die nicht mehr benötigt werden, zurückgebaut werden.

25.07.2023
Von: FebL/PM

64% der EU waren 2022 von Dürre betroffen (Toreti 2023). Bildquelle: Positionspapier Wasser Wiener/Häusling