Wenn der Regen ausbleibt

Stolz zeigt uns Said seine Olivenbäume. Eingerahmt in die haushohen „Knicks“ aus Hindi-Kakteen durchqueren wir den knapp drei Hektar großen Betrieb der Familie. Unter den Bäumen wachsen Fababohnen, Hafer und knallrote Mohnblumen, dicht gedrängt an die Tröpfchenbewässerungsschläuche. Normalerweise würde er hier Gemüse für den Großmarkt anbauen, aber dafür reiche dieses Jahr das Wasser nicht aus, erzählt uns Said. Stattdessen lasse er seine Schafe auf die Fläche, die den mageren Aufwuchs noch am besten verwerten könnten. Den Großteil der Flächen lässt die Familie inzwischen sogar ganz brachfallen, um zumindest die Bäume mit Wasser versorgen zu können. Said hofft, dass eine gute Olivenernte im Winter seine Verluste etwas abfedern kann.

Stauseen sind leer

Zwei Tage lang sind wir mit einer Projektgruppe des Nationalen Instituts für Agrarwirtschaften in Tunesien in Kairouan im Zentrum Tunesiens unterwegs, um mit Landwirt*innen wie Said über Strategien der effizienten Bewässerung zu sprechen. Dies ist dringend notwendig, denn seit über einem Jahr befindet sich das Land in einer dramatischen Wasserkrise: Die ohnehin geringen Regenfälle sind in vielen Teilen des Landes quasi ausgeblieben. Die Stauseen sind leer, in vielen Regionen sinkt der Grundwasserspiegel um mehrere Meter pro Jahr ab und zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wird selbst in den Städten das Leitungswasser rationiert. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) befindet sich ein Land unter extremem Wasserstress, sobald pro Einwohner*in weniger als 500 m3 pro Jahr zur Verfügung stehen. In Tunesien lag dieser Wert 2016 bereits bei 400 m3 pro Jahr, was sich durch die Klimakrise noch weiter verschärfen wird. Was diese Zahlen in der Realität bedeuten, erleben wir hier jeden Tag aufs Neue: Ganze Landschaften, die jetzt voll von grünen Weizen- und Gerstenfeldern sein sollten, liegen brach. Lediglich in den milderen Küstenstreifen und auf den knapp acht Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, die bewässert werden, findet jetzt noch eine Produktion statt.

Bedrohliche Intensivierung

In Regionen wie Kairouan wirkt die anhaltende Dürre wie ein Brennglas, das die ohnehin schon bestehenden Krisen der ländlichen Perspektivlosigkeit und des Wassermangels weiter verschärft. Jahrzehntelang fuhr die Regierung hier eine Strategie der landwirtschaftlichen Intensivierung, was vor allem eine Intensivierung der Bewässerung bedeutete. In den Bergen wurden Staudämme errichtet, kofinanziert von der deutschen Regierung, um das Grundwasser aufzufüllen und eine kontinuierliche Versorgung mit der flüssigen Ressource zu gewährleisten. Zudem wurde der Bau von privaten Brunnen und der dazugehörigen Infrastruktur massiv subventioniert. All das machte die Umstellung von einer kleinbäuerlichen, regenbasierten Landwirtschaft auf intensivere Produktionsformen möglich. Viele Betriebe sind zwar immer noch klein, statt Weizen, Gerste und einigen Olivenbäumen prägen jetzt aber Tomaten, Wassermelonen, Zitrusfrüchte, Olivenplantagen und Milchviehhaltung die Landschaft. Das Ziel, das mit diesen Maßnahmen verfolgt wurde, ist gut nachvollziehbar: Durch die Intensivierung und Einbindung in nationale und internationale Märkte sollten bessere Einkommen auf dem Land ermöglicht, der anhaltenden Landflucht etwas entgegengesetzt werden. Mit der Zeit wurde aber deutlich, dass weder die Abwanderung gestoppt, noch der Durst der Landwirtschaft nach immer mehr Wasser gestillt werden konnte. Immer mehr und immer tiefere Brunnen sprossen aus der Landschaft und als neue Brunnen verboten wurden, wurde halt ohne Genehmigung gebohrt. Das alles trieb die Region in eine Situation, in der auch ohne ausbleibende Regenfälle die Wasserentnahme die Kapazitäten der Grundwasserressourcen längst überstiegen hat. Die Dürre verschärft diese Grundproblematik nun massiv.

Eine überzeugende Vision, wie es in der Region weitergehen könnte, suchen wir in unseren Gesprächen mit Landwirt*innen und „Expert*innen“ vergeblich. Wer es sich leisten kann, vertieft die eigenen Brunnen, immer dem sich zurückziehenden Grundwasserspiegel hinterher. Viele aber verlassen die Region oder suchen sich zusätzliche, meist prekäre Einkommen außerhalb der Landwirtschaft. Von Seiten der Regierung kommt unterdessen wenig Unterstützung, zu sehr ist sie damit beschäftigt, ihre politischen Gegner auszuschalten und Tunesien Stück für Stück in eine Autokratie zu verwandeln. Vor zwölf Jahren führte ein ähnlicher Mix aus ökonomischer Perspektivlosigkeit und dem Gefühl, von der Regierung vernachlässigt zu werden, zu einer Reihe von Protesten, die in einer Revolution und dem Umsturz der Regierung mündeten. Auch damals waren es die ländlichen Fragen, die die politische Zukunft des Landes prägten. Ob sich eine solche Situation wiederholen wird, hängt sicherlich stark davon ab, inwieweit Perspektiven in der Landwirtschaft in Regionen wie Kairouan geschaffen werden können. Auf den drei Hektar von Said sind diese Themen allerdings noch wenig präsent. Für das kommende Jahr wolle er zunächst einige Verbesserungen bei seiner Bewässerungstechnik durchführen. „Und wer weiß“, sagt er, „vielleicht fällt im nächsten Jahr ja wieder mehr Regen.“