Klimakrise auf den Äckern: Wo bleiben die Sofortmaßnahmen?

Europa erhitzt sich schneller als jeder andere Kontinent der Erde. Die Zahl der Hitzetoten und das Ausmaß von Waldbränden, Dürren und Starkregenereignisse nehmen immer mehr zu. Witterungsextreme mindern die Ertragssicherheit und gefährden bäuerliche Existenzen. Statt mit wirkungsvollen Sofortmaßnahmen gegenzusteuern, bleibt die Bundesregierung mit dem kürzlich vorgelegten Klimaschutzprogramm 2023 nach Ansicht von Bioland vage und lässt viele Fragen offen.

„Die Landwirtschaft hat ein elementares Interesse an einer schnellen Senkung der Treibhausgasemissionen. Denn auf den Äckern ist die Klimakrise längst angekommen. Dem muss die Ampel-Koalition mit einer mutigen und entschlossenen Klimapolitik entgegenwirken“, fordert Bioland-Präsident Jan Plagge.

Angesichts der dramatischen Faktenlage müsste Deutschland das Tempo beim Klimaschutz deutlich erhöhen, meint auch Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik und Kommunikation bei Bioland. Das Gegenteil sei aber der Fall: „Die Ampel-Regierung entkernt aktuell auf Betreiben der FDP das Klimaschutzgesetz: weg von der Ressortverantwortung, hin zu einer kollektiven Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung. Mit dem abgeschwächten Klimaschutzgesetz und einem unzureichenden Klimaschutzprogramm wird die Bundesregierung zum Klima-Bremser. Was wir aber jetzt brauchen, sind Macher.“

Klimaschutzprogramm hält Versprechen nicht

Mit dem Klimaschutzprogramm 2023, so das Versprechen, rücke das deutsche Klimaziel für 2030 erstmals in Reichweite. Wer genau hinsieht, kommt zu einem anderen Schluss. Das von der Bundesregierung vorgelegte Klimaschutzprogramm reicht nicht aus, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Es fehlt an konkreten und wirkungsvollen Sofortmaßnahmen. Dies wiegt umso schwerer als die deutschen Klimaziele selbst schon nicht mit der Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze vereinbar sind.

Bereits beim Sektorziel für die Landwirtschaft besteht nach Ansicht von Bioland durch das Klimaschutzgesetz kein Anreiz für ambitioniertes Handeln: Die Bundesregierung bescheinigt eine deutliche Übererfüllung, die allerdings auf eine methodische Anpassung der Bemessung zurückgeht. Konsequent wäre nun, die Sektorziele für die Zukunft zu verschärfen, was das Klimaschutzgesetz aber nicht vorsieht.

Die Tierhaltung ist inklusive der Futterproduktion für rund 70 Prozent der Treibhausgas-Emissionen des Sektors verantwortlich. Konkrete Sofortmaßnahmen, wie diese abgesenkt werden sollen bzw. Umsetzungsschritte, wie sich die Entwicklung der Tierbestände künftig an der Fläche orientieren soll, fehlen im Klimaschutzprogramm dennoch. Eine wirkungsvolle Maßnahme wäre laut Bioland, jegliche Fördergelder für landwirtschaftliche Betriebe an die einzelbetriebliche Flächenbindung der Tierhaltung zu koppeln.

Land- und Ernährungswirtschaft müssen zugleich transformiert werden. Die Bundesregierung verweist im Klimaschutzprogramm nichtssagend auf die Erarbeitung einer Ernährungsstrategie, die bereits im Koalitionsvertrag versprochen wurde. Was auch hier fehlt, sind geeignete konkrete Sofortmaßnahmen. Die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Bio-Lebensmittel auf 0 Prozent wäre eine solche, die zugleich dem 30-Prozent-Bio-Ziel von Özdemir Vorschub leisten würde.

Mehr Klimaschutz durch mehr Ökolandbau

Der Ökolandbau ist im Klimaschutzplan 2050 sowie im Klimaschutzprogramm 2030 bereits als Klimaschutzmaßnahme verankert. Und das nach Ansicht von Bioland zurecht, denn er erbringe viele positive Leistungen für das Klima. So würden laut einer aktuellen Langzeitstudie auf ökologisch bewirtschafteten Acker- und Grünlandflächen 50 Prozent weniger Treibhausgase pro Hektar emittiert als auf konventionellen Flächen.

Die flächengebundene Tierhaltung ist bei Bio Pflicht. Sie sorgt für niedrige Tierbestände und damit auch für weniger klimaschädliche Gase. Die flächengebundene Tierhaltung vermeidet zudem, dass mehr Mist entsteht, als der Betrieb nutzen kann – daher kommt es auch nicht zu einer umwelt- und klimaschädlichen Überdüngung von Flächen, so Bioland.

Auf chemisch-synthetische Düngemittel und Pestizide verzichten Bio-Betriebe. Das ist gut für Pflanzen, Böden sowie die Artenvielfalt und hat zusätzlich einen positiven Klimaeffekt: Denn zur Herstellung von Pestiziden und künstlichen Düngemitteln sind viel Energie und fossile Ressourcen nötig, die somit eingespart werden. Außerdem wird die Entstehung von besonders klimaschädlichem Lachgas vermieden, das bei der Ausbringung von mineralischem Stickstoffdünger freigesetzt wird, der im Ökolandbau verboten ist.

Und noch einen Hinweis gibt Bioland: Bio-Böden binden durch ihren hohem Humusgehalt besonders viel CO2 aus der Luft. Auch in puncto Klima-Resilienz kann der humus- und nährstoffreiche Bioland-Boden punkten: Durch seine gute Struktur speichert er deutlich besser Wasser als konventioneller Boden. Dadurch nimmt er bei Starkregen besser Wasser auf – bis zum Fünffachen seines Gewichts – das er bei längeren Dürreperioden wieder abgibt. Das ist umso wichtiger, da Extremwetterphänomene in Folge des Klimawandels immer häufiger und heftiger werden. Ökolandbau ist also auch angewandter Hochwasserschutz in der Fläche.