Volksbegehren am Ziel: Gesetz leitet Wende für mehr Artenschutz ein

Der baden-württembergische Landtag hat dem im Zusammenhang mit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ entstandenen Gesetzesentwurf zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetztes zugestimmt. Gemeinsam begrüßen die Landesverbände von BUND, NABU, Demeter, Naturland, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Slow Food Deutschland und Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall diese jetzt vom Landtag verabschiedete Gesetzesnovelle. Die Verbände betonen aber auch, künftig sehr genau darauf zu achten, ob den geschriebenen Worten auch Taten folgen und die Förderpolitik sich weg von Größe und Masse hin zu kleineren, regionalen und nachhaltigen Strukturen verschiebt. Davon würde die Vielfalt von Flora und Fauna profitieren und zugleich die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln auf krisenfestere Füße gestellt werden. „Uns fällt ein Stein vom Herzen – der Schutz der Biodiversität hat einen starken Anker im Landesgesetz erhalten. Wir danken der Landesregierung und den Abgeordneten des Landtags, dass sie ihre Zusagen eingehalten und das Biodiversitätsstärkungsgesetz noch vor der Sommerpause nahezu unverändert verabschiedet haben“, kommentiert der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle die heutige Landtagssitzung in Stuttgart. Mit dem neuen Gesetz habe das Land einige große Rettungsringe für Insekten, Agrarvögel und andere bedrohte Arten ausgeworfen und die nötigen Finanzmittel gleich mit beschlossen. „Das ist ein Tag zum Feiern für den Naturschutz. Mit der nun beschlossenen Pestizidreduktion steigen in Zukunft die Lebenschancen für Insekten, Vögel und Fledermäuse“, sagt Enssle. Mit den jetzt beschlossenen Gesetzesänderungen beendet das Land nach Ansicht der BUND-Landesvorsitzenden, Brigitte Dahlbender, auch die Verschotterung von Vorgärten, reduziert die Lichtverschmutzung im Siedlungsbereich und schafft die Grundlage für einen starken Biotopverbund, der für wandernde Arten, wie die Wildkatze, aber auf für Insekten überlebenswichtig ist. Das Land investiert mit diesem Gesetz in eine artenreiche Zukunft“. Wichtige Zwischenetappe erreicht
„Der Prozess zur Aussöhnung von Naturschutz und Landwirtschaft hat eine wichtige Zwischenetappe erreicht. Das Land hat heute per Gesetz den schrittweisen Umbau der Landwirtschaft eingeläutet und fördert damit nicht nur die Artenvielfalt auf dem Acker, sondern stärkt vor allem auch die bei uns noch vorhandenen, bäuerlichen Strukturen. Jetzt geht es darum, aus Wertschätzung im Gesetz Wertschöpfung auf dem Betrieb zu machen“, sagt Demeter-Landesvorstand Tim Kiesler. Für Hans Bartelme, Vorsitzender von Naturland, steht fest: „Mehr Ökologie in der Landwirtschaft gibt es nicht zum Nulltarif – weder für die Betriebe, noch für die Verbraucherinnen und Verbraucher.“ Die Verbände betonen, mit dem Gesetz hätten Politik, Gesellschaft und Landwirtschaft sich nach intensivem Dialog in historischer Deutlichkeit zu einem Wandel in der Landwirtschaft bekannt. Das sei ein starkes Signal, auch in Richtung Handel. Denn anders als wertvolle regionale Lebensmittel, gehöre Preisdumping auf Kosten von Bienen, Bauern und Bürgern nicht erst seit Corona in die Tonne. „Das Gesetz spiegelt die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger im Land nach guten und gesunden Lebensmitteln, mehr Fairness, mehr Tierwohl und dem Erhalt biologischer Vielfalt bei der Erzeugung von Lebensmitteln wider. Es geht um einen neuen gesellschaftlichen Grundkonsens über die Zukunft der Landwirtschaft und unseres Ernährungssystems. Dafür müssen wir gemeinsam Verantwortung übernehmen – der Handel und wir Verbraucherinnen und Verbraucher, indem wir den Umbau der Landwirtschaft sowie des Wein- und Obstbaus durch faire Preise in Wert setzen“, erklärt Andrea Lenkert-Hörmann von Slow Food. Tanja Holzschuh, Mitglied des AbL-Landesvorstands betont: „Mit dem Volksbegehren und dem Biodiversitätsstärkungsgesetz wurde in Baden-Württemberg der Anfang gemacht. Jetzt geht es darum, kontinuierlich daran weiterzuarbeiten und dabei dafür Sorge zu tragen, dass unsere landwirtschaftlichen Betriebe im Südwesten nicht auf der Strecke bleiben.“ Rudolf Bühler von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall erklärt: „Es muss uns allen gemeinsam gelingen, die dringend benötigte Agrarwende für zukunftsfähige Höfe mit gesunden Nutztieren und intakten Lebensräumen umzusetzen. Mit dem Volksbegehren und dem Biodiversitätsstärkungsgesetz wurde in Baden-Württemberg ein wichtiger Anfang gemacht. Als nächstes muss es gelingen, alle Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot zu nehmen und vor allem das regionale Lebensmittelhandwerk und die ländliche Gastronomie als Partner zu gewinnen. Denn hier entsteht aus heimischem Bio regionale Wertschöpfung.“ Als wichtigste Gesetzesänderungen für mehr Artenvielfalt und eine Zukunft der heimischen Landwirtschaft nennen die Verbände:
Bio-Anbau: Die Anbaufläche wächst bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Bio-Anbau wird in den Bildungsplänen, Landesanstalten und Forschungseinrichtungen stärker verankert. Landesflächen sollen bei Neuverpachtungen vorrangig ökologisch bewirtschaftet werden.
Pestizidreduktion: Der Anteil chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel sinkt um 40 bis 50 Prozent bis 2030. Dazu beitragen sollen Landwirtschaft, Forst, Haus- und Kleingärten, öffentliche Grünflächen und der Verkehrsbereich. Das Landwirtschaftsministerium ermittelt jährlich die Pestizidmenge und berichtet. Es gelten zudem die Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes mit Fruchtfolge u.a.
Biotopverbund: Aufbau eines landesweiten Biotopverbunds auf 15 Prozent der Landesfläche bis 2030. Dazu erstellen die Gemeinden für ihr Gebiet auf Grundlage des Fachplans Landesweiter Biotopverbund und Generalwildwegeplan Pläne oder passen die Landschafts- oder Grünordnungspläne an.
Refugialflächen: Mittelfristig steigt der Anteil an Rückzugsflächen für die Artenvielfalt landesweit auf mindestens zehn Prozent der Fläche, abhängig von der landwirtschaftlichen Landnutzungsart. Jeder landwirtschaftliche Betrieb soll mindestens fünf Prozent an ökologisch wirksamen Maßnahmen umsetzen.
Streuobstschutz: Streuobstbäume sind stärker geschützt und dürfen nur mit behördlicher Genehmigung gerodet werden. Liegt ein überwiegend öffentliches Interesse vor oder ist der Streuobstbestand wichtig für den Naturhaushalt oder die Artenvielfalt, soll es keine Nutzungsänderung geben dürfen.
Insektenschutz: Schottergärten auf Privatgrundstücken sind künftig verboten. Von mehr Blüten und Grünflächen profitieren Insekten, aber auch Vögel und Gartenbewohner, etwa der Igel. Gartenanlagen sollen insektenfreundlich gestaltetet werden. Unnötige Beleuchtung soll entfallen, damit die für Insekten schädliche Lichtverschmutzung sinkt.
Transparenz: Die LUBW führt eine neue Online-Plattform ein, auf der die Ausgleichsmaßnahmen für Baumaßnahmen transparent und nachvollziehbar dargestellt werden.