Veganismus ist ein zentraler Angriff auf bäuerliche Strukturen

Anmerkungen von Prof. Dr. Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des BUND und ehem. Vorstandsvorsitzender von NEULAND e.V., zum Antrag der BUND-Jugend, auf BUND-Bundesveranstaltungen standardmäßig vegane Ernährung einzusetzen.

Im Gegensatz zum Vegetarismus, der nicht auf tierische Produkte, sondern nur auf Fleisch verzichtet, propagiert der Veganismus eine Landwirtschaft ohne Tiere. Dazu zählen nicht nur die klassischen landwirtschaftlichen Tiere (Wiederkäuer etc.), sondern auch die Bienen. Und damit das Produkt der Bienen, der Honig, der eben damit auch auf den Index der nicht mehr zu sich zu nehmenden Lebensmittel kommt. Allein diese Tatsache zeigt, dass der Veganismus nicht eine kleine Spezifikation der möglichen Ernährung für den Menschen darstellt, sondern die grundsätzliche Zielsetzung hat, letztendlich auch mit Hilfe von Tieren erzeugte Lebensmittel durch andere pflanzliche Lebensmittel beziehungsweise durch entsprechende andere Produkte zu ersetzen. Deshalb gibt es engste Verknüpfungen in der Lebensmittelwirtschaft, die den Stempel „vegan“ trägt, und der chemischen Industrie in den USA. Gerade die Tatsache, dass auch der Honig abgelehnt wird und damit die Bienenhaltung, welche von zentraler Bedeutung für die Bestäubung unserer Obst- und Gemüsepflanzen und vieler Nutzpflanzen ist, zeigt in meinen Augen, wie absurd dieses Symbol ist, denn wie sollen diese Nutzpflanzen bestäubt werden und wodurch soll Honig ersetzt werden? Durch die Zuckerrübe (Stichwort: Intensiver Ackerbau, Zuckerrohrplantagenwirtschaft in entsprechenden Weltregionen mit hohem Einsatz von Pestiziden beziehungsweise Dünger)? Insgesamt ist für mich der Veganismus ein Generalangriff auf die Tatsache, dass gerade Wiederkäuer, dazu zählen Rinder, Kühe, Schafe, Ziegen, von entscheidender Bedeutung sind für die Erhaltung der Grasländer dieser Erde, die weite Weltregionen außerhalb der Wälder bedecken und die, wie z. B. in der Mongolei, entsprechende indigene Völker sichern, die ausschließlich von tierischen Produkten abhängen, da der Mensch bekanntlich nicht in der Lage ist, das Gras direkt zu verwerten und das Grünland, als einen für den Menschen nicht direkt nahbaren Lebensraum, u.a. in Milch und Fleisch zu verwandeln. Auch in Deutschland ist ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche Grasvegetation in Form von Wiesen oder Weiden. Diese Lebensräume sind als CO2-Senke von zentraler Bedeutung für den Klimaschutz wegen der überdurchschnittlichen hohen Kohlenstoffgehalte des Humus und der Wurzelmasse in ihren Böden und sie sind von zentraler Bedeutung für die Biodiversität, weil sie das gesamte Artenspektrum der Wildpflanzen zu 50 Prozent abdecken. Sie sind aber auch von zentraler Bedeutung für den Erosionsschutz an Hängen beziehungsweise bei Überflutung der Auen (überflutete Wiesen bei Hochwasser sind innerhalb weniger Tage nach der Flut wieder nutzbar, Ackerböden jedoch werden abgeschwemmt und belasten über Jahrzehnte hinweg die Gewässer). Der Abschied von der Grünlandnutzung, also von der Wiesen-/Weidewirtschaft, heißt Umwandlung dieser Flächen entweder in Äcker, mit all den daraus resultierenden Umweltproblemen, oder es heißt Aufforstung dieser Flächen mit dem Verlust vor allem auch der Biodiversität und bedeutet letztendlich die Aufgabe der vielfältigen Kulturlandschaft mit negativen Wirkungen auf die Artenqualität. Artgerecht gehaltene Nutztiere mit Weide dienen dem Klima und dem Naturschutz und sind unverzichtbar.

Das bedeutet, die Antragsteller haben entweder diese Zusammenhänge nicht gekannt oder diese sind für sie irrelevant, weil sie über solch einen Beschluss bewirken wollen, dass der Verband damit ein Signal setzt. Ich halte ein solches Signal für absolut falsch, konträr zu dem, was der Verband programmatisch seit Jahrzehnten in der Landwirtschaft vertritt. Denn mindestens so gravierend wie die negativen Wirkungen auf die Biodiversität sind die Folgen des Veganismus für die Agrarstruktur. Tiere in der Landwirtschaft bedeuten Wertschöpfung durch tierische Produkte, ermöglichen damit auch kleineren bäuerlichen Strukturen das Überleben. In der ökologischen Landwirtschaft werden über 50% Umsatz mit der Erzeugung tierischer Lebensmittel erzielt. Reine Ackerbaubetriebe brauchen große Flächen mit negativen Wirkungen (siehe in den agrarischen Vorranggebieten Deutschlands mit den geringsten Biotopflächen, den höchsten Umweltbelastungen, sowohl im Westen wie im Osten). Bäuerliche Strukturen leben also nicht nur vom Verkauf von Fleisch, sondern auch von Milchprodukten, von Käse, Butter etc., aber auch von weiteren Produkten der Tiere (z. B. die Verarbeitung von Fell zu Textilien oder des Leders zu Schuhen etc.). Eine Landwirtschaft ohne Tiere würde nach mir bekannten Schätzungen der Agrarindustrie mit 10% der bisherigen Betriebe auskommen, d.h. wir verlieren 90% der Betriebe und machen die Landwirtschaft damit noch abhängiger vom Kapital- und Fremdmitteleinsatz als bisher. Das bedeutet, der Veganismus als Leitbild eine Landwirtschaft ist ein zentraler Angriff auf die bäuerliche Struktur und widerspricht damit allen Positionen des Natur- und Umweltschutzes.

Nutztiere gehören in der Rassenvielfalt genauso zum Kulturerbe wie die Nutzpflanzen und damit auch zum ganzheitlichen Naturschutz dazu. Der maßlose Fleischkonsum der Industrienationen mit der aus Tierschutz- und Umweltschutzgründen abzulehnenden industriellen Tierhaltung erfordert als Antwort die Forderung nach einer deutlichen Reduktion des Fleischkonsums, d. h. gerade auch für Deutschland die Halbierung des derzeitigen Fleischkonsums und die Bindung der Tierhaltung an die Fläche. Das heißt, es dürfen nur so viele Tiere gehalten werden, wie dies artgerecht möglich ist und sie müssen von der eigenen Futtergrundlage ernährt werden. Die Antwort ist damit das Projekt Neuland und nicht der Veganismus als Leitbild. Das schließt natürliches veganes Leben für einzelne Menschen nicht aus, macht aber klar, dass dies kein Leitbild für Alle sein kann.

Fleisch- und Milchersatzprodukte oder Nahrungsergänzungsmittel aus der chemischen Fabrik oder dem Labor sind kein Beitrag zur Rettung der Umwelt, sondern dienen dem Absatzinteresse der agro-chemischen Ernährungsindustrie.

-----------

Diese "Anmerkungen" haben bereits an verschiedenen Stellen zu lebhaften Reaktionen und Diskussionen geführt, die wir auch gerne im newsletter führen würden. Entsprechende Beiträge mit dem Hinweis auf eine Veröffentlichung (im newsletter und auf der Homepage der Bauernstimme) sehr gerne an: stodieck@bauernstimme.de

11.01.2023
Von: Hubert Weiger

Prof. Dr. Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des BUND und ehem. Vorstandsvorsitzender von NEULAND e.V.. Foto: Bund Naturschutz in Bayern/Puder