Umstrittener Plan zum Glyphosat-Ausstieg

Als Reaktion auf die Pläne von Bundesumweltministerin Schulze (SPD) zum Glyphosat-Ausstieg hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) an die Zuständigkeit ihres Hauses erinnert. "Ich habe bereits im April diesen Jahres das Eckpunktepapier zu einer Minderungsstrategie von Glyphosat vorgelegt. Die Zielmarke ist im Koalitionsvertrag klar gesetzt: Wir haben vereinbart, mit einer systematischen Minderung den Einsatz von Glyphosat und glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel deutlich einzuschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden“, erklärt Klöckner. Seitdem habe ihr Ministerium intensive Gespräche mit dem BMU angestoßen und geführt. Die Inhalte der neuen Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung in Vorbereitung der Ressortabstimmung würden intensiv mit dem BMU diskutiert. Jetzt sei es wichtig, zügig zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen und den Entwurf endlich in die Ressortabstimmung zu geben. „Dies muss vor allem rechtssicher geschehen. Denn im Ziel sind wir uns mit dem BMU einig: der Minderung des Glyphosateinsatzes. Dabei hilft es auch nicht in der Sache, bereits geregelte Zuständigkeiten wieder einmal in Frage zu stellen. Bereits in den vergangenen fünf Jahren haben wir durch restriktive Vorgaben den Einsatz von Glyphosat um ein Drittel reduziert", proklamiert die Ministerin die Führungsrolle in Sachen Glyphosatreduzierung für ihr Ministerium und kritisiert so das Vorgehen ihrer Amtskollegin im BMU. „Besser als nichts“ nennt das Umweltinstitut München den Plan aus dem BMU und sieht mehrere „Haken“. Zum einen müssten, damit er auch tatsächlich umgesetzt wird, auch Landwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) und Bundeskanzlerin Merkel zustimmen. „Beide sind allerdings eher als Freundinnen des Bauernverbands und der deutschen Chemieindustrie bekannt“, kommentiert das Institut. Zum anderen schiebe der Vorschlag ein endgültiges Verbot weiter auf. Die Wiederzulassung für den Wirkstoff Glyphosat steht im Jahr 2022 auf europäischer Ebene an. „Dazwischen liegen aber sowohl die Europawahl (2019) als auch die Bundestagswahl (2021). Von denen, die jetzt politische Entscheidungen treffen können, sind dann wohl viele nicht mehr im Amt. Außerdem ist keineswegs klar, wie die anderen EU-Mitgliedstaaten in vier Jahren zu Glyphosat stehen. Wenn Deutschland also jetzt den Plan fasst, sich 2022 gegen das Ackergift auszusprechen, ist das bloße Augenwischerei“, so das Institut. Außerdem gäbe es im europäischen Recht – anders als von den Behörden behauptet – schon jetzt durchaus Wege für ein Verbot in Deutschland. Der zuständige EU-Kommissar Andriukaitis, ein Befürworter von Glyphosat, habe in der Debatte um die Wiederzulassung 2016 und 2017 immer wieder betont, dass die Zulassung des Wirkstoffs auf EU-Ebene die Mitgliedstaaten nicht zwingt, tatsächlich Mittel mit dem Wirkstoff zuzulassen. Zusätzlich möchte das UBA laut der gemeinsam mit dem BMU herausgegebenen Pressemitteilung alle LandwirtInnen, die Glyphosat einsetzen, dazu verpflichten, durchschnittlich zehn Prozent ihrer Flächen als Ausgleichsflächen für den Schaden an der Artenvielfalt zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen Hecken, Brachen oder Blühflächen ebenso wie Getreideäcker, auf denen durch eine dünnere Aussaat Platz für Wildkräuter und bodenbrütende Vögel gelassen wird. Nach einem Punktesystem sollen die Flächen so bewertet werden, dass zum Beispiel dauerhaft angelegte Hecken mehr zählen als Flächen für Bodenbrüter wie Lerchen und Kiebitze innerhalb eines Ackers. „Der Vorschlag entfaltet seine Bedeutung erst, wenn er losgelöst von der Diskussion um Glyphosat betrachtet wird. Das UBA möchte diese Biodiversitätsflächen in Zukunft bei allen Pestiziden zur Auflage machen, die nachweislich Schaden an der Artenvielfalt anrichten. Wird das umgesetzt, müssten fast alle konventionellen Betriebe solche Flächen zur Verfügung stellen. Damit könnte eine große Wirkung erzielt werden. Gleichzeitig könnte dadurch auch der Anreiz steigen, direkt auf Bio umzustellen“, erklärt das Institut. Doch die andere Seite der Medaille sei offensichtlich: „Anstatt Schaden zu verhindern, will das UBA den Schaden kompensieren“. Das europäische Recht schreibe eigentlich vor, dass keine Pestizide zugelassen werden dürfen, die „unannehmbare Auswirkungen auf die Umwelt, unter besonderer Berücksichtigung der biologischen Vielfalt“ haben. Die Ausgleichsflächen sollen diese Auswirkungen mindern, ermöglichen damit aber gleichzeitig die weitere (oder sogar neue) Zulassung von solchen Mitteln. Auch sei fraglich, ob die Ausgleichflächen die gewünschten Ziele tatsächlich erreichen können. Frankreich geht nach Ansicht des Instituts hier einen sehr viel einfacheren, direkteren Weg: Ein eigenes Biodiversitätsgesetz nennt unter anderem eine Liste an Pestizidwirkstoffen, die zum Schutz der Artenvielfalt ganz verboten sind. Seit kurzem zählen zu diesen Wirkstoffen auch die neuen Insektengifte Sulfoxaflor und Flupyradifuron. „In Deutschland fehlt offensichtlich der politische Wille, wenigstens besonders problematische Pestizide zu verbieten. Die Pläne sind zwar besser als nichts. Sie sind aber keine Lösung für die Probleme, die Pestizide wie Glyphosat in der Umwelt anrichten“, erklärt abschließend das Umweltinstitut. Der Naturschutzbund (NABU) begrüßt die „Pläne zum Einstieg in den Ausstieg von Glyphosat“ und fordert Ministerin Klöckner auf, den Plänen zuzustimmen. „Da Frau Klöckner keine Gelegenheit verpasst, ihren Willen zum Schutz der biologischen Vielfalt zu betonen, sollte sie diese Chance nutzen. Ansonsten droht ihr ein empfindlicher Glaubwürdigkeitsverlust“, erklärt der NABU. Begrüßt werden die Pläne auch vom Anbauverband Bioland und dabei vor allem die Ankündigung des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamts zu einem strengeren Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel. „Es ist ein bereits lange fälliger Schritt, dass für jedes biodiversitätsschädigende Pflanzenschutzmittel verbindliche Vorgaben zur Anlage von Ausgleichsflächen gemacht werden. Im Schnitt soll der Anteil dieser Flächen bei 10 Prozent liegen. Dies ist der erste Schritt für die Anwendung des Verursacherprinzips und ein großer Schritt zum Erhalt der Biodiversität unserer Kulturlandschaften“, erklärt Gerald Wehde, Leiter Agrarpolitik bei Bioland. Weitere Schritte einer konsequenten Anwendung des Verursacherprinzips müssten folgen. „Denn bisher werden die externe Kosten der chemieintensiven Landwirtschaft an die Allgemeinheit weitergegeben. So schlagen sich die Kosten für Artenverlust, Gewässerkontamination und pestizidbedingte Krankheiten weder in den Lebensmittelpreisen noch in den Pestizidpreisen nieder. Deshalb fordert Bioland zusätzlich die Einführung einer Pestizidabgabe“, so Wehde. Der Bauernverband (DBV) kritisierte laut Medienberichten den „Alleingang“ der Umweltministerin und nannte den Vorschlag „inakzeptabel“. Anforderungen zu Biodiversität müssten zum Beispiel über Agrarumweltprogramme realisiert werden und gehörten nicht in das Pflanzenschutzrecht.
10.11.2018
Von: FebL/PM

Im Mai diesen Jahres übergab die Bewegung Campact 450.000 Unterschriften gegen Glyphosat an Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Foto: Jakob Huber/Campact