EU-Risikobewertung fällt zugunsten geringerer Pestizid-Rückstandsgrenzen aus

Um mögliche Lebensmittelknappheiten infolge des Ukraine-Kriegs zu vermeiden, weichen erste EU-Mitgliedsstaaten die europäischen Pestizid-Rückstandsgrenzen auf und setzen temporär auf weniger strenge Höchstgehalte. Das teilt die Lebensmittelzeitung (LZ) mit Blick auf Veröffentlichungen der EU-Kommission mit.

„Einige EU-Mitgliedstaaten sind in hohem Maße von Futtermittelimporten aus der Ukraine abhängig. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine sind die Lieferketten unterbrochen, und die Beteiligten informierten die Europäische Kommission über mögliche drohende Engpässe, vor allem bei Weizen, Gerste, Mais, Sonnenblumenkernen, Raps und Sojabohnen für Futterzwecke. Infolgedessen kündigten sie an, Maßnahmen zu ergreifen, um alternative Quellen für die Einfuhr dieser Erzeugnisse zu finden“, erklärt die an dem Vorgang beteiligte Europäische Lebensmittelbehörde Efsa in einer Veröffentlichung Anfang Juli.

Bereits zwei Mitgliedsstaaten rütteln demnach angesichts der „kriegsbedingten Lebensmittelknappheit“ an den EU-Höchstgehalten für Pflanzenschutzmittel und haben befristet maximale Rückstandshöchstgehalte implementiert; weitere Mitgliedsländer planen das. So können sie laut LZ Ware aus Drittstaaten – etwa Türkei oder Südamerika – beziehen, wo meist laxe Regeln gelten. Eine LZ-Anfrage, um welche Staaten es sich handelt, ließ die Kommission unbeantwortet.

Die Kommission hatte die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa unter anderem um eine Übersicht zu den betroffenen Pestiziden und Produkten gebeten. Anfang Juli veröffentlichte die Efsa nun ihre Stellungnahme, indes ohne die nötige Risikobewertung. Gemäß EU-Recht obliegt diese Bewertung den nationalen Behörden.

Zwar sollen die nationalen Pestizid-Höchstgehalte notifiziert werden und die Ware mit einem entsprechend höheren Pflanzenschutzmittel-Gehalt im betroffenen Mitgliedsstaat verbleiben und nicht exportiert werden. Kritisiert wird, dass so eine Bewertung durch die Efsa in die Nationalstaaten verschoben wird und dass völlig unklar sei, wie das kontrolliert werden soll.

Nach Ansicht des grünen EU-Abgeordneten Martin Häusling macht sich die EU-Kommission mit dieser Umgangsweise unglaubwürdig. "Auch wenn es sich hier überwiegend um Höchstgehalte für Futtermittel handelt, ist das kein gutes Signal seitens der EU-Kommission.  Mit Farm to Fork ist die EU-Kommission gestartet, um die Lebensmittelkette nachhaltiger zu gestalten und die Pestizidbelastung zu verringern. Wenn sie die Mitgliedstaaten jetzt einfach machen lässt, wenn diese das Rad sogar zurückdrehen wollen, macht sie sich unglaubwürdig", so Häusling.

26.07.2022
Von: FebL

Aufgrund gestörter Lieferketten infolge des Ukraine-Krieges legen erste EU-Mitgliedsstaaten geringere Grenzwerte für Pestizidrückstände bei importierten Produkten fest. Foto: FebL