Eine aktuelle Publikation von Expert:nnen aus Österreich und des deutschen Bundesamtes für Naturschutz gibt erstmals einen umfassenden Überblick über Anwendungen der Neuen Gentechnik (NGT) an Bakterien, Algen und Nutztieren. Dabei zeigt sich, dass die Anzahl der zur Vermarktung vorgesehenen NGT-Organismen wesentlich höher ist, als bisher angenommen. Darauf weist das Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie Testbiotech hin.
Viele NGT-Anwendungen scheinen demnach das Potential für wirtschaftlich interessante Ziele zu haben, gehen aber auch oft mit Risiken für die Umwelt einher. Zudem stehen Fragen des Tierschutzes im Raum. Die Expert:nnen beklagen, dass oft zu wenig Daten vorhanden sind. Angesichts der großen Anzahl von möglichen Zulassungsanträgen warnen sie vor erheblichen Herausforderungen für die Risikoabschätzung.
Die jetzt vorgelegte Studie zeigt laut Testbiotech, dass viele Anwendungen an Nutztieren eine Zunahme der Muskelmasse beziehungsweise eine höhere Ausbeute zum Ziel haben und zum Teil ethisch äußerst zweifelhaft sind. So soll bei Thunfischen der Drang zur Bewegung unterdrückt werden, um ihre Eignung für die Haltung in Aquakulturen zu verbessern.
Bei Algen konzentrieren sich die bisherigen Versuche mit NGT vor allem auf Mikroalgen, um aus ihnen Öle für Treibstoffe zu gewinnen. Um ausreichend große Mengen produzieren zu können, müssten diese in (halb-) offenen Tanks gehalten werden, was ihre Verbreitung in der Umwelt nicht verhindern könnte.
Gentechnisch veränderte Bakterien sollen unter anderem bei Ackerpflanzen eingesetzt werden, um die Aufnahme von Stickstoff zu verbessern. Ungewollte Interaktionen der NGT-Bakterien und Risiken, die sich für die Umwelt ergeben könnten, sind bisher weitgehend unerforscht.
Die jetzt veröffentlichte Übersicht steht auch im Zusammenhang mit der Diskussion über die künftige Regulierung von NGT-Organismen in der EU. Nachdem in den letzten Monaten sehr intensiv über NGT-Pflanzen diskutiert wurde, erwarten viele Beobachter:nnen, dass schon bald neue Gesetzesvorschläge für Tiere und Mikroorganismen folgen werden.
Ein ausführlicher Bericht der Gentechnik-Expertin der AbL, Annemarie Volling, über den Stand der Diskussion um die Neue Gentechnik und das Scheitern der belgischen EU-Ratspräsidentschaft mit ihrem Kompromissvorschlag zum Vorschlag der EU-Kommission findet sich in der aktuellen Ausgabe der Unabhängigen Bauernstimme.