Mit Aktionen in ganz Europa starten Milchbauern eine Offensive für Existenzsicherung

Anlässlich des Internationalen Tags der Milch am 1. Juni haben Europas MilcherzeugerInnen unter dem Motto der „Milchpreis muss dauerhaft nach oben!“ eine Offensive für Existenzsicherung gestartet. Den Auftakt für diverse Aktionen über den ganzen Juni hinweg haben belgische Milchbauern im Schulterschluss mit Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in Brüssel gemacht und dabei in einem Brief an die EU-Kommission einen nachhaltigen und fairen Milchsektor unter anderem auch in Westafrika gefordert, wo seit einigen Jahren europäische Agrarkonzerne auf den Markt drängen. Und auch in Italien haben südtirolische ErzeugerInnen die Notwendigkeit eines wirtschaftlich nachhaltigen Milchpreises unterstrichen, da in der EU die wirtschaftliche Existenz vieler LandwirtInnen auf der Kippe steht und überall die Zahl der Betriebe rasant abnimmt. Mit Verweis auf Daten einer in Kürze erscheinenden Studie erklärt das European Milk Board (EMB), dass bei den Betriebsleitern und Familienarbeitskräften im EU-Milchsektor im Durchschnitt nur ein Einkommen verbleibt, das weit unter dem Mindestlohnniveau liegt. In einigen Ländern komme sogar gar kein Einkommen mehr auf den Höfen an. Diese Lage wird sich nach Ansicht des EMB weiter verschlimmern, da die Kosten der Milchproduktion durch Verteuerungen und Knappheit beim Futter, durch Klimafolgen und erhöhte Auflagen immer weiter davongaloppieren. Der Preis jedoch entwickelt sich nicht nach oben, sondern bleibe durch die problematischen politischen Rahmenbedingungen weiterhin viel zu niedrig. Die protestierenden MilchbäuerInnen eint laut EMB die Erfahrung, dass für die intensive Arbeit bei der Produktion von Lebensmitteln viel zu wenig Geld auf den Höfen ankommt. In ihren Aktionen im Juni adressieren sie daher die dringende Forderung nach bedeutend besseren Preisen für ihr Produkt an Molkereiwirtschaft und Politik. Diese Forderung sei umso gerechtfertigter, als dass bedeutende europäische und globale Milchmarktindikatoren, wie zum Beispiel der Global Dairy Trade Index oder der europäische Butterpreis, in den ersten Monaten 2021 deutlich angezogen haben. Die Milchpreise für die Erzeuger verharrten dagegen weiterhin im Keller. Mehrerlöse fließen demnach in den restlichen Teil der Lebensmittelkette, wie unlängst auch eine Wertschöpfungsstudie zu deutschen Molkereien belegt habe. Dies bedeute für ErzeugerInnen und auf den Betrieben Beschäftigte, dass sie nicht angemessen entlohnt werden und immens unvergütete Mehrarbeit leisten. Junge Menschen ziehe es daher schon lange nicht mehr in die Milchproduktion. Angesichts dieser bereits extrem angespannten Lage fragen sich laut EMB viele ErzeugerInnen außerdem, wo die konkreten Antworten darauf bleiben, wie die Ziele des Green Deals finanziert werden sollen. „LandwirtInnen sind bereit, ihren Beitrag zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit zu leisten, jedoch dürfen die dafür entstehenden gesamtgesellschaftlichen Kosten nicht auf die Höfe abgewälzt werden. Denn diese können sie nicht tragen. Nur wenn die geleistete Arbeit nachhaltig entlohnt wird, kann auch die Produktionsweise nachhaltig sein“, erklärt das EMB. Für einen besseren politischen Rahmen fordern die LandwirtInnen daher, wirksame Instrumente und Maßnahmen in der Gemeinsamen Marktorganisation der GAP zu verankern. Dazu gehören wirksame Kriseninstrumente, wie ein effektiver freiwilliger Lieferverzicht, Krisenprävention und Frühwarnmechanismen sowie eine verbesserte Marktstellung der ErzeugerInnen und der Schutz vor Importen, die europäische Standards untergraben. Für den Green Deal müsse zudem ein Finanzierungsplan her, der aufzeigt, wie die Kosten für die gesamtgesellschaftlichen Anforderungen getragen werden.
„Die Landwirtschaft braucht junge Menschen, die die Produktion von Lebensmitteln weiterführen. Doch diese brauchen eine Perspektive. Und diese Perspektive kann nur mit einem nachhaltigen Milchpreis, der die Kosten deckt und Gewinne ermöglicht, wirklich geschaffen werden“, so das EMB abschließend. Als Präludium zu den Juniaktionen hatte laut EMB der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) bereits am 27. Mai in Bonn beim Bundeskartellamt unter dem Motto „Genau hinschauen“ demonstriert.
05.06.2021
Von: FebL/PM

Guy Francq, Präsident der belgischen Milcherzeuger Interessengemeinschaft MIG, einem EMB-Mitglied, hat Post für die für Landwirtschaft, den ländlichen Raum und die Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Kommissionsmitglieder. Foto: EMB