Mehr Tierschutz beim Transport bis hin zu einem Transportverbot

Im Schulterschluss mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen aus Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Schweden (Vught-Gruppe) hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ein Positionspapier zum Tierschutz beim Transport an die EU-Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides, übermittelt, das unter anderem auch ein Verbot bestimmter Langstreckentransporte lebender Tiere auf dem Straßen- und Seeweg in Drittländer vorsieht. Die Tierschutzorganisation ProVieh sieht sich mit Verweis auf ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages in ihrer Forderung bestätigt, wonach ein nationales Transportverbot auch ausschließlich durch die Bundesregierung möglich ist.

Jeden Tag werden Millionen Tiere durch die EU transportiert. Viele von ihnen müssen stundenlang leiden – zahlreiche Fälle von Tierleid während des Transports sind dokumentiert, teilt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) mit. Die Bundesregierung setze sich dafür ein, die bestehenden Probleme des Tierschutzes beim Transport in Drittländer zu lösen. Dazu gehöre insbesondere die dringend erforderliche Revision und Konkretisierung des EU-Rechtsrahmens.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat laut BMEL Minister Özdemir, im Schulterschluss mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen aus Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Schweden (Vught-Gruppe) ein Positionspapier zum Tierschutz beim Transport an die EU-Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides, übermittelt.

Cem Özdemir: „Tiere sind fühlende Wesen – dass immer noch so viele von ihnen auf langen Transporten leiden, können wir nicht länger hinnehmen. Die Bilder von toten und verletzten Tieren sind unerträglich. Der europäische Weg muss wirksam zu mehr Tierschutz führen – und dafür braucht es bessere gemeinsame Regeln. Es ist keinem Tier geholfen, wenn nationale Verbote umgangen werden, indem Tiere zunächst in einen anderen Mitgliedstaat gebracht werden, um sie von dort aus in Drittländer zu exportieren. Die Europäische Kommission sollte nun zügig handeln.“

Das Positionspapier beinhaltet laut BMEL sowohl Punkte, die nach aktuellem EU-Tierschutztransportrecht nicht vorgesehen sind als auch solche, die zu einer deutlichen Verbesserung des bestehenden EU-Tierschutztransportrechts führen. Zudem weise die Vught-Gruppe die Europäische Kommission damit auf die Dringlichkeit einer Anpassung des EU-Tiertransportrechts hin - einschließlich der konkreten Forderung nach einem Verbot bestimmter Langstreckentransporte. Die Initiative gehe damit deutlich über die durch den Untersuchungsausschuss im Zusammenhang mit dem Schutz von Tieren beim Transport (ANIT-Untersuchungsausschuss) erarbeiteten und durch das Europäische Parlament verabschiedeten Empfehlungen hinaus.

Schlüsselthemen des Positionspapiers sind laut BMEL u.a.:

  • Verbot bestimmter Langstreckentransporte lebender Tiere auf dem Straßen- und Seeweg in Drittländer.
  • Zertifizierung von Versorgungsstellen in Drittstaaten nach einheitlichen Standards.
  • Forderung, dass diese Standards den Anforderungen des EU-Rechts entsprechen müssen.
  • Einführung einer Beförderungshöchstdauer für alle zur Schlachtung bestimmten Tiere.
  • Verpflichtende Vorhaltung von Einrichtungen zur Entladung von Tieren an Flughäfen und Häfen.

Als weitere wesentliche Punkte nennt das BMEL:

  • Einschränkung der Beförderungsdauer für nicht abgesetzte Tiere.
  • Forderung, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) prüft, ob das Mindestalter für den Transport von Kälbern gemäß der Europäischen Tierschutztransportverordnung aus wissenschaftlicher Sicht erhöht werden sollte.
  • Vorschlag, den Lebendexport von Nutztieren in Drittländer in den Fällen zu beschränken, in denen die Rechtsvorschriften des Drittlandes nicht den EU-Tierschutzstandards entsprechen.
  • Wertung der Zeit von Straßentransporten auf einem Schiff als Beförderungs-, nicht als Ruhezeit.
  • Lüftungssysteme sollen durch aktive Kühlung (Klimaanlage) in der Lage sein, die Innentemperaturen bei voller Beladung mit Tieren auf den erforderlichen Bereich abzusenken.
  • Die Festlegung von Temperaturbereichen, die speziell auf die einzelnen Tierarten zugeschnitten sind und die innerhalb des Transportmittels eingehalten werden müssen.
  • Begrenzung des Zeitraums, den Tiere auf einem Fahrzeug vom ersten Verladeort bis zu einer Sammelstelle verbringen dürfen.
  • Empfehlungen zur Fahrzeugdeckenhöhe bei Rinder-, bzw. zur Innenhöhe der Transportbehältnisse bei Geflügeltransporten.
  • Aufnahme neuer Regelungen für den Transport von bestimmten Tierarten in Verbindung mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit, für die es derzeit nur sehr allgemeine oder gar keine Gesetzgebung gibt.

Eine auf Basis dieser Vorschläge vorgenommene Änderung des EU-Tierschutztransportrechts würde unmittelbar in den EU-Mitgliedstaaten gelten.

ProVieh: Nationales Verbot doch möglich

Entgegen den Behauptungen des BMEL der letzten Jahre kann Deutschland Lebendtierexporte verbieten, wenn „Mindeststandards des Tierschutzes in Drittstaaten nicht eingehalten werden”.  Das erklärt die ProVieh mit Blick auf ein am 08.07.2022 veröffentlichtes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Da tierschutzwidrige Haltungsbedingungen und Schlachtmethoden in diversen Import- und Transitländern hinreichend belegt seien, fordert ProVieh daher das unverzügliche Transportverbot in Drittstaaten. 

“Erneut haben wir es schwarz auf weiß: Ein generelles, nationales Transportverbot ist ausschließlich durch die Bundesregierung möglich!”, so Patrick Müller, Hauptstadtreferent bei ProVieh. “Wir fordern Minister Cem Özdemir auf, nun unverzüglich ein Transportverbot in und durch Drittländer mit tierschutzwidrigen Bedingungen zu erlassen. Denn die Lebendtierexporte sind für die Tiere die reinste Tortur.”

Das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes berücksichtigt EU-Grenzländer, die zum jetzigen Zeitpunkt in Kriegshandlungen verwickelt sind: Russland, Belarus und die Ukraine. Das nationale Transportverbot in diese Länder wird insbesondere mit Artikel 10 der EU-Verordnung 2015/479 begründet. Dort heißt es: „Unbeschadet anderer Vorschriften der Union steht diese Verordnung der Einführung oder Anwendung mengenmäßiger Ausfuhrbeschränkungen durch die Mitgliedstaaten nicht entgegen, die aus Gründen […] oder zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren, […] gerechtfertigt sind.“ Das Leben und die Gesundheit der Tiere sind laut ProVieh in diesem Sinne insbesondere aufgrund der unklaren Situation im Kriegsgebiet gefährdet. Demnach können und müssen Lebendtierexporte in und durch betreffende Länder umgehend per Verordnung verboten werden.

Deutschland transportiere darüber hinaus tausende Tiere in Länder außerhalb der EU, in denen die europäischen Tierschutzstandards nicht eingehalten werden. In einigen dieser Länder können nach Ansicht von ProVieh die Schlachtbedingungen und der allgemeine Umgang mit den Tieren nur als tierschutzwidrig bezeichnet werden. Der Bundesrat habe dies zudem bestätigt und dem BMEL den Auftrag erteilt zu prüfen, unter welchen Umständen Lebendtierexporte in Drittstaaten verboten werden können. Der Rückenwind durch das neue Gutachten ermöglicht nach Ansicht von ProVieh ein umfassendes, kurzfristiges Verbot von Lebendtierexporten in und durch Russland, die Ukraine und Belarus wie auch in weitere Hochrisikostaaten.

19.07.2022
Von: FebL/PM

Mehr Tierschutz beim Transport von Tieren bis hin zu einem Transportverbot stehen auf der Agenda von Politik und Tierschutzorganisationen. Foto: Jo-Anne McArthur/WeAnimals