Am 6. Dezember demonstrierte „Keine Patente auf Saatgut!“ in Einbeck (Niedersachsen) anlässlich der Jahreshauptversammlung der Firma KWS (Kleinwanzlebener Saatzucht). Diese hat in den letzten Jahren vermehrt Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen angemeldet. Diese Patente gefährden das gesetzlich garantierte Züchterprivileg für konventionell gezüchtete Pflanzen, das die freie Zucht mit allen auf dem Markt befindlichen Pflanzensorten erlaubt.
Aus Anlass der Jahrestagung veröffentliche „Keine Patente auf Saatgut!“ einen Bericht zu den Patenten der Firma KWS, in dem gezeigt wird, welche Risiken von derartigen Patenten für die Pflanzenzucht ausgehen. Demnach hat die KWS mehr als 100 internationale Patentanträge angemeldet, die Pflanzen und Saatgut betreffen. Viele dieser Anträge erstrecken sich auch auf die konventionelle Zucht von Pflanzen. Die Anzahl solcher Patentanträge hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die KWS beansprucht von ihr entdeckte Gene und Genvarianten, die natürlicherweise vorkommen oder durch Zufallsmutagenese entstehen. Beansprucht wird jegliche Verwendung dieser Genvarianten für die Zucht (Selektion von Pflanzen, Züchtung von Pflanzen mit diesen Genen, neue oder alte Gentechnik) sowie alle Pflanzen, die aus diesen Verfahren hervorgehen und in deren Erbgut die Genvarianten zu finden sind, unabhängig davon, ob diese gentechnisch verändert sind oder nicht. Die beanspruchten Eigenschaften betreffen wichtige züchterische Merkmale wie Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten, Viren und Pilzbefall, gegen Schädlinge wie Nematoden oder Toleranz gegen Klimaextreme.
Beispiel Zuckerrüben:
Ein Beispiel sind Zuckerrüben mit Resistenz gegen die Blattfleckenkrankheit (Cercospora), eine Pilzkrankheit, die Rüben befällt und auch andere Kulturarten wie Spinat betrifft. Die KWS hat zwei internationale Patentanträge eingereicht, in denen Pflanzen mit einer erhöhten Resistenz gegen die Krankheit beansprucht werden (WO2020169178 und WO2022037967). Dabei geht es der KWS offensichtlich nicht um gentechnisch veränderte Pflanzen. So schreibt das Unternehmen zu seinen Rübensorten, die gegen Cercospora resistent gemacht wurden: „Diese neue Toleranz wurde in einer großen Zuchtpopulation festgestellt, die KWS hauptsächlich aus einer breiten Palette von Wildrübenmaterial herleitete.“ Die KWS bietet verschiedene Sorten mit Resistenz gegen Cercospora an, wie z. B. Inspirea KWS (Frankreich und Deutschland), Fiametta KWS (Österreich), Blandina KWS (Österreich und Deutschland), Ottawa KWS und Benvenuta KWS (Italien).
In den KWS-Patentanträgen werden Experimente beschrieben, bei denen mithilfe von CRISPR/Cas (neue Gentechnik) und Transgenese (alte Gentechnik) entsprechende Rüben erzielt wurden. Doch die Patente sind keineswegs auf diese gentechnischen Verfahren beschränkt. In der Patentanmeldung WO2022037967 wird auch beschrieben, wie entsprechende Gene in wilden Rübenarten entdeckt und über Selektion und Kreuzung in kultivierte Rübensorten eingezüchtet werden. Damit werden die technischen und rechtlichen Unterschiede zwischen Gentechnik und konventioneller Zucht gezielt und systematisch verwischt.
Als Erfindung beansprucht werden die Genvarianten, die entsprechende Resistenzen verleihen können. Zudem werden Methoden zur Identifizierung der Pflanzen (u. a. über Markergene, aber auch phänotypisch, also nach Grad des Pilzbefalls) und auch alle Pflanzen beansprucht, die in ihrem Erbgut entsprechende Genvarianten tragen. Letztlich sind die Patentanträge in ihrer Wirkung keineswegs nur auf bestimmte technische Verfahren begrenzt. Derartige Patentansprüche schränken die Möglichkeiten von Züchtern, die vorhandene genetische Vielfalt für die Züchtung neuer Sorten zu nutzen, erheblich ein.
Beispiel Mais:
Im Juni 2022 wurde für die KWS ein Patent (EP3560330) auf Mais mit einer besseren Verdaulichkeit erteilt, unabhängig davon, ob die Pflanzen mit Hilfe von zufällig mutierten Genen gezüchtet oder per Gentechnik generiert werden. Besondere Brisanz hat dieses Patent, weil es nach dem Inkrafttreten der neuen Regel 28 (2) des EPÜ erteilt wurde, mit der Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen eigentlich verboten wurden.
Auch hier beinhaltet die Beschreibung des Patentes verschiedene Beispiele für Anwendungen mit und ohne Gentechnik. So wird der Eindruck erweckt, dass in erster Linie gentechnische Verfahren eingesetzt werden sollen. Im Patent werden u. a. Pflanzen mit nach dem Zufallsprinzip mutierten Genen beansprucht. Zudem umfassen die Ansprüche auch die Nutzung von natürlicherweise vorkommenden Genvarianten zur Auswahl von Pflanzen im Rahmen der konventionellen Züchtung. Die erteilten Ansprüche sind also keineswegs auf gentechnische Verfahren begrenzt. Wie aus der Beschreibung des Patente hervorgeht, wurden die entsprechenden Genvarianten letztlich in bestimmten Maispflanzen entdeckt und einfach per konventioneller Züchtung in die Sorten der KWS eingezüchtet.
Auch wenn bei den in Europa verkauften KWS-Sorten keine Gentechnik zum Einsatz kommt, versucht die KWS das von ihr verkaufte Saatgut durch Patentansprüche abzudecken. Damit wird die freie Pflanzenzucht, die nach dem Sortenschutz garantiert wird, blockiert. Bisher gilt: Konventionelle Pflanzenzüchter können alle auf dem Markt befindlichen Sorten dazu verwenden, um noch bessere Sorten zu züchten und zu vermarkten. Dies ist nach dem sogenannten Züchtervorbehalt im Sortenschutz erlaubt und gewollt. Durch diese Freiheit der Züchter kann eine große Vielfalt an neuen Pflanzensorten entstehen.
Verwendet ein Züchter aber die von Patenten betroffenen KWS-Sorten, braucht er für deren Vermarktung eine Lizenz der KWS oder er muss langwierige und teure Patentrechtsstreitigkeiten befürchten. Das führt dazu, dass der Zugang zur biologischen Vielfalt, den alle Züchter für die weitere Züchtung benötigen, durch diese Patente eingeengt, behindert oder gar blockiert wird.
Es droht ein Lockdown der konventionellen Züchtung, da die rechtlichen Unsicherheiten für traditionelle Zuchtunternehmen kaum zu überblicken sind. Dies hat für viele Züchter eine abschreckende Wirkung, da sie befürchten müssen, dass ihre neuen Sorten vom Geltungsbereich der Patente großer Konzerne erfasst werden.
Die KWS sollte auch aus eigenem Interesse ihre Patente zurückziehen oder diese strikt auf gentechnische Verfahren begrenzen. Anstatt das Patentrecht auf Bereiche auszuweiten, für die es nie gedacht war, sollte sich die KWS auf ihre Verantwortung für die Zukunft der Pflanzenzucht besinnen und sich auch aus ihrer Verantwortung gegenüber Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung heraus für wirksame Verbote im Patentrecht einsetzen. Tatsächlich erweckten Vorstand und Geschäftsführung bei ihren Reden im Rahmen der Aktionärsversammlung den Eindruck, dass sie den von „Keine Patente auf Saatgut!“ und der AbL vorgetragenen Bedenken zustimmen würden. Ob und welche konkreten Entscheidungen daraus resultieren, werden erst die nächsten Monate zeigen.