Klöckner legt Ackerbaustrategie 2035 vor

In der vergangenen Woche hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Erntebericht 2021 und parallel dazu ihre Ackerbaustrategie 2035 vorgestellt. Letztgenannte nennt Ziele und Maßnahmen, bleibt zu konkreten Umsetzungsschritten, Zeitplänen und Förderangeboten jedoch vielfach ohne Angaben. Der Erntebericht unterstreicht den Zusammenhang von Klimaentwicklung und Wetterextremen, die durch Unwetter mit Hagelschlag, Starkregen und Überflutungen bis zur Flutkatastrophe gekennzeichnet waren, auf der einen und als deren Folge die Auswirkung bezüglich der Qualität und Quantität bis zum Totalverlust der Ernte auf der anderen Seite. Vor diesem Hintergrund soll laut Bundeslandwirtschaftsministerium „die Ackerbaustrategie in Zeiten des Klimawandels Optionen und Wege aufzeigen, die ein nachhaltiger, d. h. ökologisch verträglicher, ökonomisch tragfähiger und sozial ausgerichteter Ackerbau nutzen muss, auch im Hinblick auf eine stärkere gesellschaftliche Akzeptanz.“ Eine Abstimmung der Ackerbaustrategie mit dem nicht nur in Sachen Klimaschutz und -anpassung ebenfalls engagierten Umweltministerium hat nicht stattgefunden. Die Ackerbaustrategie nennt sechs Leitlinien und zwölf Handlungsfelder, zu denen jeweils Ziele und Maßnahmen formuliert sind. Die Leitlinien lauten:
- Versorgung mit qualitativ hochwertigen Nahrungs­mitteln, Futtermitteln und biogenen Rohstoffen sicherstellen,
- Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte sichern,
- Umwelt- und Ressourcenschutz stärken,
- Biodiversität in der Agrarlandschaft bewahren,
- Beitrag zum Klimaschutz ausbauen und Ackerbau an den Klimawandel anpassen,
- Gesellschaftliche Akzeptanz des Ackerbaus erhöhen. Die grundlegende Zielrichtung der Handlungsfelder beschreibt das BMEL mit den folgenden zwölf Punkten:
1. Bodenschutz weiter stärken und Bodenfruchtbarkeit erhöhen,
2. Kulturpflanzenvielfalt erhöhen und Fruchtfolgen erweitern,
3. Düngeeffizienz erhöhen und Nährstoffüberschüsse verringern,
4. Integrierten Pflanzenschutz stärken und uner­wünschte Umweltwirkungen reduzieren,
5. Widerstandsfähige und standortangepasste Arten und Sorten entwickeln,
6. Ackerbauliche Potenziale mithilfe der Digitalisie­rung optimal nutzen,
7. Biodiversität in der Agrarlandschaft verstärken,
8. Klimaangepasste Anbaukonzepte entwickeln,
9. Klimaschutz im Ackerbau ausbauen und Synergien nutzen,
10. Bildung und Beratung stärken,
11. Mehr Wertschätzung für Landwirtinnen und Land­wirte erreichen,
12. Umsetzung der Ackerbaustrategie politisch und finanziell begleiten. Vorrang von Landwirtinnen und Landwirten am Bodenmarkt
Zum Themenfeld „Boden“ nennt die Strategie beispielsweise, dass bis 2030 ein standortgerechter Humusgehalt aller Ackerböden anzustreben ist, die landwirtschaftlichen Flächenverluste zu reduzieren sind, bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag und bis 2050 soll das Ziel Netto-Null (Flächenkreislaufwirtschaft) erreicht werden. Ferner soll spekula­tiven Entwicklungen und Tendenzen auf dem Boden­markt mit rechtlich-regulatorischen Instrumenten begegnet werden. „Ziele auf dem Bodenmarkt sind die Förderung einer breiten Streuung des Bodeneigen­tums und der wirksameVorrang von Landwirtinnen und Landwirten beim Flächenerwerb“, heißt es da. Als Maßnahme wird unter anderem die Novellierung des Bodenrechts und keine weitere Verlängerung von § 13b des Baugesetzbuches genannt. Wie konkret die Novellierung aussehen soll und wann sie greift, bleibt offen. Beim Pflanzenschutz wird als Ziel beispielsweise formuliert, bis 2030 die Anwendung von Pflanzen­schutzmitteln, die nicht als „Low-Risk-Produkt“ im Sinne des EU-Pflanzenschutzrechts eingestuft sind, deutlich zu reduzieren. Ziel ist es auch, bis Ende 2023 die Anwendung glyphosathaltiger
Pflanzenschutzmittel zu beenden. Ferner sollen die Möglichkeiten, die die Digitalisierung und andere moderne Techniken eröffnen, konsequent erforscht, weiterentwickelt und genutzt werden. Zielkonflikt bei CRISPR/Cas
Zum Handlungsfeld „Pflanzenzüchtung“ nennt die Ackerbaustrategie folgenden Zielkonflikt: „Die „Neuen molekularbiologischen Techniken (NMT)“ bieten die Chance, schnellere Züchtungserfolge zu erzie­len. Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichts­hofs (EuGH) werden die NMT wie CRISPR/Cas jedoch als Gentechnik eingestuft und restriktiv gemäß EU-Gen­technikrecht behandelt. Dadurch ist in Deutschland und Europa die Anwendung dieser Methoden in der Züch­tungspraxis deutlich erschwert.“ Als Ziel wird unter anderem genannt: „Um den notwendigen Züchtungsfortschritt zu beschleunigen, sind innovative Züchtungs- und Selektionsmethoden weiterzuentwickeln und zu nut­zen. Diese ermöglichen es, die Kulturpflanzen schnell an Veränderungen der Anbaubedingungen und des Schadorganismenspektrums anzupassen.“ Und: „Das BMEL engagiert sich in einem gesellschaftlichen Diskussionsprozess zum regulatorischen Umgang mit NMT – sowohl auf nationaler als auch auf europäi­scher Ebene. Für den Umgang mit NMT benötigen wir gesellschaftlich abgestimmte Forschungs-, Anwen­dungs-und Transparenzregeln, die auch ethische, ökologische und soziale Aspekte sowie die Belange des Ökolandbaus einbeziehen.“ Klimaangepasste Anbaukonzepte entwickeln
Unter dem Stichwort „Klimaangepasste Anbaukonzepte entwickeln“ seien beispielsweise „regionale Optimierungs­konzepte vom Anbau bis zur Verarbeitung erforder­lich“, sollten auf staatlichen Versuchsflächen gezielte und langfristig angelegte Experimente und Exaktversuche durchgeführt werden und sind neu gewonnene Erkennt­nisse verstärkt in die Praxis zu überführen. Ferner sei zu prüfen, inwieweit Bewässerungskapazitäten für den Ackerbau ausgebaut werden können. Als regionsspezifisch anzuwendende Anpassungsoptionen werden genannt:
- Diversifizierung der Fruchtfolge unter Einbezie­hung toleranter und effizienter Kulturpflanzen,
- Integration bodenstrukturverbessernder Kulturen in die Fruchtfolge,
- Gezielte Auswahl von standortangepassten Sorten,
- Misch- oder Streifenanbau,
- Veränderte Bestandsführung (u. a. Anpassung der Düngezeitpunkte),
- Möglichst ganzjährige Bodenbedeckung,
- Anbau von Zwischenfrüchten und mehrjährigen Kulturen,
- Zweikulturanbau unter der Voraussetzung ausreichender Wasserverfügbarkeit,
- Anpassung von Bodenbearbeitungsverfahren (z. B. Mulch- und Direktsaat),
- Bodenschutzgerechte Flurgestaltung zum Schutz vor Erosion,
- Erhalt und Aufbau von Humus, z. B. durch Anpas­sung der Zu- und Abfuhr organischer Substanz,
- Vermeidung der Ausbreitung und Verschleppung neuer Schadorganismen. Klimaschutz im Ackerbau ausbauen und Synergien nutzen
Die im Ackerbau entstehenden umwelt- und klimarele­vanten Emissionen müssen laut Ackerbaustrategie minimiert werden. „Hier­bei spielen auch der Erhalt und die Speicherung von Kohlenstoff in landwirtschaftlichen Böden eine wichtige Rolle. Da Humus einen der größten terrestrischen Spei­cher für organischen Kohlenstoff darstellt, muss der Humusgehalt in organischen und mineralischen Böden erhalten und, wo sinnvoll und möglich, weiter aufgebaut werden“, heißt es da. Als Maßnahmen werden unter anderem genannt, Landwirtinnen und Landwirte bei der Wiedervernäs­sung von Moorböden sowie bei der Einführung von Paludikulturen zu unterstützen und Moorbodenschutz langfristig zu honorieren und landwirtschaftliche Betriebe bei Maßnahmen zur Kohlenstoffspeicherung im Boden zu unterstützen, etwa durch Humusaufbau (s. Handlungsfeld Boden) bzw. durch die Einführung neuer Anbausysteme (z. B. Agroforst) oder durch Modelle zur Honorierung der Kohlenstoffbindung im Boden.