Ackerbaustrategie erntet Kritik bei Opposition und Umweltverbänden

Die von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner im Zusammenhang mit dem Erntebericht 2021 vorgelegte Ackerbaustrategie 2035 hat in ersten Reaktionen deutliche Kritik seitens der Opposition und von Umweltverbänden erfahren. Da ist von „Ideensammlung ohne Verbindlichkeit“, einem „konzeptionsarmen Stückwerk“, „großer Enttäuschung“ und einer „Zusammenfassung der meist ohnehin bereits bekannten Einzelmaßnahmen“ die Rede. Ostendorff: Strategie ist ein Witz
Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, vermisst angesichts der Klimakrise nicht nur schnell wirksame Maßnahmen in der Ackerbaustrategie. „Kein Wirtschaftszweig ist so unmittelbar von der Klimakrise betroffen, wie die Landwirtschaft. Die Krise schlägt direkt auf die Ernten durch. Die Bedingungen, gegen die Landwirte kämpfen, werden immer extremer. Stabile Erträge sind deshalb künftig kaum mehr zu erwarten. Ministerin Klöckners Strategie, um mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft zur erreichen, ist ein Witz. Nach endlosen Ankündigungen kommt ihre Ackerbaustrategie nun völlig substanzlos daher. Es ist eine Ideensammlung ohne Verbindlichkeit und ohne schnell wirksame Maßnahmen“, so Ostendorff, für den Klimaschutz auch Ernährungssicherheit bedeutet. „Deshalb wollen wir, dass unsere Böden gesund sind - mit genügend Humus, um ausreichend Wasser zu speichern und um Kohlenstoff zu binden. Wir wollen nachhaltigere Anbaumethoden fördern. Bäuerinnen und Bauern sollten sich aktiv am Klimaschutz beteiligen können. Wer beispielsweise Moore wiedervernässt und Grünland erhält, sollte mehr Agrarfördergelder erhalten", erklärt der grüne Abgeordnete. Tackmann: Ackerbau braucht endlich wirkliche Strategie
Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE kommentiert: „Ackerbau gehört zu den wesentlichen Grundlagen unseres Ernährungssystems und muss endlich als zentrale strategische Zukunftsfrage ernst genommen werden. Stattdessen bleibt auch die nun vorgelegte Ackerbaustrategie 2035 wie schon ihr Entwurf ein konzeptionsarmes Stückwerk aus einzelnen Maßnahmen ohne verbindliche Zielvorgaben, ohne Zeit- und Fahrplan zur Implementierung. Dass diese Ackerbaustrategie letztendlich im Alleingang des Landwirtschaftsministeriums ohne Einigung mit anderen Ministerien veröffentlicht wurde, zeigt die fehlende Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens, das doch eigentlich hohe Priorität verdient hätte. Ein Abhaken zur Scheinverschönerung der politischen Bilanz am Ende einer Legislatur hilft weder dem Boden, dem Klima noch der Landwirtschaft. Damit verspielt die Bundesregierung auch hier das Vertrauen in die Lösungskompetenz, obwohl politisch tragfähige Strategien zur Sicherung der Ernährungssouveränität dringender sind. Gesunde und vitale landwirtschaftliche Böden gehören zu den Voraussetzungen.“ Tackmann verweist auf eine bereits im November 2020 von ihrer Partei initiierte öffentliche Anhörung im Bundestag mit Sachverständigen über das Diskussionspapier für eine Ackerbaustrategie 2035 des BMEL. „Diese Anhörung hätte die Bundesregierung alarmieren müssen. Viele Sachverständige verwiesen bereits damals sehr eindrücklich darauf, dass Einzelmaßnahmen keine Strategie sind und die Zukunftsfragen zwingend interdisziplinär bearbeitet werden müssen. Dazu gehören nicht nur ökologische, sondern auch soziale und ökonomische Herausforderungen. Und selbstverständlich muss die ganze Lieferkette Verantwortung für ein nachhaltiges Ernährungssystem übernehmen, das am Gemeinwohl und an kooperativen Wirtschaftsstrukturen ausgerichtet werden muss. Denn es muss um Ursachenbeseitigung gehen und nicht nur um Symptomlinderung hier und da. Der neue Bundestag wird diese Aufgabe übernehmen müssen, eine tatsächliche, progressive Strategie für einen nachhaltigen Ackerbau vorzulegen“, so Tackmann. Wenig begeistert zeigen sich auch Umweltverbände von der Ackerbaustrategie 2035. BUND: Klimaschutz und Agrarpolitik endlich zusammendenken
Für den BUND-Vorsitzenden Olaf Bandt ist Ackerbaustrategie eine große Enttäuschung. "Ministerin Klöckner hat zwar auf die inzwischen deutlichen Folgen der Klimakrise reagiert und eine angepasste Ackerbaustrategie vorgelegt. Doch die Änderungen greifen angesichts der dramatischen Lage viel zu kurz. Hinzu kommt: Anstatt sich mit dem Umweltministerium abzustimmen, ist das Papier ein Alleingang. Der Entwurf der Strategie von 2019 ging nie in die Ressortabstimmung. Er lässt zudem weiterhin konkrete Aussagen zur Umsetzung und Finanzierung vermissen. Am Ende einer Legislaturperiode ist das eine große Enttäuschung“, so Bandt. Die Agrarpolitik müsse Bäuerinnen und Bauern helfen, klimafreundlich zu ackern und sich auf die großen Herausforderungen des Klimawandels einzustellen. „So sind die in der Strategie genannten neuen Gentechnikverfahren eine industriefreundliche Scheinlösung, deren Wirkung nicht belegt ist. Ministerin Klöckner bietet mit ihrem Ackerbaupapier nur Pflaster statt Hilfe an“, erklärt der BUND-Vorsitzende. Wie dringlich die Aufgabe ist, zeigen seiner Ansicht nach die jüngsten Starkregenereignisse und die Trockenheit der vergangenen Jahre. „Auch die Zukunftskommission Landwirtschaft weist in ihrem Abschlussbericht auf den enormen Handlungsbedarf hin. Landwirtschaft, Umwelt und Klima müssten endlich zusammengedacht werden", erklärt Bandt. NABU: Ackerbaustrategie des BMEL krönt agrarpolitischen Stillstand der Legislaturperiode
Auch der NABU kritisiert das Papier als viel zu unkonkret und nicht im Einklang mit den zu Anfang der Legislaturperiode versprochenen Maßnahmen für Natur- und Klimaschutz im Ackerbau. Dies kröne eine vernichtende Bilanz der Agrarpolitik der zu Ende gehenden Legislaturperiode. Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des NABU: „Laut Koalitionsvertrag wollte die Bundesregierung bis zur Mitte der Legislaturperiode eine abgestimmte Strategie für eine umwelt- und naturverträgliche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln samt entsprechender Finanzierung vorlegen. Die nun vorgelegte Ackerbaustrategie wird diesem Ziel nicht im Geringsten gerecht. Statt rechtzeitig und gemeinsam mit dem Umweltministerium ambitionierte Maßnahmen vorzuschlagen und umzusetzen, veröffentlicht das BMEL kurz vor der Bundestagswahl im Alleingang eine Zusammenfassung der meist ohnehin bereits bekannten Einzelmaßnahmen. Die Umsetzung der überwiegend sehr unkonkrete Vorschläge wird der nächsten Regierung überlassen. Damit bleibt das Ende dieser Legislaturperiode von einem agrarpolitischen Stillstand geprägt. Vier verlorene Jahre: Ob EU-Agrarpolitik, Insektenschutz, Düngerecht, Moor- und Grünlandschutz – immer wieder bremste das Bundeslandwirtschaftsministerium bei längst überfälligen Reformen. Damit krönt die heute vorgestellte Strategie diese Legislatur der agrarpolitischen Enttäuschungen.” Dass diese "Ackerbaustrategie” vom BMEL im Alleingang ohne Einbeziehung des Umweltministeriums vorgelegt wurde, widerspricht laut NABU nicht nur der Vereinbarung im Koalitionsvertrag, sondern auch dem kooperativen Ansatz der kürzlich abgeschlossenen Zukunftskommission Landwirtschaft. “Dort standen 30 Akteurinnen und Akteure aus Landnutzung und Umweltschutz auf Einladung der Bundeskanzlerin im konstruktiven Austausch. Das Agrarministerium hat die Chance vertan, diesen Geist in konkrete Politik umzusetzen. Der Ackerbau in Deutschland braucht eine ökologische und ökonomische Perspektive und Maßnahmen, die mit allen Beteiligten diskutiert werden.” Diese Punkte der Ackerbaustrategie des BMEL kritisiert der NABU konkret:
Pflanzenschutz: Der Integrierte Pflanzenschutz (IPS) soll gestärkt und unerwünschte Umweltwirkungen reduziert werden. Die Strategie stellt dazu aber kaum konkrete Maßnahmen vor, die über das hinausgehen, was ohnehin seit Jahren im Rahmen des IPS vorgeschrieben ist. So gibt es etwa keine quantitativen Zielvorgaben. Biodiversität: Der Verlust der Artenvielfalt und dessen Ursachen sind zwar richtig benannt und die vorgeschlagenen Ziele, etwa mehrjährige Strukturelemente, mehrgliedrige Fruchtfolgen und kleinere Schlaggrößen, sind sinnvoll. Die abgeleiteten Maßnahmen bleiben jedoch unkonkret und enthalten keine Zielvorgaben. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, zur Mitte der Legislatur eine nationale Ackerbaustrategie zu erstellen. Darin sollte festgelegt werden, wie der Ackerbau in Deutschland zukünftig aussehen soll – etwa bei Fragen der Lebensmittelversorgung, dem Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte sowie der Biodiversität und des Klimaschutzes. Dieser Vereinbarung im Koalitionsvertrag ist das BMEL in dieser Legislaturperiode jedoch nicht nachgekommen. Zwar hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Dezember 2019 einen ersten Entwurf zur Ackerbaustrategie vorgestellt. Dieser enthielt jedoch weder konkrete Ziele noch Umsetzungsschritte oder Aussagen zur Finanzierung. Auch eine vereinbarte Abstimmung mit den anderen Ressorts blieb aus.
30.08.2021
Von: FebL/PM

Für die Opposition und Umweltverbände wirft die Ackerbaustrategie des BMEL viele Fragen auf bis hin zu der Frage, ob es sich dabei überhaupt um eine Strategie handelt.