Zum Klimaschutz fordern Bauern 50 Tage vor der Wahl: ALLE müssen Handeln – jetzt!

Das Bäuerliche Klimabündnis NRW hatte zum Pressegespräch auf den Lammertzhof der Familie Hannen in Kaarst geladen – und neben Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) waren Andre Stinka (stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion), Mona Neubaur (Landesvorsitzende B90/Grüne ) und Stephan Haupt (FDP, Sprecher Verbraucherschutz) erschienen, um den Landwirtinnen und Landwirten Rede und Antwort zu stehen. Die Bäuerinnen und Bauern machten 50 Tage vor der Bundestagswahl ihrem Unmut über die unzureichende Klimaschutzpolitik Luft und fordern von den Politiker:innen, nicht nur vom „wollen“ zu reden, sondern vom „werden“. Beim ersten bäuerlichen Statement machte Bernd Schmitz (AbL NRW) deutlich: „Vor 25 Jahren gab es die ersten deutlichen Hinweise an die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel, dass der Klimawandel kommt. Diese mahnte Handeln an, doch nichts geschah! Die 30 Milliarden € Schaden bei der regionalen Flutkatastrophe hätten längst in Klimaschutz investiert sein können. Wir müssen die bäuerlichen Betriebe in der Fläche erhalten – hilfreich wäre ein Import-CO2-Fussabdruck, der ungleiche Produktionsbedingungen aufzeigen und dem Konsumenten mehr Klarheit verschaffen könnte“. Elmar Hannen, Vertreter des Bundverbands Deutscher Milchviehhalter ergänzte: „Während Corona hat der Lebensmitteleinzelhandel gute Gewinnzuwächse erzielt, doch bei den Bauern kommt davon nichts an. Der Markt richtet es nicht von allein, er braucht Regeln und die Erzeugungskosten der Landwirte müssen gedeckt werden.“ Deutlich wurde auch Ulf Allhof-Cramer, Landwirt und Waldbauer aus Detmold: „Unsere Lebensgrundlagen, unser Wald, werden durch die Klimakrise angegriffen, die Politik hat versagt und schützt die Treiber des Klimawandels. Wir können bald nicht mehr produzieren – daher muss die Politik endlich aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen der letzten dreißig Jahre die richtigen Schlüsse ziehen.“ Bernd Eichert, Sprecher des Ökoausschusses des Westfälisch-Lippisch-Landwirtschaftsverbands wurde am Beispiel des Sauerlands konkret: „Die Betriebe müssen Perspektiven bekommen, z.B. durch die Möglichkeit, abgestorbenen Wald in extensives Grünland umzuwandeln. Und wir müssen regional Lösungen finden, nicht die unterschiedlichen Standorte über einen Kamm scheren“. Den Abschluss der Statements machte Jan Leifert als Geschäftsführer der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau: „Das 1,5Grad Ziel muss gehalten werden, die bisherigen Gesetze zu Klimaschutz und Klimaanpassung greifen zu kurz, wir brauchen konsequentes, mutiges Handeln, um den Betrieben Existenz- und, Planungssicherheit zu geben. Nur so können sie Nahrungsmittel für die Menschen produzieren.“ Nun hatten die Politikerinnen und Politiker das Wort: Einig waren sich alle, dass in den kommenden Jahren konsequenter gehandelt und entschieden werden muss, dass Lebensmittel mehr wertgeschätzt werden und einen fairen Preis haben müssen, und dass von dem Geld mehr bei den Landwirten ankommen muss. Umweltministerin Heinen-Esser machte deutlich, dass der Braunkohleausstieg durchaus forciert werden könne, dass der Umbau zu den Erneuerbaren Energien intensiviert werden muss, dass sie aber gegenüber Freiflächen-PV-Anlagen skeptisch sei und dass es natürlich immer eine schwierige Aushandlung der Maßnahmen zwischen den unterschiedlichen Interessen der Ministerien ist. Aber auch der Hochwasserschutz an den kleinen Flüssen und Bächen müsse nun verbessert werden – und dies werde sicherlich auch zu Konflikten mit Anwohnern oder auch Landwirten führen. Stephan Haupt betonte die technischen Möglichkeiten und Notwendigkeiten, Klimaschutz umzusetzen. Er positionierte sich auf Nachfrage deutlich positiv zu CRISPR/CAS, einer gentechnischen Züchtungsmethode. Er machte deutlich, dass alle Sparten der Landwirtschaft vom Klimawandel betroffen sind, aber überall andere Lösungen gebraucht werden. Verbraucherbildung ist für ihn, ebenso wie für Andre Stinka, ein entscheidender Schlüssel, um die Wertschöpfung auf den Höfen zu erhöhen und Klimaschutz zu erreichen. Darüber hinaus betonte Stinka insbesondere die sozialen Aspekte des Klimawandels und stellte klar, dass aus Sicht der SPD klare Regeln zu Steuerung der landwirtschaftlichen Märkte notwendig sind, und Freiwilligkeit allein nicht ausreichend sei. Mona Neubaur von den Grünen dankte zunächst den Landwirten für ihre Arbeit und für deren unermüdliches Engagement für den Erhalt ihrer Höfe. Sie forderte einen schnelleren Kohleausstieg, mehr Transparenz in der Politik und kritisierte die aktuelle Landesregierung für ihre bremsende Klimaschutzpolitik. Politik müsse für das Gemeinwohl handeln, dazu fühlen sich die Grünen verpflichtet und sie wollen den Klimaschutz mit allen umsetzen, denn allein werden sie es nicht schaffen, so Neubaur. Aus dem Publikum rief Gastgeberin Petra Graule-Hannen dazu auf, dass die Politik die Basisinitiativen stärker berücksichtigen müsse, viel würde schon auf den Höfen getan, ohne dass es genug wertgeschätzt würde. „Von unten gibt es die Veränderungen, wir müssen alle anfangen.“ Peter Schmidt vom Klosterhof Bünghausen betonte zum Abschluss die Bedeutung der Böden als wichtigstes Produktionsmittel. Denn hier wachsen Nahrungsmittel, die Erträge aber sinken in Klimawandelzeiten. Doch der Boden wird weiter versiegelt, die Politik schenkt ihm keine Beachtung - „und damit geht immer ein Stück Lebensgrundlage verloren, wir verlieren beste Böden und riskieren die Nahrungsmittelversorgung unserer Bevölkerung.“ Heiner Hannen, Gastgeber, Bio-Bauer und AbL-Mitglied resümierte: „Eine gelungene Auftaktveranstaltung für dieses bäuerliche Klimabündnis. Bisher kann man aufgrund der Untätigkeit und Inkonsequenz der Politik ja nur gefrustet sein, aber den heutigen Worten müssen nun Taten folgen. Wir als Betrieb wollen und sind Vorbild für ökologisches, nachhaltiges Handeln – nun muss auch die Politik in NRW Vorbild für Klimaschutz werden und beginnen zu handeln!“
09.08.2021
Von: Gregor Kaiser

Diskutierten auf dem Lammertzhof (von li.): Stephan Haupt, Mona Neubaur, Bernd Schmitz, Petra Graule-Hannen und Heiner Hannen, Ministerin Heinen-Esser, Andre Stinka, Jan Leifert, Elmar Hannen und Bernd Eichert. Foto: Gregor Kaiser