„Gebaut wird. Die Frage ist nur, wer etwas davon hat“

Der stetige Ausbau von Windkraft setzt Preise unter Druck und erfordert dringend Konzepte, um Strom zu transportieren und zu speichern.

Es sei eher Bauernwind, nicht so sehr Bürgerwind, rückt Biobauer Hubertus Hartmann die Begrifflichkeiten gerade. Seit acht Jahren betreibt er gemeinsam mit zwölf Berufskollegen drei Windkraftanlagen. Hartmann weiß um die kritischen Punkte zum Thema Windenergie und nimmt da schon mal in Diskussionen direkt Wind aus den Segeln, wenn er vom Landschaftsbild oder von der unstetigen Erzeugung spricht. Und gleichzeitig ist er überzeugt vom Ausbau erneuerbarer Energien und weist auch auf die wirtschaftliche Bedeutung für die ländliche Region hin: „Wir haben hier nicht die besten Böden, die Windkraft ist eine echte Einnahmealternative“ – wenn denn regional, möglichst gemeinschaftlich und mit Beteiligungsmöglichkeit geplant wird. Seine Einschätzung zum aktuellen Stand beim Ausbau von Windenergie ist vor diesem Hintergrund pragmatisch: „Da draußen sind viele Projektierer für Windanlagen unterwegs – es wird gebaut. Und wenn vor Ort Flächen vorgesehen sind, dann ist es besser, das vor Ort in die Hand zu nehmen und als Gemeinschaft aufzuziehen.“ Andernfalls ist der Betreiber sonst ein Investor oder Energieunternehmen, und nur einzelne Landbesitzer profitieren von z. T. schwindelerregend hohen Pachterlösen. Allen anderen vor Ort bleiben nur die kritischen Punkte.

Transparent und partizipatorisch
Hartmann bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Jutta Sträter einen Biohof im nordrhein-westfälischen Kreis Höxter; der Ort Haarbrück liegt auf 360 Meter vergleichsweise hoch. So wurden dort schon vor 20 Jahren Windräder gebaut, zunächst von Privatpersonen. Als vor mehr als zehn Jahren vom Kreis eine weitere Fläche von 40 ha als Windkraftstandort ausgewiesen wurde, taten sich 13 von 15 Bauern und Bäuerinnen, die dort Land besaßen, zusammen, um selbst Betreiber eines Windparks zu werden, der 2016 ans Netz ging. Die Gruppe gründete eine GmbH und Co. KG. Die alltägliche Geschäftsführung liegt bei Hartmann. Zwei Beteiligte, die sich ebenfalls maßgeblich kümmern, stellten einen Beirat, mit dem er sich eng abstimmt. „Die Struktur ist so entstanden, zu Anfang haben wir alles gemeinsam gemacht“, blickt Hartmann zurück, „für die Kreditaufnahme bei Banken sind wir mit 13 Leuten hin – wir sind insgesamt sehr transparent und partizipatorisch.“ Einmal im Jahr trifft sich die Gesellschafterversammlung und legt, je nachdem, wie die Stromvermarktung läuft, die Höhe der Gewinnausschüttung fest. „Wir haben das ganz gut hinbekommen, der Zusammenhalt ist gut“, freut sich Hartmann. „Als Betreibergruppe haben wir alle unterschiedliche Anteile, aber gleichmäßig verteilt zwischen ein bis zehn Prozent. Da sind eben nicht einzelne dabei, die große Anteile halten.“ Außerdem ist die Gruppe der Verpächter der Windparkfläche nahezu die gleiche. Und bei den Pachterlösen, die als großer Kostenpunkt für die Betreibergesellschaft entstehen, haben die Landwirte ebenfalls Wert darauf gelegt, dass nicht einzelne abkassieren. „Wir beziehen den Pachterlös zum Großteil auf die gesamte Fläche des Windparks und unseren jeweiligen Anteil daran – und nicht auf die Anlagenstandorte“, erklärt Hartmann.

Erfolgsfaktor örtliche Einbindung
Neben dem Zusammenhalt der Gruppe und den Vorerfahrungen einiger Mitglieder durch eigene kleinere Anlagen erwies sich die örtliche Einbindung als wichtigster Faktor: So stand die Stadt Beverungen den Plänen von Anfang an wohlgesonnen gegenüber, „weil da bekannte Leute Anträge stellten“. Und die Akzeptanz unter den Anwohnern ist relativ groß, „denn diese 13 Leute haben ja Nachbarn und Verwandte hier“, erklärt Hartmann, weist aber gleichzeitig auf berechtigte Kritik hin: „Die Bauernwindgesellschaft wird uns auch vorgehalten: Ihr wolltet doch das Dorf beteiligen und jetzt profitiert doch nur ihr.“ Bei ihren aktuellen neuen Plänen will die Betreibergruppe deshalb genau an dieser Stelle ansetzen: Seit zwei Jahren sollen im Ort neue Windkraftflächen für insgesamt sechs Anlagen ausgewiesen werden. „Drei davon wollen wir wieder selbst machen – aber diesmal mit der Gemeinde und mit einer Genossenschaft“, gibt Hartmann einen Ausblick. Denn wirtschaftlich haben die Bauern und Bäuerinnen beim ersten gemeinsamen Windpark gute Erfahrungen gemacht: Die bäuerlichen Betreiber haben 2016 noch einen Garantiepreis von 8,79 Cent für ihren erzeugten Strom bekommen. „Da lässt sich mit rechnen, ob am Ende was übrig bleibt oder nicht“, weiß Hartmann: „Das ist heute mit den Ausschreibungen und den zunehmenden Phasen mit negativen Strompreisen anders. Da ist bei der Planung nicht klar, wie hoch die Stromvergütung ist.“ Das unternehmerische Risiko sei da, aber eben auch die Möglichkeit, vor Ort beteiligt zu sein.

Ströme lenken, Energie speichern
Als große Unsicherheit bezeichnet Hartmann die negativen Strompreise, die immer dann auftreten, wenn mehr Strom erzeugt wird, als Abnehmer da sind: bei geringerem Energiebedarf sowie bei starkem Wind und Sonnenschein, wenn Windkraft und Solaranlagen reichlich Energie liefern. „Bisher kam das an Weihnachten, Sonn- und Feiertagen vor und im April, bei starkem Wind und Sonne“, so Hartmann. „Mittlerweile kommt das schon häufiger vor. Und durch den stetigen Zubau wird die Problematik größer.“ Für ihn steht die größte Herausforderung fest: „Transport und Speicherung muss dringend geklärt und vorangebracht werden. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Ich sage immer: Hoffentlich hat da jemand einen Plan. Denn insgesamt reicht die Stromversorgung aus erneuerbarer Energie noch nicht aus. Und gebaut wird ununterbrochen, aber wenn wir dann ständig negative Strompreise haben, kann das nicht funktionieren.“

20.11.2024
Von: cet

Jutta Sträter und Hubertus Hartmann bei ihren Rindern - das Hügelland ist auch Windkraftstandort Foto: Hartmann