Das Land Hessen hat eine überarbeitete Förderrichtlinie zum Weidetierschutz in Kraft gesetzt. „Förderung des Weidetierschutzes verbessert“ heißt es dazu seitens des zuständigen Landwirtschaftsministeriums. Von der notwendigen Verbesserung des Weidetierschutzes und der notwendigen Unterstützung der Weidetierhalter ist das Ministerium nach Ansicht von Oliver Diehl, Mitglied einer Naturland-Hofgemeinschaft mit 450 Mutterschafen und Geschäftsführer der AbL Hessen, damit aber noch weit entfernt. Und insbesondere die Art und Weise der Einbindung der Praxis in die Erarbeitung der Förderrichtlinie wie auch anderer Maßnahmen verärgert ihn, der in diesem Zusammenhang von einer „Partizipationssimulation“ spricht.
Die Förderrichtlinie zum Weidetierschutz wurde laut einer Mitteilung des Ministeriums aufgrund von Rückmeldungen aus der Praxis erstmals überarbeitet und verbessert: „Die Weidetierhalterinnen und -halter leisten wertvolle Arbeit für den Naturschutz. Denn Weidetiere erhalten Wiesen, auf denen zahlreiche Arten Lebensraum finden. Zugleich ist auch die Rückkehr des Wolfes nach Hessen eine gute Nachricht für den Naturschutz. Um Konflikte zwischen Weidetierhaltung und Wolf zu vermeiden, unterstützen wir die Halterinnen und Halter beim Herdenschutz, insbesondere in der Schafhaltung, und verbessern diese Unterstützung stetig“, erklärte Landwirtschafts- und Umweltministerin Priska Hinz.
Bereits seit 2018, lange vor der Ansiedlung von Wölfen in Hessen, unterstütze das Land Hessen die Weidetierhaltung. Dies sei zunächst durch die Förderung eines flächendeckenden Grundschutzes geschehen, 2021 seien umfangreiche Hilfen für die Anschaffung und Unterhaltung von erhöhten Zäunen und von Herdenschutzhunden hinzugekommen.
Der erweiterte Herdenschutz bedeutet laut Ministerium für die Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter einen hohen zusätzlichen Aufwand zu ihrer ohnehin harten Arbeit. Im Mittelpunkt der Überarbeitung der Richtlinie stehe daher die vereinfachte Förderung dieser Arbeitsleistung. Aufwändige Nachweise werden durch eine pauschale Förderung ersetzt. Die Pauschalen betragen bei mobilen Zäunen 760 Euro je Kilometer Zaunlänge (mit Einzelnachweis bis zu 1.230 Euro je Kilometer), 235 Euro je Kilometer bei feststehenden Elektrozäunen und 1.920 Euro je Herdenschutzhund. Außerdem wurde die Unterstützung bei der Haltung von Herdenschutzhunden, die bei Schaf- und Ziegenhaltungen mit mindestens 200 Tieren gefördert werden können, ausgeweitet und handhabbarer gestaltet. So besteht aufgrund der längeren Anlaufzeit zur Integration der Herdenschutzhunde in die Betriebe und die Nutztierherden nunmehr die Fördermöglichkeit auch außerhalb der Präventionsgebiete.
Neu ist zudem, dass auch Halterinnen und Halter von Rindern, Pferden oder Hauseseln eine Förderung erhalten, wenn ein amtlich bestätigter Wolfsübergriff auf die entsprechende Tierart in einem Wolfspräventionsgebiet vorgekommen ist. Möglich ist die Förderung für Halterinnen und Halter von Tieren bis zu einem Lebensalter von einem Jahr oder kleinwüchsige Rassen.
„Wir sehen die großen Anstrengungen und Sorgen, die die Weidetierhalterinnen und Weidetierhaltern mit der Rückkehr des Wolfes verbinden. Deshalb suchen wir auch weiterhin den Dialog mit den Tierhalterinnen und Tierhaltern. Sofern neue Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis vorliegen, greifen wir diese auf und sind bereit, die Förderrichtlinien danach auszurichten.“ Über die jetzige Anpassung hinaus bleibt es, so fdas Ministerium, bei den umfangreichen Angeboten für die Förderung des Weidetierschutzes: Investitionen beispielsweise in Zäune, Zaunelemente, Materialien und Herdenschutzhunde werden in Höhe von 80 Prozent und maximal 30.000 Euro pro Jahr unterstützt.
Weidetierhalter bleiben auf den "wirklichen" Kosten sitzen
Mit deutlichen Worten kommentiert Oliver Diehl die neue Weidetierschutz-Förderrichtlinie und kritisiert dabei insbesondere den zeitlichen Ablauf und die Einbindung oder besser Nicht-Einbindung der Praxis in die Entscheidung über die neue Richtlinie. Denn eine Einbindung sei über die AG Wolf, in der die AbL gemeinsam mit anderen Verbänden mitarbeite und die von dem beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie angesiedelten Wolfszentrum Hessen geleitet werde, gut möglich.
„Am 3.11.2022 trat die neue Weidetierschutz-Richtlinie in Kraft. Am 5.12.2022 findet das diesjährige Treffen der AG Wolf statt. Die AG Wolf ist die Möglichkeit mit allen Beteiligten ein Einvernehmen über Prävention, Schadensersatz und andere Fragen rund um den Wolf zu erzielen. Leider entpuppt sich dieses Gremium endgültig als Partizipationssimulation, da die Weidetierschutz-Richtlinie vorher in Kraft tritt“, so Diehl, der darin das gleiche Vorgehen wie beim Wolfsmanagementplan sieht. „Viele Stellungnahmen einsammeln und dann vollendete Tatsachen schaffen. Die hessische Landesregierung hat sich schon früh dem Thema Wolf gewidmet, aber den Vorsprung leider nicht genutzt. Ursprünglich war geplant, keine unterschiedlichen Wolfsgebiete auszuweisen. Wir haben heute eine hessenweite Prämie "Sichere Schaf und Ziegenbeweidung" die mit 40€/ha ausgezahlt wird. Alle anderen Maßnahmen zur Prävention bilden einen Flickenteppich mit vielen Ausnahmen.
Eine Millionen Euro wurden dafür in 2022 zur Verfügung gestellt. Davon sind keine 10% abgerufen worden. Das Ministerium wertet die Zurückhaltung der Schaf- und ZiegenhalterInnen als Beleg dafür, dass es keine Probleme mit dem Wolf gibt und die Präventionsmaßnahmen für die Betriebe finanziell leicht zu stemmen sind. Wir sehen einen Bürokratiesumpf in dem jetzt min. 900.000€ versinken. Dieses Geld hätte das Land Hessen auch auf die Weidetierprämie oder für die Hektarprämie "sichere Beweidung" verteilen können, denn es war schon für die Schaf- und Ziegenhaltung freigegeben worden.
Uns ging es zu keiner Zeit um die erneute Ausrottung des Wolfs, aber ein wirklicher Schutz der Weidetierhaltung kommt am Abschuss übergriffiger Tiere nicht vorbei. Davor drücken sich die Verantwortlichen in der Politik und leider auch die Naturschutzverbände.“
Auf den "wirklichen" Kosten werden nach Ansicht von Diehl alle WeidetierhalterInnen sitzen bleiben. „Von der Mehrarbeit über den Tierverlust bis zur Betriebsaufgabe sind Menschen betroffen, die heute schon ökonomisch und arbeitswirtschaftlich am Limit sind. Mit der oben genannten Partizipationssimulation werden wir uns sicher nicht bei der Stange halten lassen“, so der Weidetierhalter und AbL-Geschäftsführer abschließend.