Fünf Sekunden dauert die betäubungslose Ferkelkastration bei erfahrenen FerkelerzeugerInnen. Ältere Schweine reagieren wesentlich deutlicher auf Schmerz als Ferkel. Bleiben Reaktionen nach der Kastration bei jungen Ferkeln aus, könnte man meinen, sie haben den Eingriff bald schon wieder vergessen. Bedeutet das Ausbleiben von starken Schmerzreaktionen auch, dass keine Schmerzen vorhanden sind? Nein, denn der Schmerz ist der gleiche. Gemäß Tierschutzgesetz darf ein schmerzhafter Eingriff bei Wirbeltieren nicht ohne Betäubung erfolgen. Dass ein Verbot kommen würde und jetzt praktisch in drei Monaten vor der Tür steht, war allen bekannt – den ErzeugerInnen, den landwirtschaftlichen Verbänden, der Tierärzteschaft und der Politik.
Bisher hat sich die Tierärzteschaft in dieser Diskussion erstaunlich zurückgehalten. Dabei müssten gerade TierärztInnen aufgrund ihres Fachwissens deutlicher Stellung beziehen. Erst allmählich fordern sie, dass eine Betäubung in tierärztlicher Hand bleiben muss, und viele sprechen sich gegen den „vierten Weg“, also die Lokalanästhesie, aus. In einigen Ländern Skandinaviens darf die Lokalanästhesie durch die LandwirtInnen durchgeführt werden. Dabei zeigen Studien, dass die lokale Betäubung zusätzliche Schmerzen verursacht, insgesamt vier Spritzen werden in Hoden und anliegende Nervenbahnen gesetzt. Außerdem wird der Kastrationsschmerz dabei nicht zuverlässig ausgeschaltet.
Bei der Ebermast ist dagegen kein Eingriff am Ferkel notwendig. Jedoch sind die Ansprüche bei der Haltung der nicht kastrierten Eber hoch. Verhaltensweisen wie Aufreiten, Rangkämpfe und Schwanz- oder Penisbeißen sind schwer zu managen. England oder Spanien schlachten schon Tiere mit 70 kg, also früher als bei uns, und setzen deshalb vermehrt auf die Ebermast.
Bei der Immunokastration, als weiterer Alternative, werden den männlichen Ferkeln Antikörper geimpft, die die Produktion von Geschlechtshormonen hemmen. Diese Alternative der betäubungslosen Kastration ist bei VerbraucherInnen wenig akzeptiert, anders als in Australien oder auch Brasilien. Dort werden etwa die Hälfte der Eber auf diese Weise, also „chemisch“, kastriert. Diese schmerzfreie Variante sollte intensiv untersucht werden, denn sie ist durchaus eine ernstzunehmende Alternative.
In der Schweiz, genauso wie bei Neuland, hat sich die Isoflurannarkose, also Inhalationsnarkose mittels einer Maske, weitgehend durchgesetzt. Der Eingriff dauert nur wenige Minuten, die Ferkel erleiden durch die volle Bewusstlosigkeit keinen Schmerz und weisen kurz nach dem Eingriff schnell wieder ihre normalen Verhaltensweisen auf. Klar ist: Betäubung und Operation können immer zu Komplikationen führen; man hantiert mit sensiblen Medikamenten, für die Tierärzte ausgebildet werden. Klar ist auch: Es gibt Alternativen zum Kastrationsschmerz, der nicht tolerierbar ist, jetzt nicht und auch nicht nach 2019.
Noch sind die zusätzlichen Kosten nicht genau zu beziffern. Und das macht den Sauenhaltern große Sorgen. Denn der Markt ist jetzt schon schwierig und das Ausland kann oft günstiger produzieren. Interessensverbände warnen vor einem Strukturbruch. Allerdings muss sich die Branche auf eine Anhebung der Standards einstellen. Aussitzen ist dabei die schlechteste Alternative. Denn weder soll die Erzeugung ins Ausland verlagert werden, noch sollen Betriebe hier keine Zukunftsaussichten haben. Darum müssen höhere Standards in der Tierhaltung belohnt werden, durch eine Kennzeichnung und durch finanzielle Hilfen. Dafür braucht es die Zusammenarbeit von allen Akteuren in der Schweinebranche. Als größter Schweineproduzent der EU müssen wir ein Vorbild für fortschrittliche, gesellschaftlich akzeptierte Haltung werden!
Fünf Jahre lang ist nichts passiert. Jetzt ist das Notwendige kaum bis zum 1. Januar 2019 zu schaffen. Mit oder ohne Fristverlängerung muss zügig gehandelt werden. Die Wissenschaft muss praktische Ergebnisse vorweisen und BäuerInnen müssen in ihrem Bemühen, auf Alternativen umzustellen, größtmögliche Hilfe bekommen. Tierschutz muss machbar sein und sich lohnen!