Einfach nichts passiert

Schon seit mehreren Jahren ist das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration zum Ende dieses Jahres bekannt. Unverständlich ist daher das hektische Agieren vieler Lobbyisten und Politiker drei Monate vor dem angekündigten Ende. Natürlich ist der Schweinemarkt kompliziert. Das System hat immer weiter spezialisierte Betriebe hervorgebracht: Sauenhalter, Ferkelmäster, Mäster. Dabei ist schon der Bereich der Ferkelproduktion manchmal auf mehrere Betriebe verteilt. Warte-, Beleg- und Abferkelstall liegen dann auf verschiedenen Betrieben, die eng kooperieren. Aber vor allem ist die Schweinehaltung nicht national begrenzt. Auch in den Niederlanden und in Dänemark werden Ferkel produziert und den deutschen Mästern angeboten. Entscheidend für die Preise und damit für das Überleben – in diesem Falle der einheimischen Ferkelerzeuger – sind die Kosten, die aufgrund staatlicher Vorgaben entstehen und in den Ferkelpreis mit eingerechnet werden müssen. Das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration wird kommen. Entweder zum Jahresende oder mit einer Verlängerungsfrist von einigen Monaten bis mehreren Jahren. Für Betriebe, die ihre wirtschaftliche Zukunft planen müssen, ist ein rechtssicherer Rahmen unabdingbare Voraussetzung. Dass es bis heute keine klaren Aussagen zu dem von der Politik gewünschten, von den Tierärzten befürworteten und von der Gesellschaft akzeptierten zukünftigen Umgang mit der Ferkelkastration gibt, ist ein Zustand, der viele Betriebe, vor allem die kleineren, ihrer Zukunftsperspektive beraubt. Neben den sich ankündigenden neuen Anforderungen für Kastenstände und noch nicht näher konkretisierten Tierwohlanforderungen inklusive Ringelschwanz ist es aktuell das Verbot der betäubungslosen Kastration, das direkt zu höheren Kosten führt, die innerhalb des landwirtschaftlichen Bereichs derzeit nicht erwirtschaftet werden. Theoretisch sind die Kosten bezogen auf das Endprodukt gering. Zwischen vier und acht Euro, so die ersten Schätzungen, betragen sie. Je nachdem, ob mittels Hormonen der Ebergeruch unterdrückt oder mit einer Betäubung mittels Gas oder einer Lokalanästhesie die Hoden operativ entfernt werden. Allein die Ebermast dürfte aufgrund der fehlenden Eingriffe günstiger sein. Offene Grenzen, gemeinsame Handelsräume mit unterschiedlichen Produktionsbedingungen sorgen dann aber schnell zu Wettbewerbsverzerrungen und damit zu einer Verdrängung der wirtschaftlich Benachteiligten. Konkret wird befürchtet, dass kastrierte Ferkel bei höheren Anforderungen in Deutschland zukünftig verstärkt aus Dänemark oder den Niederlanden kommen könnten. In Dänemark werden allerdings schon jetzt die männlichen Ferkel unter lokaler Betäubung durch den Landwirt ohne Beisein der Tierarztes kastriert. Diese Variante, als vierter Weg bezeichnet, wird auch für Deutschland diskutiert. Aus tierärztlicher Sicht jedoch wird die selbstständige Durchführung durch den Tierhalter ausgeschlossen. Trotzdem gibt es erste Vorstöße, zum Beispiel von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, mit konzeptionellen Entwürfen möglicher Schulungseinheiten den politischen Boden zu bereiten, um die Tierhalter zu befähigen und die Anwesenheit eines Tierarztes zu erübrigen. Neben den Problemen, die während der Behandlung auftreten und auf die nur ein Tierarzt aufgrund seiner Ausbildung adäquat im Sinne des Tierschutzes reagieren kann, bleibt aber offen, wie sichergestellt werden kann, dass die zeitaufwendige Methode, bei der dem Ferkel bis zu vier Spritzen gegeben werden müssen, in der Praxis überhaupt angewendet wird. Nach Einschätzungen von Schweinehaltern und Händlern ist aktuell jedenfalls nicht sichergestellt, dass bei den dänischen Ferkeln, die offiziell unter Lokalanästhesie kastriert wurden, die Mittel auch wirklich angewendet und der Eingriff nicht einfach weiterhin betäubungslos vorgenommen wurde. Kennzeichnung Neben klaren und verlässlichen Vorgaben für die Schweinehalter müssen diese natürlich auch sicher sein können, einen angemessenen Preis für ihre Produkte zu erzielen. Bezogen auf den einheimischen Markt könnte hierfür eine staatliche Kennzeichnung wie das von Bundesministerin Klöckner seit langem angekündigte Tierwohllabel eine wertvolle Hilfe sein, den qualitativen Mehrwert durch eine verbesserte Haltung dem Verbraucher näher zu bringen. Wenn Schweinefleisch aus Deutschland aber weiterhin auch auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sein soll, was bei einer Eigenversorgung von 120 Prozent gewollt scheint, dann werden zusätzliche Kostenfaktoren – und auf die würde man das Tierwohl reduzieren – hinderlich und unerwünscht. Vielleicht ist das der Grund, weshalb niemand von den führenden Politikern und Lobbyisten des Bauernverbands vorangeht und mehr Tierwohl umsetzt. Die Konsequenz ist der jetzt von vielen bisher passiven Akteuren als Argument für eine Verschiebung des Verbots angeführte drohende Strukturwandel mit einem Verlust vor allem kleinerer Betriebe.
30.09.2018
Von: mn

Isofluranbetäubung und Schmerzausschaltung zur Ferkelkastration Foto. Neuland