Bio stehet bei der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, ganz oben auf der Agenda. Das zumindest vermittelt sie bei der Vorstellung der aktuellen Strukturdaten zum ökologischen Landbau in Deutschland 2020 sowie bei der Feier zum 20-jährigen Jubiläum des Bio-Siegels. Für Bioland feiert sie Erfolge, zu denen sie „nicht beigetragen hat“ und für die Grünen schmückt sich die Ministerin „mit fremden Lorbeeren“, der Bio-Boom erfolge „nicht wegen, sondern trotz Klöckner“. Und auch der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sieht die Regierung auf der „Bio-Bremse“.
Laut den neuesten Strukturdaten stieg allein in 2020 der Umfang der ökologisch bewirtschafteten Fläche um 5,5 Prozent (= rund 88.000 Hektar) und beträgt damit insgesamt 1,7 Millionen Hektar, was einem Anteil von 10,3 Prozent an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche entspricht. Damit ist der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche innerhalb von nur fünf Jahren um fast 60 Prozent gestiegen (2015: 6,5 Prozent). Die Anzahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe hat gegenüber 2019 um rund 3,6 Prozent zugenommen und beträgt nun etwa 35.400 Betriebe. Das sind 13,5 Prozent aller landwirtschaftlicher Betriebe.
Bei der Vorstellung der Daten erklärte die Ministerin den Anstieg so: „Weil es sich für die Betriebe rechnet und wir gezielt fördern und forschen“. Ferner erklärte sie: „Wir setzen dafür den politischen Rahmen, senken Hürden und unterstützen mit einer breiten Palette an Maßnahmen.“
Bioland: Von wegen Förderin des ÖkolandbausNach Ansicht des Anbauverbands Bioland hat die Ministerin selbst herzlich wenig zum Bio-Erfolg beigetragen, sondern sich eher als Verhinderin des Bio-Umbaus gezeigt. „Einigermaßen absurd und anmaßend also, dass sie sich jetzt für eine Entwicklung feiern lässt, die mit Renate Künast eine Vorgängerin initiiert hat und die nicht wegen, sondern trotz der Politik Klöckners stattgefunden hat“, heißt es bei Bioland.
In den vergangenen 15 Jahren unionsgeführter Agrarpolitik seit dem Abtritt von Renate Künast werde der Umbau der Landwirtschaft nicht vorangetrieben, sondern blockiert. „Man wollte es schließlich den mächtigen Playern um Bauernverband und Agrarindustrie so bequem wie möglich machen. Verbindliche nationale und europäische Umweltziele wurden in dieser Zeit ignoriert, genauso wie zahlreiche, mahnende Gutachten des eigenen wissenschaftlichen Beirats“, so Bioland.
Impulse, die das Wachstum der Biofläche in den letzten fünf Jahren auf nunmehr 10 Prozent möglich gemacht haben, kamen nach Ansicht von Bioland nicht von der Bundes-Agrarpolitik sondern von Verbraucher*innen, von Hersteller*innen und Händler*innen, von Verbänden und auch aus einigen Bundesländern.
Laut Bioland hat die Ministerin Bio in folgenden Punkten ausgebremst:
1. Tierwohllabel: Seit kurzem ist klar: In dieser Legislaturperiode kommt das Label nicht mehr, Julia Klöckner trägt für dieses Scheitern die Verantwortung. Freiwilligkeit, schwache Kriterien und Ausgrenzung der Öko-Betriebe hatten den Entwurf ohnehin zu einer Farce gemacht, die Verbraucher*innen getäuscht und keinen Beitrag für mehr Tierwohl geleistet hätte.
2. Ökolandbaugesetz: Für das Ökolandbaugesetz hatte Klöckner einen unausgegorenen Vorschlag vorgelegt, der unter anderem mit mehr Bürokratieaufwand Bio ausgebremst hätte. Die Regierungsfraktionen haben anschließend glücklicherweise einen deutlich verbesserten Entwurf vorgelegt, der das bewährte, zweistufige Bio-Kontrollsystem stärkt und einen wichtigen Impuls für mehr Bio in der Außer-Haus-Verpflegung setzt.
3. Nationale Umsetzung der EU-Agrarpolitik (GAP): In der Diskussion um die nationale Umsetzung der GAP legte Julia Klöckner Anfang März einen Entwurf vor, der bei weitem nicht der versprochene „Systemwechsel“ war. So droht der Ökolandbau der große Verlierer zu werden, denn Öko-Betriebe werden einen Großteil der Eco-Schemes und die damit verbundenen Förderungen nicht nutzen können, obwohl sie in besonderer Weise zu Umwelt-, Klimaschutz und Tierwohl beitragen.
4. Düngeverordnung: Die Agrarministerin hätte bei der Düngeverordnung die große Chance gehabt, den per se umweltfreundlich wirtschaftenden Ökolandbau zu stärken, indem sie ihn von bestimmten Bindungen an die Verordnung befreit. Leider hat sie diese Chance nicht genutzt.
5. Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau (ZÖL): 20 Prozent Ökolandbau bis 2030 lautet das Ziel der Bundesregierung, verankert in der Nachhaltigkeitsstrategie. Die ZÖL sollte mit konkreten Wachstumsimpulsen dazu ihren Beitrag leisten. Allerdings: Bei vielen längst geplanten Maßnahmen der ZÖL steht die Bundesregierung auf der Bremse, stellt zu wenig Mittel bereit und verzögert wichtige Entwicklungen.
BÖLW: Bundesregierung muss Bio-Bremse lösenDie aktuell veröffentlichten offiziellen Strukturdaten bestätigen nach Ansicht des BÖLW, dass 2020 viele Bauern, Verarbeiter und Händler überall in Deutschland die Bio-Chance ergriffen haben und so Landwirtschaft und Ernährung umbauen.
„Bio kam 2020 weiter voran und damit mehr Umwelt- und Tierschutz in die Land- und Lebensmittelwirtschaft. Es ist aber kritisch, dass die Bio-Umstellung der Höfe weit hinter der Marktentwicklung zurückbleibt. Wenn zu wenig Höfe auf Bio setzen, wird Nachhaltigkeits-Potential verschenkt. Denn es kommt weniger Artenvielfalt-, Gewässer- und Klima-Schutz in die Landwirtschaft. Auch der Umbau der Tierhaltung bleibt stecken“, erklärt BÖLW-Geschäftsführer Peter Röhrig. Die Bundesregierung verfehle mit der gebremsten Umstellung jedoch ihre eigenen und Europas Öko-Ziele, die für Nachhaltigkeit des Ernährungssektors sorgen sollen. „Deutlich ist, dass die Zukunftsstrategie Ökolandbau, mit der die Bundesregierung Bio voranbringen wollte, nicht ausreichend umgesetzt wird. Die Ausgaben für die Bio-Forschung liegen trotz Wissensstau unter 2 % der gesamten Agrar-Forschungsmittel. Besondere kritisch sind für die Bio-Bauern und ihre Kollegen, die umstellen wollen, die Pläne für die nationale Umsetzung der EU-Agrarpolitik. Denn was die Bundesregierung mit der GAP vorhat, droht den Umbau der Landwirtschaft vollends zu blockieren. Öko-Bäuerinnen und -Bauern sollen nicht wie alle anderen Betriebe an allen EcoSchemes teilnehmen dürfen – und damit für zusätzliche Umweltleistungen honoriert werden. Die Unterstützung, die den Bauern durch gekürzte Mittel aus der ersten Säule fehlt, könnten die Bio-Bauern dann nicht ausgleichen. Wir appellieren an Agrarministerin Klöckner und Umweltministerin Schulze, diese Bio-Bremse zu lösen! Alle Bäuerinnen und Bauern sollten an den EcoSchemes teilnehmen dürfen und die Gelegenheit haben, mit zusätzlichen, honorierten Umweltleistungen Landwirtschaft nachhaltiger zu machen“, so der BÖLW-Geschäftsführer. Bio-Betriebe mitzunehmen und den Kollegen die Chance zu Umstellung zu geben, sei besonders wichtig. Denn die Wissenschaft zeige, dass das mit dem System Öko-Landwirtschaft Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele wirksam erreicht werden.
Wie das 25 % Öko-Ziel erreicht werden kann, hat der BÖLW in 10 Maßnahmen formuliert, die seiner Ansicht nach für die Arbeit der Bundesregierung entscheidend sind, und in einem
BÖLW-Grundsatzpapier zur Bundestagswahl beschrieben werden.
Grüne: Klöckner - leidenschaftslos bis ablehnend gegenüber BioEine ähnliche und deutliche Kritik an Ministerin Klöckner und der Bundesregierung kommt anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten und der Verkündung aktueller Strukturdaten zum Ökolandbau auch von der grünen Opposition um Bundestag.
"Julia Klöckner feiert das 20-jährige Bestehen des Bio-Siegels und schmückt sich mit fremden Lorbeeren. Mit der Einführung des Biosiegels und des Bundesprogramms Ökolandbau hat Renate Künast 2001 die Initialzündung für einen wachsenden Biomarkt gegeben. Leider ist in 16 Jahren unionsgeführtem Agrarministerium danach viel zu wenig für den Ökolandbau passiert. Bio wurde eher schlecht geredet als gut gefördert. Das Zieljahr für 20 Prozent ökologische Landwirtschaft wurde unter Schwarz-Rot um 10 Jahre nach hinten korrigiert. So leidenschaftslos bis ablehnend blieb die Agrarministerin auch bei der Umsetzung ihrer „Zukunftsstrategie Ökolandbau“, die nichts an den Nullrunden für die Ökolandbauförderung im Bundeshaushalt änderte“, erklären in einer gemeinsamen Mitteilung Harald Ebner, Grüner Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, und Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher.
„Um mehr Bäuerinnen und Bauern für die Umstellung auf Bio zu gewinnen und das EU-Ziel von 25 Prozent Ökofläche bis 2030 zu erreichen, brauchen wir endlich verlässliche Rahmen- und Förderbedingungen. Dazu gehören mehr Beratung, die gezielte Förderung regionaler Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen, Vorgaben für die öffentliche Beschaffung für mehr Bio-Nachfrage bis hin zu deutlich mehr Mitteln für Agrarforschung und Öko-Züchtung und bessere Umstellungshilfen. Der Ökolandbau ist auch auf eine umfassende Regulierung der Neuen Gentechnik angewiesen, um vor Verunreinigungen der Produktion geschützt zu sein. Doch auch an dieser Stelle arbeitet Agrarministerin Klöckner mit ihrem Vorantreiben der Gentechnikförderung gegen den Ökolandbau und die Verbraucherwünsche“, so die grünen Abgeordneten.
Die aktuelle Reform der Agrarförderung, wie von Julia Klöckner vorgeschlagen, berge zusätzlich die Gefahr, dass Bio-Betriebe am Ende sogar als die großen Verlierer dastehen. „Wir wollen dafür sorgen, dass die Bio-Betriebe auch von allen Öko-Regelungen profitieren können und nicht ausgeschlossen werden“, so Ebner und Ostendorff.