Das Agrarbündnis Bayern hat vor der Bayerischen Staatskanzlei in München für eine bessere Agrarpolitik demonstriert. „Ministerpräsident Markus Söder bezeichnet Bayern als Vorbild für Agrarökologie. Er zeichnet damit das Bild einer ‚heilen Welt‘- und unterstützt ein ‚Weiter-so‘, statt sich für eine Agrarwende einzusetzen. Eine Wende, die schon jetzt nachhaltig wirtschaftenden bäuerlichen Betrieben und handwerklichen Verarbeitungsstrukturen Perspektiven gibt“, heißt es in einer Erklärung des Bündnisses.
Josef Schmid, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Bayern, erinnert an die Forderung des Ministerpräsidenten „Agrarökologie statt Agrarkapitalismus“ als Perspektive für die bayerische Landwirtschaft. Ein Blick in den Agrarbericht zeige, dass auch in Bayern im Durchschnitt der letzten 10 Jahre jeden Tag drei Höfe die Tore für immer schließen mussten und dass die Zahl der Betriebe über 100 Hektar stetig zunimmt. Auch in Bayern gibt es Tierbestände mit 1 500 Milchkühen, mehr als 5 000 Mastschweinen und Hundertausenden von Hähnchen und Enten. Die Überreste dieses Strukturwandels weiter als „bäuerliche Landwirtschaft“ zu bezeichnen, ist nach Ansicht von Schmid keine Lösung. „Wir brauchen eine wirkliche Agrarwende. Mit Futtermitteln aus Übersee unter hohen Kosten für Löhne, Umwelt- und Tierwohl-Anforderungen, Milch und Fleisch für Billigmärkte zu produzieren ist keine Perspektive. Das Siegel ‚geprüfte Qualität Bayern‘ muss mit Inhalt versehen werden. Unsere Kunden wollen nicht nur wissen wo der Stall steht, sondern auch, dass das Futter aus Bayern und nicht aus dem Regenwald kommt“, erklärt der AbL-Vorsitzende.
Das Staatsziel 30 Prozent Biolandwirtschaft sei nur durch eine konsequente Umsetzung des Programms „BioRegio2030“ zu erreichen. Dazu seien Zug um Zug die Bio-Anteile aller öffentlichen Lebensmitteleinkäufe entsprechend zu erhöhen. Eine Gleichsetzung von Bio und Regional sei kontraproduktiv.
„Auch in Bayern benachteiligt die EU-Agrarförderung kleinere Betriebe. Laut Agrarbericht bestehen bei Höfen bis 200 Hektar 63 % des Gewinns aus EU-Geldern, bei Betrieben bis 30 Hektar nur 40 %. Wir erwarten, dass Bayern seinen Einfluss im Bund und in der EU geltend macht, die Förderkriterien so zu gestalten, dass nicht länger der Grundbesitz, sondern die Art der Bewirtschaftung maßgeblich für die Förderhöhe ist“, so Schmid.
Mit der Aktion vor der bayerischen Staatskanzlei will das bayerische Agrarbündnis verdeutlichen, unter welchem Druck bayerische Bauernhöfe, Nutztiere und Umwelt stehen. Dass auch in Bayern immer mehr Höfe, Metzgereien und Bäckereien schließen, ist laut Bündnis "ein großer Verlust für die ländlichen Räume, die Vielfalt und Resilienz unseres Ernährungssystems und damit für unsere gesamte Gesellschaft."
Das Bündnis aus landwirtschaftlichen Organisationen, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzverbänden fordert eine ressourcenschonende, nachhaltige bäuerlich geprägte Landwirtschaft. Diese soll hochwertige Lebensmittel erzeugen, die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten und die Kulturlandschaft pflegen.
Die Verbände fordern ein Umdenken in der Agrarpolitik. Statt Billigproduktion für den Weltmarkt und immer weiter fortschreitender Konzentration sieht das Bündnis die Zukunft in regionaler, ökologischer Erzeugung, gepaart mit einer höheren Wertschätzung gegenüber Nahrungsmitteln. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher sind nach Ansicht des Bündnisses bereit, mehr Geld für Lebensmittel aus nachhaltiger Landwirtschaft zu bezahlen. „Die Politik ist gefragt, diesen Wandel mitzugehen und aktiv zu unterstützen“, fordert das Bündnis. Bayern als einflussreiches Bundesland müsse sich deswegen konsequent dafür einsetzen, dass
- Leistungen der Bäuerinnen und Bauern für Umwelt, Klima und Tierwohl im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und deren Umsetzung in Deutschland besser honoriert werden.
- die Empfehlungen der Borchert-Kommission zur Einführung einer mengenbezogenen Tierwohlabgabe für den Umbau der Tierhaltung umgesetzt werden.
- auf europäischer Ebene eine verpflichtende Herkunfts- und Haltungskennzeichnung eingeführt wird.
„Außerdem muss Bayern seinen eigenen politischen Handlungsspielraum konsequent für die nachhaltige Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft nutzen. Dies gilt für die Ausgestaltung der eigenen Förderprogramme, Maßnahmen zum Ausbau des ökologischen Landbaus und Unterstützung von Betrieben der Lebensmittelverarbeitung, die die Qualität der Lebensmittel, nachhaltige Produktion und Wertschöpfung für die Landwirtschaft sichern. Von der bayerischen Staatsregierung müssen deutliche Signale an die Bevölkerung ausgehen, dass ein Wandel hin zu einem nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystem gewollt ist und mit aller Kraft vorangetrieben wird“, appelliert das Bündnis.
Die beteiligten Verbände: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Landesverband Bayern (AbL); BUND Naturschutz in Bayern (BN); Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerbund; Deutscher Tierschutzbund, Landesverband Bayern; Genussgemeinschaft Städter und Bauern e.V.; Greenpeace München; Jugendorganisation BUND Naturschutz (JBN); Landesbund für Vogelschutz (LBV); Landesvereinigung für den ökologischen Landbau (LVÖ); NaturFreunde Bayern; Parents4future; PROVIEH, Slow Food München.
Anlässlich der Demonstration abgegebene weitere Stellungnahmen der Verbände finden sich hier.