AbL NRW: Corona-Betriebskollaps bei Tönnies offenbart viele schlechte Seiten des Systems 'Billiges Fleisch'
Das knallharte Geschäftsmodell im Fleischsektor wird wie unter einem Brennglas durch die Coronapandemie und Masseninfektion der Mitarbeiter seziert. Unser Wirtschaftssystem, das bisher auf Wachstum und Profit, aber nicht auf das Wohl von Menschen und Tieren ausgelegt ist, zeigt sich anfällig und instabil. Es werden deutlich die Schattenseiten sichtbar und zeigt die Notwendigkeit von Veränderungen und Rückbesinnung. Die explodierenden Infektionszahlen in den verschiedenen Schlachthöfen, aktuell bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, sind nur ein Symptom eines ungesunden Systems. Darauf weist der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hin. Deren Landesvorsitzende fordern deshalb die Landes- und Bundesregierung auf, nun endlich die Umbaupläne in der Nutztierhaltung umzusetzen, insbesondere in der Schweinehaltung.
„Wir müssen weg von einem System, dass sich Profitabilität und Weltmarktfähigkeit als alleiniges Ziel gesetzt hat. Themen wie faire Arbeitsbedingungen, Erhalt bäuerlicher Betriebe mit artgerechter Haltung von Schweinen die soziale und neugierige Tiere sind, Gewässer und Gesundheitsschutz durch z.B. sorgsamen Umgang mit Antibiotika müssen als gleichwertige Werte und Ziele aufgenommen werden“ so Dr. Ophelia Nick als Vorsitzende der AbL NRW. „Es muss eine Qualitätsoffensive durch unser Land gehen, mit klaren Rahmenbedingungen, wie wir Tiere halten, die für unsere Nahrung leben. Ansätze und Orientierung bietet die Ausarbeitung der Borchert-Kommission aus dem Frühjahr.“
Der Stillstand eines so großen Konzerns wirft viele Fragen auf. Wohin mit den Tieren, wo werden sie jetzt geschlachtet und zerlegt? Denn der ausgefeilte Takt zwischen den Mastbetrieben und dem Schlachthof ist jetzt mindestens für 14 Tage unterbrochen. Sie müssen länger in den Ställen bleiben und wohl am Ende längere Transportwege auf sich nehmen. Dass die Tiere jetzt lange Transportzeiten ertragen müssen, im schlimmsten Fall weit ins Ausland transportiert werden, sollte vermieden werden. „Wir fordern schon seit Jahren regionale Lösungen auch für die Schweinehaltung! Für die Zukunft muss Marktzugang für bäuerliche Strukturen, die durch die schiere Marktmacht solch großer Konzerne unmöglich gemacht werden, wieder in die Zielsetzung unserer Tierhaltungspolitik gesetzt werden. Das schließt auch die Vermarktungsmöglichkeiten ein“, fordert Bernd Schmitz, langjähriger Vorsitzender der AbL NRW.
Hier gilt es auch den Druck der Discounter und des LEH's unter die Lupe zu nehmen, denn ohne kostspielige Verfahren z.B. im Verpackungssystem, haben kleinere Zerlegebetriebe mit regionaler Schlachtstrukuren keine Chance auf eine regionale Vermarktung. Dadurch werden Massenumsatz wie bei Tönnies nur noch verstärkt. „Entlang der gesamten Wertschöpfungskette müssen faire Bedingungen für Mensch, Tier und Natur geschaffen werden,“ fordert Bernd Schmitz.
Dass Arbeitsminister Heil jetzt endlich durchgreifen will, wird von der AbL NRW ausdrücklich begrüßt, wobei es nach Ansicht der AbL jedoch nicht reicht, die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Schlachtbetrieben zu verändern. „Es stellt sich am Ende die Systemfrage, wie wollen wir Tierhaltung und die Versorgung mit Fleisch als Gesamtkonzept in Zukunft gestalten. Das System Billiges Fleisch muss der Vergangenheit angehören,“ schließt Ophelia Nick an.