Eine stärkere Förderung des europäischen Anbaus von pflanzlichen Proteinen und insgesamt des europäischen Eiweißsektors fordern in einer
gemeinsamen Erklärung die Landwirtschaftsminister:innen von Österreich und Frankreich, auch um die Abhängigkeit von Importen und das Risiko einer stärkeren Abholzung in Drittländern zu verringern. Gleichzeitig fordert der WWF ein starkes EU-Gesetz, das nicht nur die Entwaldung für nach Europa exportierte Güter stoppen soll.
„Der Übergang zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen ist von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung der aktuellen Umwelt- und Klimaherausforderungen, mit denen der europäische Agrarsektor konfrontiert ist“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Landwirtschaftsminister:innen von Österreich und Frankreich, Elisabeth Köstinger und Julien Denormandie. Die Aufrechterhaltung funktionierender, nachhaltiger und widerstandsfähiger Lebensmittelversorgungsketten sei entscheidend für unsere Zukunft und „um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir das Potenzial der europäischen Landwirtschaft bestmöglich nutzen, insbesondere im Hinblick auf den Anbau von pflanzlichen Proteinen.“ Aufgrund ihrer Fähigkeit, Stickstoff aus der Luft zu binden, sei die Steigerung der Produktion von Hülsenfrüchten oder Eiweißpflanzen eine Antwort auf die Abhängigkeit von mineralischem Stickstoff und pflanzlichen Proteinen, aber auch eine Antwort auf Umweltfragen. Darüber hinaus werde der verstärkte Anbau von Leguminosen zu einer nachhaltigeren und diversifizierteren Landwirtschaft beitragen, die weniger abhängig von externen Mineraldüngern ist. Die weitere Entwicklung von Leguminosen werde gleichermaßen dazu beitragen, die ökologischen und klimatischen Herausforderungen zu bewältigen, mit denen der europäische Agrarsektor konfrontiert ist, und gleichzeitig die Ziele des Europäischen Green Deal zu erreichen. Die Förderung von Leguminosen wird laut der Erklärung darüber hinaus die Ernährungssicherheit und -souveränität in der EU verbessern und gleichzeitig unsere Abhängigkeit von Importen und das Risiko einer stärkeren Abholzung in Drittländern verringern.
Nach Ansicht von Köstinger und Denormandie „müssen wir“:
- die heimische Produktion von pflanzlichen Proteinen stärken, die unseren hohen europäischen Standards entsprechen;
- Transportwege mit regionalen Lieferketten verkürzen, die logistische Entwicklung dieses Sektors sicherstellen und eine funktionierende regionale Wertschöpfungskette einschließlich Verarbeitungskapazitäten für Lebens- und Futtermittel gewährleisten;
- dazu beitragen, Eiweißpflanzen durch eine effektive, auf die individuellen Bedürfnisse aller Akteure - vom Landwirt über den Verarbeiter bis zum Verbraucher - zugeschnittene Pflanzenzüchtung fit für die Zukunft zu machen;
- die Diversifizierung der Eiweißaufnahme durch den Verzehr von Hülsenfrüchten aus lokaler Produktion im Einklang mit den offiziellen Empfehlungen zu Ernährung und Gesundheit fördern;
- dieses Thema gemeinsam vor den Ständigen Agrarforschungsausschuss (SCAR) bringen und Forschung und Innovation unterstützen, insbesondere durch kooperative und transnationale Forschungsprogramme zu Pflanzenproteinen und dem Stickstoffkreislauf im Rahmen des Programms Horizont Europa.
Die EU-Kommission fordern sie auf, eine entsprechende Eiweißstrategie zu erarbeiten und verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die in ihren Ländern existierende Eiweißstrategie. Eine Eiweißpflanzenstrategie gibt es auch in Deutschland. Dazu heißt es kurz und knapp im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung: „Die Eiweißpflanzenstrategie entwickeln wir weiter.“
WWF fordert Änderung an EU-Gesetzentwurf
Der WWF ist unter anderem engagiert im Forum Nachhaltigere Eiweißfuttermittel, einem Zusammenschluss unterschiedlicher Akteure aus Lebensmittelwirtschaft, Futtermittelhandel und Wissenschaft sowie Vertretern von Verbänden, Umweltorganisationen und Bundesbehörden. Als Ergebnis eines Dialogprozesses haben rund 30 Akteure am 19. Oktober 2017 ein gemeinsames Positionspapier mit acht Thesen verabschiedet. Hierin haben sie sich dazu bekannt, den Anteil von Leguminosen im Anbau und in der Fütterung zu erhöhen und dafür die Wettbewerbsfähigkeit der Leguminosen zu stärken. Auch sprechen sie sich dafür aus, in Zukunft nur zertifiziert nachhaltiges Soja einzusetzen. Das Dialogforum und seine Mitglieder senden nach eigenen Angaben damit ein klares Signal, dass die Akteure in Deutschland ihre Verantwortung in den globalen Lieferketten wahrnehmen und die sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedingungen in der gesamten Wertschöpfungskette von Eiweißfuttermitteln verbessern wollen. Dies betrifft eine nachhaltigere Produktion von Soja in Lateinamerika, ebenso wie in Europa, sowie den Einsatz von heimischen Eiweißfuttermitteln in der Fütterung und damit die Integration von Leguminosen in der Fruchtfolge in Deutschland.
Jetzt fordert der WWF mit Blick auf den Eiweißfuttermitteleinsatz in der EU die Änderung eines von der EU-Kommission im November letzten Jahres vorgelegten Gesetzentwurfs, der die Entwaldung für nach Europa exportierte Güter stoppen soll. Darin seien jedoch viele Ökosysteme, wie Grassavannen und damit Teile des Cerrado, der artenreichsten Savanne der Erde, von der Regelung ausgenommen.
Der brasilianische Cerrado hat laut WWF zwischen August 2020 und Juli 2021 8.531 Quadratkilometer seiner Vegetation verloren. Das ist die größte zerstörte Fläche seit 2016 und ein Anstieg von 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das hat das brasilianische Institut für Weltraumforschung (INPE) bekanntgegeben. Der WWF sieht den Hauptgrund der Zerstörung in der stetig zunehmenden Sojaproduktion, für die immer größere Flächen der Savanne gerodet und abgebrannt würden.
Die brasilianische Savanne ist laut WWF für die EU der wichtigste Lieferant für Soja, das bei uns vor allem als Futtermittel in der Massentierhaltung Verwendung finde. Im Jahr 2018 stammten 23 Prozent der EU-Einfuhren aus Südamerika aus dem Cerrado. Ganze 70 Prozent des in die EU importierten Sojas, das mit Naturzerstörung in Verbindung gebracht wird, konzentrierte sich auf diese Region.
Dementsprechend richten sich die Forderungen des WWF auch an die EU und Deutschland: „Die neue Bundesregierung hat sich ambitionierte Klima- und Umweltschutzziele gesetzt. Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission bietet sich jetzt die große Chance, das Ruder herumzureißen und für den Umweltschutz weltweit einzustehen. Dafür müssen aber dringend alle Ökosysteme von Anfang an in das Gesetz einbezogen werden. Es muss grundsätzlich gelten: Für Produkte, die nach Europa eingeführt werden, darf die Umwelt nicht zerstört werden“, fordert Roberto Maldonado, Brasilien-Referent beim WWF Deutschland.