Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Die Geflügelpest (Vogelgrippe, H5N1) breitet sich im Herbst 2025 in Deutschland dramatisch aus. Täglich werden neue Ausbrüche gemeldet. Erstaunlich ist nicht das Auftreten der Pest, sondern der frühe Zeitpunkt und das Tempo. Das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) hat bereits 30 Ausbrüche in Geflügelhaltungen und eine große Zahl infizierter Wildvögel registriert. Mehr als 500.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten seien bereits getötet worden, meldet das FLI. Besonders der Norden – Niedersachsen, Meck-Pom und Brandenburg - verzeichnet die meisten Ausbrüche. Der frühe Zeitpunkt überrascht die Fachleute. Sonst tritt die Vogelgrippe erst im Winter auf. Mindestens bei Wildvögeln hat die Seuche inzwischen das ganze Jahr über Hochkonjunktur, berichten Beobachter aus Spanien und anderen Vogelflugländern. Außerdem fallen die Vielfalt der infizierten Tiere, der heftige Verlauf und die zunehmende Gefahr der Übertragbarkeit auf Säugetiere auf. So sei das häufige Auftreten bei Kranichen neu, ebenso der Befund eines hochansteckenden H7-Virus, das bisher eher im Mittelmeerraum gefunden wurde.
Ausbrüche bundesweit
Inzwischen haben alle Bundesländer außer Bremen am 25.10. Ausbrüche bei Wildvögeln gemeldet, berichtet das FLI. Bei Kranichen lägen die Sterberaten zum Teil bei über zehn Prozent. In den letzten Tagen wurden aus allen Regionen Fälle von Vogelgrippe gemeldet.
Einige Beispiele: Im niedersächsischen Landkreis Vechta gibt es einen bestätigten Fall der Geflügelpest in einem Putenbetrieb mit rund 14.000 Putenhähnen. Hinzugekommen ist ein weiterer Verdachtsfall, ebenfalls in einer Mastputenhaltung im Bereich der Stadt Vechta.
Im Landkreis Kleve am Niederrhein ist jetzt ein erster Fall von Geflügelpest offiziell bestätigt worden. Betroffen ist ein Betrieb mit fast 19.000 Puten. Die Tötung des Bestandes ist bereits abgeschlossen, Schutz- und Sperrzone wurden um den Betrieb eingerichtet.
Im Landkreis Märkisch-Oderland (Brandenburg) ist in einem Entenmastbetrieb mit 35.000 Tieren der Ausbruch der Geflügelpest amtlich festgestellt worden. Zudem besteht ein weiterer Verdachtsfall in einem Masthähnchenbetrieb mit etwa 50.000 Tieren. Sowohl in dem Entenbetrieb als auch in dem Masthähnchenbetrieb waren erhöhte Tierverluste festgestellt worden.
Ein Geflügelbetrieb im Alb-Donau-Kreis (Baden-Württemberg) muss nach dem Ausbruch der Geflügelpest rund 15.000 Tiere töten. Der betroffene Betrieb hatte unter anderem eine Freilandhaltung von Legehennen.
Stallpflicht regionsweit angeordnet
Das FLI fordert die Überprüfung der Bio-Sicherheitsmaßnahmen und die Vermeidung von Kontakten zu Wildvögeln. In vielen Regionen werden Abwehrmaßnahmen aufgerufen und die Aufstallpflicht für Geflügel erlassen. Das Bundesministerium wehrt sich (noch?) gegen eine bundesweit einheitliche Regelung. Aber mit Hamburg und Saarland verlangen bereits erste Länder eine Stallpflicht, sonst sind es eher Regionen.
Der niedersächsische Landkreis Cloppenburg und die Nachbarkreise Oldenburg, Vechta und Diepholz, aber auch Gifhorn (Lüneburger Heide) haben eine generelle Stallpflicht für gehaltenes Geflügel angeordnet. Bislang galt die Stallpflicht nur in den Restriktionsgebieten um die Ausbruchbetriebe. Ab 28.10. gilt hier Stallpflicht in Beständen mit mehr als 50 Tieren. Hobbyhaltungen mit bis zu 50 Tieren fallen nicht unter die Stallpflicht. Cloppenburg hat zudem ein Wiedereinstallungsverbot für Puten veröffentlicht. Diese gilt für Betriebe in den Gemeinden, in denen sich die Sperrgebiete der bisherigen Geflügelpestfälle befinden. Das Wiedereinstallungsverbot gilt für zunächst 30 Tage. Die genannten Landkreise liegen in einem Haupt-Zuggebiet der Kraniche. Es gab in den vergangenen Tagen mehrere Fälle von Vogelgrippe.
Die Geflügelpest hat auch den Landkreis Börde, Sachsen-Anhalt, rund um die Landeshauptstadt Magdeburg, erreicht. Bei über 50 toten Kranichen war dort der Verdacht einer Vogelgrippe-Infektion bestätigt worden. Zum Schutz der Haus- und Nutzgeflügelbestände gibt es nun ein Aufstallgebot für Geflügel im gesamten Kreisgebiet, ebenso im Landkreis Gotha in Thüringen.
Was tun?
Eine Übertragbarkeit auf Menschen ist nicht gegeben. Die Wirksamkeit von Impfstoffen steht in der Diskussion. Einige Länder wie Frankreich nutzen sie, aber eine umfangreiche Überwachung ist schwierig und nach Angaben von Experten nur bei Enten und Gänsen erfolgversprechend – weniger aber bei Hähnchen und Puten. Außerdem müsse man den Einsatz sehr sorgsam erwägen, da erhebliche Auswirkungen auf den Handel und den Export zu erwarten sind, verweist das FLI.
Mehrere Landkreise haben eine "Aufstall-Empfehlung" abgegeben. Das heißt z.B. für Legehennenhalter mit Freilandhaltung, dass sie, wenn sie ihre Tiere quasi nur nach „Empfehlung“ im Stall lassen, ihre Eier umstempeln müssen. Diese dürfen dann nur noch als Bodenhaltungs-Eier vermarktet werden. Anders ist es bei der amtlich angeordneten Stallpflicht. Dann dürfen die Eier aus Freilandhaltung für 16 Wochen weiter als Freiland-Eier vermarktet werden.
Folgen für den Markt und Preis
Die Auswirkungen auf den Markt und den Preis sind noch nicht absehbar. Für den Gänse- und Entenmarkt erwarten die Fachleute keine großen Änderungen. Nur rund 20 Prozent der Gänse, die in Deutschland konsumiert werden, stammen aus heimischer Produktion; etwa 80 Prozent werden aus Ungarn und Polen importiert. Die traditionelle Schlachtsaison beginnt kurz vor dem Martinstag am 11. November.
Bedeutender könnten die Auswirkungen auf den Hähnchen- oder Eiermarkt werden, die sich beide seit einiger Zeit im Konjunkturhoch befinden. Der Eierpreis tendiert sogar in nahezu allen Haltungsformen zu einem neuen Allzeithoch, was nicht einmal Optimisten erwartet haben. Das Angebot am Spotmarkt, auf dem die Produzenten untereinander vermarkten, ist nicht übermäßig. „Alles Verfügbare wird zur bestmöglichen Belieferung der bestehenden Kunden benötigt, so dass für die Verarbeitung trotz interessanterem Preisniveau kaum etwas übrigbleibt,“ bewerten Marktkenner die Lage. XL-Eier oder Bio-Eier werden stark gesucht und sind nicht überall verfügbar, auch wenn es zu Weihnachten keine Engpässe geben soll. In welche Höhen der Preis weiter treibt, darüber streiten die Experten.
Der Marktbeobachter sieht zunehmend die Erzeugung von tierischen Lebensmitteln von Tierseuchen beeinflusst. Die Vogelgrippe ist sicherlich das deutlichste Zeichen der Veränderung. Seit Jahren kämpfen die Erzeuger mit dem Phänomen. Regelmäßig fallen tausende, ja Millionen Tiere der Seuche und den Abwehrmaßnahmen zum Opfer – und zwar europaweit. Und Lösungen lassen auf sich warten, auch weil Beschränkungen des Exports immer wieder Grenzen setzen. Stallpflicht, Quarantänen, Transportverbote schränken die Ausbreitung ein – bis zum nächsten Mal. Nur nebenbei: die Geflügelpest mit den veränderten Vogelflügen hat auch etwas mit Klimawandel zu tun.
Der wirtschaftliche Schaden ist bei Geflügel schon nicht gering, aber wenn sich die Seuchen z.B. auf Schweine (ASP) oder Rinder (MKS, Blauzunge) ausbreitet, wird er zu einem volkswirtschaftlichen Problem.
