„Beim Einkaufen im Supermarkt fällt es noch nicht auf. Aber die Schweinehaltung in Deutschland ist vom Aussterben bedroht.“ Für diese drastische Einschätzung, so der Bund der Deutschen Landjugend, braucht Stefan Schmidt keine Statistiken. Aber sie belegen, was der stellvertretende Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend e.V. (BDL) seit längerem beobachtet: Die Zahl der Schweinehalter ist seit dem Jahr 2000 um 86,6 Prozent zurückgegangen, auf deutschlandweit 16.900.
Der Junglandwirt befürchtet, dass noch viele folgen werden, weil die Politik die falschen Signale an die Tierhalter:innen sendet. Zwar habe die Bundesregierung im Sommer die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung und erste Änderungen im Baurecht beschlossen; das Fundament fehle allerdings noch: die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung.
„Wenn wir das nicht hinbekommen, kann in Deutschland kaum noch Schweinefleisch zu hohen Standards produziert werden. Dann wird der deutsche Fleischbedarf vor allem durch Importe aus dem Ausland gedeckt. Das will die Bevölkerung genauso wenig wie wir. Wir wollen eine Zukunft in der Landwirtschaft: eine wettbewerbsfähige und gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung mit mehr Tierwohl, Nachhaltigkeit und Wertschöpfung im Land“, sagt der BDL-Vize.
Bereit für Veränderungen und bestens ausgebildet stehe der Berufsnachwuchs quasi mit aufgekrempelten Ärmeln in den Startlöchern und erlebe eine Regierung, die sich in Sachen Umbau der Tierhaltung sehr zurückhält. Das habe dazu geführt, dass die Borchert-Kommission ihr Amt offiziell niedergelegt hat. Deren Ergebnisse seien wie die der Zukunftskommission Landwirtschaft erst hochgelobt worden und dann in der Schublade verschwunden. Landwirtschaft und Gesellschaft waren in Aufbruchstimmung. Dass diese Chance nicht genutzt wurde, enttäuscht laut BDL die junge Generation an Hofnachfolger:innen. Die Junglandwirtinnen und Junglandwirte wollen die Tierhaltung zukunftsfit machen, befürchten aber, dass sie allein dastehen und der von beiden Kommissionen mühsam ausgehandelte gesellschaftliche Kompromiss zerbricht.
Da reiche es nicht zu beteuern, dass die Tierhaltung in Deutschland Zukunft hat. Die Bundesregierung müsse endlich Farbe bekennen, indem sie eine gesicherte Finanzierung vorlegt. „Solange das nicht geklärt ist, werden auch junge Tierhalter:innen nicht in tierwohlgerechtere Ställe investieren. Die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung und Änderungen im Baurecht genügen nicht“, sagt der stellv. BDL-Vorsitzende.
Alle wissen nach Ansicht des BDL, dass der Umbau der Tierhaltung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. „So weit, so gut, so akzeptiert. Aber das schließt die Finanzierung ein“, macht Schmidt einmal mehr deutlich. Wenn der Bund die entstehenden Mehrkosten für mehr Tierwohl und Klimaschutz nicht aufbringen kann, werde die Zahl der tierhaltenden Betriebe weiter drastisch zurückgehen.
„Die Borchert-Kommission hat den Finanzbedarf auf vier Milliarden Euro geschätzt. Pro Jahr. Im Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus Tierhaltung ist für vier Jahre eine Milliarde vorgesehen, davon je 150 Millionen Euro für dieses und 150 für nächstes Jahr. Finde den Fehler“, provoziert der BDL-Vize. Obendrein seien die Hürden für die Beantragung der Förderung hoch und das jetzige Konzept nur für wenige Betriebe geeignet. „Das ist ein Anfang, aber nicht die von uns geforderte Planungssicherheit für die Nutztierhaltung“, sagt er.
Aus BDL-Sicht sei es höchste Zeit, die von der Borchert-Kommission vorgelegten Finanzierungskonzepte umzusetzen, um die laufenden Mehrkosten auszugleichen und so die Tierhaltung in Deutschland zu halten. „Wir brauchen auch hier eine Zukunftspolitik. Mehr Tierwohl, mehr Regionalität, mehr Nachhaltigkeit können und wollen die deutschen Tierhalter:innen. Voraussetzung sind verlässliche Rahmenbedingungen und eine planbare, langfristige Finanzierung. Sonst verschwinden mit der deutschen Schweinehaltung auch ihre Produkte in den Supermarktregalen“, stellt BDL-Vize Schmidt bitter klar.