Trügerische Erfolgsmeldungen beim Antibiotikaeinsatz

Die Arbeitsgruppe Antibiotikaresistenz hat ein Lagebild zu Antibiotikaresistenzen und -einsatz im Bereich Tierhaltung und Lebensmittelkette erarbeitet, verkündet das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL). Das Lagebild bündelt bereits veröffentlichte Daten der Jahre 2011 (erstes Erfassungsjahr) bis 2017 und zeigt Entwicklungen und Trends zum Antibiotikaeinsatz bei Tieren. Es lässt sich laut BMEL ein klarer Rückgang der Abgabemengen antimikrobieller Tierarzneimittel sowie der Kennzahlen der betrieblichen Therapiehäufigkeit (Ausnahme: Masthähnchen und Mastputen) erkennen. Auch bei den Antibiotikaresistenzen besteht bei den Resistenzraten teilweise ein rückläufiger Trend, so das BMEL „Antibiotikaeinsatz geht weiter zurück“ (agrarheute), „Antibiotikamengen in der Tierhaltung sinken deutlich“ (topagrar) oder "Positiver Trend - Antibiotikamengen in der Tierhaltung sinken" (BMEL) titelten dementsprechend Medien und das BMEL. „Für mich zählen Zahlen, Daten und Fakten. Der Lagebericht zeigt deshalb erstmals zusammenfassend, wo wir bei Antibiotikaeinsatz und Resistenzentwicklung bei Tieren und in der Lebensmittelkette stehen. Der Trend ist positiv: Seit 2011 hat sich die Menge von Antibiotika, die Großhändler und Unternehmen an Tierärzte abgaben, deutlich verringert. Das deutsche Antibiotikaminimierungskonzept zeigt Wirkung“, kommentiert die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Lagebericht. Zu den „Daten,Zahlen und Fakten“ in dem Lagebericht gehören die folgenden Aussagen: - Bei der ersten Erfassung der Antibiotikaabgabemengen an Tierärzte in Deutschland wurde eine Gesamtmenge von 1.706 t ermittelt. Die berechnete Menge für das Jahr 2017 betrug 733 t. Dies ist ein Minus von rund 973 t und entspricht einer Reduktion von ca. 57%. - Die Abnahme der Gesamtmengen im Zeitraum 2011 bis 2017 ging allerdings mit einer Zunahme der Abgabemengen von Fluorchinolonen einher. Deren Verwendung in der Veterinärmedizin wird wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Humanmedizin sehr kritisch gesehen. Bei den Fluorchinolonen lag die Abgabemenge im Jahr 2017 um 20,1% (1,7 t) höher als im ersten Erhebungsjahr (8,2 t). - Die Abgabemenge der Polypeptid-Antibiotika (Hauptteil Colistin) ist von 2016 auf 2017 zum ersten Mal seit dem Beginn der Erfassung der Antibiotika-Abgabemengen gestiegen. Die Abgabemengen betragen für 2017 73,6 t (2016: 68,9 t). Der Anstieg beträgt von 2016 auf 2017 ca. 4,7 Tonnen (6,8%). Gegenüber dem ersten Erfassungsjahr 2011 hat die Abgabe von Colistin aber um ca. 53,8 t (42,2%) abgenommen. ... Colistin ist ein Polypeptidantibiotikum aus der Gruppe der Polymyxine. Es wurde kürzlich von der WHO als „highest priority critically important antimicrobials“ eingestuft. Colistin ist durch die verbreitete Resistenz von Bakterien gegen andere therapeutisch sehr wichtige Antibiotika zu einem Mittel der letzten Wahl geworden. "Die enormen Gefahren durch Antibiotika-Resistenzen sind nicht schön zu reden. Die gestiegene Anwendung von so genannten Reserveantibiotika, bei denen mit gleicher Menge viel mehr Tiere behandelt werden können, ist höchst dramatisch“, erklärt der agrarpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag Friedrich Ostendorff mit Blick auf die gestiegenen Mengen von Fluorchinolonen und Colistin, „denn genau diese Antibiotika sind oftmals die letzte Chance für kranke Menschen“. Reserveantibiotika müssen seiner Ansicht nach raus aus den Ställen. „Die Verleugnungstaktik der Ministerin auf Kosten der Sicherheit der Bevölkerung muss aufhören. Es muss sich grundsätzlich in der Tierhaltung etwas ändern. Die Tiere brauchen mehr Platz für ein artgerechtes Leben. Die Agrarpolitik muss Verantwortung für die Zukunft übernehmen und aufhören, mit Vollgas in eine Sackgasse zu fahren", so Ostendorff. Erst kürzlich hat das EU-Parlament mitgeteilt, zukünftig bestimmte Antibiotika nur noch beim Menschen und nicht mehr in der Tierhaltung einsetzen zu wollen, um für den Notfall wirksame Arzneien in Reserve zu haben. Die Arbeitsgruppe Antibiotikaresistenz besteht aus Vertretern des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie Vertretern des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.