Antibiotikaresistenzen machen nicht an Ländergrenzen halt

Während Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner international ihre nationalen Maßnahmen gegen den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zur Nachahmung empfiehlt, üben Organisationen wie Germanwatch deutliche Kritik an ihrer Haltung und ihren nationalen Aktivitäten. Ende Oktober hat die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft die laut Bundesministerium (BMEL) „erfolgreiche Deutsche Resistenzstrategie“ in Marrakesch, Marokko, auf der zweiten internationalen Konferenz der Weltorganisation für Tiergesundheit OIE zu Antibiotikaresistenzen vorgestellt und in diesem Zusammenhang betont: "Antibiotikaresistenzen machen nicht an Ländergrenzen halt - wir müssen international dagegen vorgehen". Bereits beim G-20-Agrarministertreffen im Juli dieses Jahres habe Klöckner für ein gemeinsames globales Vorgehen sowie eine deutliche Beschränkung beim Einsatz für Antibiotika in der Tierhaltung geworben, wozu sich die Teilnehmer des Treffens bekannt hätten, heißt es im BMEL. „Unsere Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie, entwickelt auch auf Bestreben meines Ministeriums, fußt dabei auf vier Säulen: Resistenzentwicklung beobachten, Antibiotikamengen erfassen, Antibiotikaeinsatz minimieren, strenge Vorschriften zum Einsatz kritischer Antibiotika bei Tieren. Damit konnten wir konkrete Erfolge erzielen: Im „grünen“ Sektor sind die Antibiotikaabgabemengen in den vergangenen Jahren um 57 Prozent gesunken, auch die Resistenzraten sind in vielen Bereichen rückläufig“ erklärt die Ministerin in diesem Zusammenhang. Dabei laufe ein solcher Prozess nicht ohne Hürden und Herausforderungen ab. „Umso mehr will ich mit unserem Beispiel Mut machen - vor allem denjenigen Ländern, die noch nicht so weit sind. Gleichzeitig wollen wir den eingeschlagenen Weg weitergehen und Maßnahmen auch international umsetzen. Mit meinen Ministerkollegen hatte ich auf dem G-20-Treffen im Sommer hierzu konkret bereits vereinbart, dass Antibiotika nur zu therapeutischen, kurativen Zwecken und nicht präventiv oder zur Wachstumsförderung eingesetzt werden darf", so Klöckner. Deutliche Kritik an der Haltung und den Maßnahmen der Ministerin hatte zuvor bereits Germanwatch geäußert. "Auf der einen Seite setzt sich die Bundesregierung für dringend nötige globale Initiativen gegen Antibiotikaresistenzen ein", sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin bei Germanwatch. "Auf der anderen Seite aber tragen in Deutschland ein hoher Antibiotikaverbrauch und zugleich sehr schwache Regeln bei Antibiotika im Stall sowie die Fixierung auf Agrarexporte dazu bei, dass sich Antibiotikaresistenzen verbreiten; mit kontaminierten Fleischexporten sogar weltweit. Laut staatlichen Untersuchungen ist jede zweite Hähnchenfleischprobe in Deutschland mit antibiotikaresistenten Erregern kontaminiert und ein hoher Schweinefleischverzehr zählt zu den Risikofaktoren für Menschen, sich multiresistente Erreger (ESBL) einzufangen", so Benning. Der Export von belastetem Fleisch berge besonders große Risiken für Menschen in Ländern mit schlechterer Gesundheitsversorgung. Deutschland habe im EU-Vergleich sehr schwache Antibiotika-Regeln und liege im Spitzenbereich bei den Verbrauchsmengen in der Massentierhaltung. So kommen laut EU-Behörden in Deutschland im Schnitt 98 Milligramm Antibiotika auf ein Kilo Fleisch, in Schweden seien es nur 12, in den Niederlanden 64 Milligramm. Benning: „Masthühner und -puten in Deutschland erhalten sogar häufiger Antibiotika, obwohl seit 2015 Millionen von Tieren nach Standards der „Initiative Tierwohl“ gehalten werden." Besonders kritisch sieht Germanwatch, dass noch immer vier Reserveantibiotika im Stall eingesetzt werden dürfen - und bei zweien die Mengen gegenüber 2011 auch steigen. "Reserveantibiotika sind in der Humanmedizin oft lebenserhaltend, wenn andere Antibiotika wegen Resistenzen nicht mehr wirken", erklärt Benning. "Sie gehören nicht in industrielle Tierhaltungen, weil dies das Risiko erhöht, dass sich auch gegen diese Reservemittel Resistenzen entwickeln. So steigen aktuell die Colistin-Resistenzen bei Masthühnern im Vergleich zu den Resistenzraten der Jahre 2011 bis 2014 an.“ Germanwatch fordert von der Bundesregierung, die staatliche Antibiotika-Datenbank maßgeblich zu verbessern und Erfassung und Kontrollen auf EU-Standards anzuheben, um Tierhaltungen mit dauerhaft hohem Verbrauch von Antibiotika zu finden und dort Reduzierungen zu veranlassen. Benning: "Viele andere Länder haben Reserveantibiotika längst erfolgreich reglementiert. Wir brauchen hierzulande ein klares Verbot von Reserveantibiotika in Tierfabriken."