STV und Pflanzenzüchter auf Konfrontationskurs

BGH-Urteil wird als Druckmittel gegen Landhandel und Bauern sehr weitreichend ausgelegt. Während alle Welt in Sachen Landwirtschaft von Bürokratieabbau spricht und geradezu hektisch versucht wird, Bauern und Bäuerinnen zum Teil auch nur zum Schein zu entlasten, ziehen der Bundesverband der deutschen Pflanzenzüchter (BDP) und sein Inkassounternehmen, die Saatgut-Treuhandverwaltungs-GmbH (STV), gerade ein Bürokratiemonster hoch. Betroffen sind nicht nur Bauern und Bäuerinnen, sondern auch der Landhandel. Grund ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), mit dem der BDP sich erhofft, über eine Hintertür alle umfassenden Anbaudaten landwirtschaftlicher Betriebe zu bekommen, auch um Nachbaugebühren zu kassieren. Dabei geht es in dem entsprechenden Fall überhaupt nicht um Nachbau. Durch eine Hofkontrolle der STV, die der entsprechende Betrieb wahrscheinlich noch nicht einmal hätte zulassen müssen, erfuhr die STV von Sortenschutzverletzungen, weil Bauern schwarz Erntegut als Saatgut gehandelt hatten. Die Ernte daraus wiederum verkauften sie an einen Landhändler vor Ort, der nun von der STV gleich mit verklagt wurde. Unterlassung und Schadensersatz kamen auf Bauern und Händler zu. Die aus deren Sicht verlorenen Verfahren vor Gerichten in Düsseldorf, in die die IG Nachbau nicht involviert war, wanderten bis zum BGH nach Karlsruhe. Dort schlossen sich die Richter inhaltlich den Vorinstanzen an, hatten aber vor allem die Frage zu klären, ob der Landhändler sich auf „Nichtwissen“ berufen konnte, als er das Erntegut aufkaufte, das aus dem Schwarzhandel aufgewachsen und damit nicht legal erzeugt war. Der BGH entschied, wie schon auch die Vorinstanzen, dass der Landhändler eine Erkundigungspflicht habe, der er nicht nachgekommen sei, weil er nicht nachfragte, als er das Getreide annahm. Wie nun aber so eine Erkundigungspflicht auszusehen habe, wie der Händler hätte reagieren sollen, als der Bauer mit seinem Hänger voll Getreide vor ihm stand, dazu sagen die Karlsruher Richter nichts.

Überzogene Forderungen
Das, wie auch die Tatsache, dass es sich in diesem Fall um strafbaren Schwarzhandel als Hintergrund handelt und nicht um erlaubten Nachbau, hält STV und BDP nicht davon ab, den Fall in ihrem Sinne auszuschlachten. Sie setzen sich aktuell mit dem deutschen Raiffeisenverband (DRV) und dem Bauernverband auseinander und haben eine Registrierungspflicht aller Bauern und Bäuerinnen vorgeschlagen, die zertifiziertes Saatgut verwenden. Zu diesem Zweck sollen alle ihre Saatgut-Kaufbelege sowie den gesamten Anbauumfang verschiedener Fruchtarten offenlegen müssen. Am Ende würde das dann die STV prüfen und Persilscheine ausstellen, die die Bauern und Bäuerinnen von weiteren Rechtsansprüchen der Züchter freistellt. Dabei gibt die Rechtsprechung des BGH eine so weitgehende Ausforschung gar nicht her. Das ist die Einschätzung von Jens Beismann, Anwalt der IG Nachbau. Er warnt aus gegebenem Anlass einmal mehr davor, arglos STV-Kontrolleure auf den Hof zu lassen und unter Umständen viel zu viel offenzulegen. Wie auch eine reine Online-Abwicklung der Nachbauerklärung Fallstricke in Form von schnell gesetzten Zustimmungshäkchen bietet, die gemieden werden sollten. Und der Landhandel, so Georg Janßen, Geschäftsführer der IG Nachbau, müsse sich die Frage stellen, inwieweit er sich zum Erfüllungsgehilfen der STV und der Züchter machen wolle. Er solle sich an die Seite der Bauern und Bäuerinnen stellen und die überzogenen Ansprüche von sich weisen!

Wo steht der Handel?
Genau darauf scheinen viele Landhändler und Genossenschaften, die ja eben doch auch noch ihren bäuerlichen Mitgliedern verpflichtet sind oder sein sollten, nicht besonders erpicht zu sein. Ebenso wenig wie auf weitere Bürokratie, die auch auf sie zukommen würde, wenn sie in das Thema einsteigen. Die Agrarzeitung berichtet von Unsicherheit und Empörung in der Handelsszene. Beanstandet werde auch, dass normalerweise im deutschen Strafrecht die Unschuldsvermutung gelte, nun aber den Marktteilnehmern die Beweislast aufgebürdet werde. Auch der Bauernverband blicke, so die Agrarzeitung, kritisch auf die aus seiner Sicht übergriffigen Vorstellungen der STV.
Viele neue Rechtsunsicherheiten sind entstanden und werden auf Jahre die Gerichte beschäftigen, die Bauern und Bäuerinnen verärgern und ihr Verhältnis zur STV und damit auch zu den Pflanzenzüchtern wohl nicht verbessern.