Gentechnisch veränderter Weizen ist bislang ein No-Go, weil Weizen-Händler und Verarbeiter mit Recht befürchten, ihre sensiblen Märkte zu verlieren. Das will Bioceres, ein argentinisches Gentechnik-Unternehmen nun ändern. Argentinien, siebtgrößter Weizenexporteur der Welt, hatte einen HB4-Weizen zum Anbau unter Vorbehalt zugelassen, weil Importgenehmigungen fehlten. Im Mai ist dieser Vorbehalt aufgehoben worden. In ersten Provinzen gibt es dagegen Klagen, weil laut argentinischem Recht vor dem Anbau regionale Kommissionen gebildet werden müssen (unter Einbezug der Indigenen und der regionalen Bevölkerung), die darüber zu entscheiden hätten. Befürchtet werden „irreparablen Schäden“ für die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung. Das Argument, man brauche Weizen zur Welternährung, sehen Vertreter:innen von Eine-Welt-Organisationen kritisch.
Der HB4-Weizen ist gentechnisch so verändert worden, dass er trockenresistenter sein soll. Dazu wurde in das Weizengenom ein Sonnenblumen-Gen eingesetzt. Laut Aussagen der Entwickler werde die Pflanze so anpassungsfähiger an Trockenheit, was höhere Erträge auch in niederschlagsarmen Regionen ermögliche. Zudem soll der Gentechnik-Weizen resistent gegen Glufosinat-Ammonium sein, ein Totalherbizid der BASF. In der EU ist dies seit 2018 verboten, weil es die Gesundheit und Artenvielfalt gefährdet. Dennoch wird es weiter in Länder wie Argentinien exportiert.
Argentinien ist mit durchschnittlich 14 Millionen Tonnen Weizen pro Jahr der siebtgrößte Weizenexporteur der Welt. Die Regierung hatte den Anbau des HB4 Weizens im Oktober 2020 genehmigt. Der HB4-Weizen ist ein Oldie und wird seit 18 Jahren von der argentinischen Firma Bioceres zusammen mit dem französischen Pflanzenzüchter Florimond Desprez entwickelt. Ein kommerzieller Anbau und Handel wurde auch davon abhängig gemacht, ob wichtige Importeure wie Brasilien, den GV-Weizen zum Import zulassen würden. In zahlreichen Ländern stellte Bioceres deshalb Import-Zulassungsanträge – auch in der EU. Im Mai 2022 wurden die Anbau- und Vermarktungsbeschränkungen aufgehoben, weil u.a. Brasilien den Import erlaubte.
Parallel dazu hatten Erhebungen des argentinischen Agrarministeriums und seiner begleitenden Forschungseinrichtungen ergeben, dass die Erntemengen in der Saison 2021/22 in Argentinien sehr viel geringer ausfielen, als vom Hersteller versprochen. Während Bioceres von 20% mehr Erträgen ausgeht, zeigten Erhebungen des Ministeriums in 12 Regionen rund 30% weniger Ertrag. Der HB4-Weizen wies einen Durchschnittsertrag von gut 23 Doppelzentnern pro Hektar auf, während konventioneller Weizen in Argentinien einen Durchschnittsertrag von 34,4 Doppelzentnern pro Hektar habe, berichtete ein argentinischer Kanal.
Weizenhändler und Verarbeiter sind weiterhin skeptisch und die Zulassung sorgte für einen Aufschrei. Nicht nur bei kleinen Familienbetrieben und Ökobauern, sondern vor allem bei den großen Produzenten und Exporteuren von konventionellem Weizen. So erklärte der Vorsitzende des argentinischen Getreideexportzentrums Gustavo Idígoras: „Wir sagen ausdrücklich und nachdrücklich, dass wir kein einziges Korn HB4-Weizen in Lieferungen akzeptieren, weil das auf absolute Ablehnung des Marktes stoßen wird." Auch der brasilianische Verband der Weizenindustrie Abitrigo ebenso wie die Organisationen der Bäcker und Teigwarenhersteller erklärten, dass sie GV-Weizen ablehnen und keinen argentinischen Weizen mehr kaufen würden, sollte dort in großem Stil HB4-Weizen angebaut werden. Sie begründeten ihre Haltung mit Sicherheitsbedenken und der Ablehnung von GV-Weizen in der Bevölkerung. Abitrigo erwägt Einspruch gegen die Importzulassung. Zudem verlangte der Verband, unverzüglich die Einberufung des Nationalen Ausschuss für biologische Sicherheit in Brasilien. Dieses Gremium solle umfassend analysieren, wie sich GV-Weizen aus Argentinien auf dem brasilianischen Markt auswirken würde. So lange solle die Importgenehmigung ausgesetzt werden, so der Verband.
Im Juli 2022 wurde bekannt, dass ein Richter in der argentinischen Provinz Buenos Aires den Anbau des HB4-Weizen der Firma Bioceres verboten hat. Hintergrund ist, dass Bäuer:innen, soziale Organisationen und Vertreter:innen indigener Völker gegen den Anbau des GV-Weizens geklagt hatten. Der Richter gab den Klägern Recht und begründete das Verbot damit, dass der Anbau des GV-Weizens „schwere und irreversible Schäden“ für die Umwelt und die menschliche Gesundheit verursachen könnte. Es gäbe die Gefahr von Auskreuzungen, zudem sei der GV-Weizen gegen das Totalherbizid Glufosinat resistent, das aufgrund von Gesundheitsgefahren in der EU verboten sei. Zudem sehe das argentinische Umweltrecht eine Aufgabenteilung zwischen Zentralregierung und Provinzen vor: Während die Zentralregierung die Kommerzialisierung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und Pestiziden zulassen könne – müssten zudem die Provinzen den Einsatz von GVO und Pestiziden auf ihrem Gebiet erlauben. Diese seien laut Verfassung für den Schutz ihrer natürlichen Ressourcen zuständig. Entsprechend müsse eine Kommission für landwirtschaftliche Biotechnologie und biologische Sicherheit einberufen werden, um mögliche Auswirkungen des Anbaus zu untersuchen, verlangte der Richter. Dies betroffene Provinz rund um die Hauptstadt Buenos Aires gehört zu den wichtigsten Weizenanbaugebieten Argentiniens. Die Klägeranwälte überlegen nun, auch in anderen Provinzen vor Gericht zu ziehen.
Gerne argumentiert Bioceres aber auch das argentinische Landwirtschaftsministerium damit, dass man nun GV-Weizen brauche, um die Weizenlücke durch den Ukraine-Krieg zu füllen. Dem widersprechen eine Welt-Organisationen wie Brot für die Welt. Stig Tanzmann, Referent für Landwirtschaft, erklärte dazu: „Weizen allein ist nicht geeignet, um den Hunger in der Welt zu stoppen. Der starke Fokus auf Weizen in der momentanen Krise lenkt völlig davon ab, dass Weizen in vielen Staaten Afrikas aus klimatischen Gründen nicht angebaut werden kann und die Weizenimporte die dortige Ernährungssouveränität untergraben. Was die Staaten dort brauchen, ist Unterstützung bei der Produktion lokaler Nahrungsmittel. Gentechnik-Weizen aus Argentinien wird hier keine Lösung bringen.“