Scheitern der Tierwohlkennzeichnung im Bundestag erfolgt für Ökoverbände und Tierschutzbund zu Recht
Das Scheitern des von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner angestrebten Tierwohlkennzeichnungsgesetzes im Bundestag bedeutet, dass es ein entsprechendes Tierwohllabel in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben wird. „Zu Recht“, heißt es dazu vom Tierschutzbund und Bioland sieht den „Fehler bereits im Ansatz“.
Bereits im Vorfeld des sich abzeichnenden Endes eines Tierwohllabels in dieser Legislaturperiode bei der Abstimmung im Bundestag hatte Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), erklärt: „Das nicht zu Ende gedachte ‚Tierwohllabel‘ des BMEL scheitert zurecht. Weder Bäuerinnen noch der Handel wollen das Label. Die freiwillige Kennzeichnung bringt keine ausreichende Transparenz oder Klarheit für Kunden. Was gar nicht geht, war der Plan, Schweinefleisch staatlich mit „Tierwohl“ zu labeln, bei dem den Tieren der Ringelschwanz abgeschnitten wurde. Eine Kennzeichnung von Fleisch funktioniert dann, wenn sie verpflichtend ist. Ebenso wichtig ist es, dass jede Fleischpackung zeigt, wie das Tier gehalten wurde. Was die Kundinnen und Kunden mit 0-1-2-3 beim Ei gelernt haben, muss jetzt auf ein Label für Fleisch übertragen werden. Dabei muss Bio fester Teil der Kennzeichnung sein.“
Bioland: Geplantes Label grenzte an Verbrauchertäuschung
Auch für Gerald Wehde, Bioland-Leiter Agrarpolitik, scheitern die Labelpläne „zu Recht, denn Klöckners Labelkonzept setzte auf Freiwilligkeit, bot wenig Tierwohl, grenzte Ökobetriebe aus und bezog sich vorerst nur auf Schweine. Zudem umfasste es viele Kriterien, die besser gesetzlich für alle Tiere zu regeln wären.“
Die Kriterien für die Schweinhaltung wurden in drei Labelstufen festgelegt, die alle mehr Tierwohl garantieren sollten. Diesem Anspruch seien die Kriterien jedoch nie gerecht geworden. Vielmehr grenzte das geplante Label an Verbrauchertäuschung und hätte genau das, was es dem Namen nach versprach, nicht gebracht: mehr Tierwohl.
„So sollte in der Einstiegsstufe des Labels das Schwänzekupieren der Schweine weiterhin erlaubt bleiben – obwohl es nach den Vorgaben der EU seit mehr als zehn Jahren verboten ist. Gleiches gilt für die Haltung der Schweine auf Beton-Vollspaltenböden, die in der Einstiegsstufe weiterhin möglich gewesen wäre“, so Wehde.
Eine zentrale Schwäche des Klöckner-Labels liege zudem im Ansatz: in der Freiwilligkeit. „Dadurch wäre nur ein kleiner Teil des Sortiments überhaupt gelabelt worden. Eine transparente Kennzeichnung von Fleisch funktioniert aber nur dann, wenn sie verpflichtend ist und Verbraucher*innen beim Einkaufen höherwertiges Fleisch oder Biofleisch vom gesetzlichen Mindeststandard unterscheiden können“, erklärt der Bioland-Vertreter, der einen weiteren Knackpunkt sieht: „Klöckners Labelpläne grenzten die ökologische Tierhaltung aus. Steckt dahinter etwa eine ideologische Motivation? Denn warum sonst sollten mehr als 20.000 Biotierhalter*innen in Deutschland von vornherein von einem Kennzeichnungssystem ausgeschlossen werden? Schließlich praktizieren sie bereits die höchsten Standards der artgerechten Tierhaltung. Klöckner arbeitete damit aktiv gegen den Ausbau des Biolandbaus und ignorierte die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, die einen Bio-Flächenanteil von aktuell rund 10 auf 20 Prozent bis 2030 vorsieht.“
Gesamtkonzept für umwelt- und klimagerechte Tierhaltung nötig
Die künftige Bundesregierung muss nach Ansicht von Bioland nun den Reset-Knopf drücken und ein stimmiges Gesamtkonzept zum Umbau der Tierhaltung umsetzen. Gelingen werde dies nur durch einen Mix aus gesetzlichen Regelungen, einer klaren, verpflichtenden Kennzeichnung mit Bio als eigener Stufe und gezielter, verlässlicher Förderung von Betrieben, die den Tieren ein artgerechtes Leben ermöglichen. Nur eine Anhebung des gesetzlichen Standards garantiere zudem, dass sie allen Tieren zugutekommt. Denn Tierwohl sei nicht optional, sondern Grundbedingung für eine ethische und verantwortungsvolle Landwirtschaft.
„Gesamtkonzept bedeutet aber auch, den Blick nicht isoliert auf das Tierwohl zu richten. Anforderungen einer umwelt- und klimagerechten Landwirtschaft müssen von vorherein integriert werden. Dazu gehört neben verschärften Auflagen, dass Fördergelder – also unsere Steuern – nur noch auf Betriebe mit flächengebundener Tierhaltung fließen. Denn die Gülleflut und Überdüngung durch industrielle Tierhaltung muss eingeschränkt werden. Auch für den Um- und Neubau der Ställe und die Honorierung der Tierhalter*innen mit hohen Tierwohlstandards braucht es viel Geld. Berechnungen gehen von jährlich 3-4 Milliarden Euro aus. Dafür ist ein Finanzierungssystem einzuführen, welches Biofleisch nicht verteuert, sondern für Verbraucher*innen günstiger macht. Der Preis für Fleisch auf dem gesetzlichen Mindeststandard muss dagegen deutlich steigen, denn die Umweltfolgekosten der industriellen Tierhaltung sind enorm. Dazu zählen zum Beispiel verschmutztes Grundwasser wegen Überdüngung oder die klimaschädliche Regenwaldrodung durch Futterimporte“, erklärt Wehde.
TSchB: Scheitern geht allein auf das Konto von Klöckner
„Dass die Große Koalition bei der Einführung des im Koalitionsvertrag angekündigten staatlichen Tierwohlkennzeichens versagt hat, geht allein auf das Konto von Julia Klöckner“, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Als verantwortliche Bundesministerin habe sie mit zu wenig Ehrgeiz ein Kennzeichen vorgelegt, das bis zuletzt völlig unausgegoren war und das aufgrund seiner unzureichenden Kriterien, speziell in der ersten Stufe, den Namen Tierschutz nicht verdient. „Von Beginn an war klar, dass dieses schwache freiwillige Label kein Vertrauen und keine Akzeptanz findet. Aus Tierschutzsicht und zu Recht auch von Seiten des Koalitionspartners konnte dieser Entwurf keine Zustimmung finden. Dies wäre einem Verrat am Staatsziel Tierschutz gleichgekommen. Sogar der Bundesrechnungshof empfahl, eine Einführung nicht weiter voranzutreiben. Damit hat Klöckner das staatliche Tierwohlkennzeichen selbst krachend vor die Wand gefahren“, so Schröder.
Sich jetzt unter anderem damit herauszureden, dass der Handel schon vorangegangen sei und damit ein Label neu gedacht werden müsse, so wie die CDU/CSU-Vizefraktionsvorsitzende Gitta Connemann argumentiert, ist für Schröder „ein halbherziger und unglaubwürdiger Versuch der Schuldverschiebung“. Es sei die Aufgabe einer Bundesministerin, den ordnungsrechtlichen Rahmen nach gesellschaftlich gewünschten und notwendigen Veränderungen auszurichten - und nicht, diese Aufgabe in die Freiwilligkeit abzuschieben.