Polnische Ratspräsidentschaft treibt Deregulierung der neuen Gentechniken voran

Die aktuelle polnische Ratspräsidentschaft, die eigentlich als gentechnikkritisch galt, hat innerhalb von 6 Wochen drei (!) Vorschläge gemacht, anscheinend mit dem Ziel schnell einen Kompromiss zu finden und den sehr strittigen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zu neuen Gentechniken voranzutreiben. Die Vorschläge der polnischen Ratspräsidentschaft adressieren lediglich die Patentproblematik – zeigen aber keine wirksamen Lösungen auf. Trotzdem soll es bereits an diesem Freitag von den Attachés (beamteten Vertretern der Mitgliedstaaten) in einer Sitzung diskutiert werden und ggf. soll es eine Probeabstimmung geben, um zu sehen, ob es eine potenzielle Einigung zu diesem Vorschlag gibt. Zu befürchten ist, dass dann kurze Zeit später der sog. COREPER offiziell die Positionierung des EU-Rates abstimmt – und dann der Trilog zum Gesetzesvorschlag beginnen kann. Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sind die polnischen Vorschläge und der gesamte Gesetzesvorschlag zu NGT-Pflanzen abzulehnen, da weder die Patentproblematik gelöst noch die Gentechnikfreiheit für konventionelle und ökologisch wirtschaftende Betriebe gesichert wird.

Patent-Vorschläge komplett unzureichend

Bereits am 7.01.2025 hat die polnische Ratspräsidentschaft einen Vorschlag zum weiteren Umgang mit dem stark kritisierten Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zu NGT-Pflanzen vorgelegt. Ein weiterer folgte am 6.02. und aktuell am 19.02. Alle drei Vorschläge liegen der AbL vor – und alle drei wurden von ihr analysiert. Feststellbar ist, dass alle drei Vorschläge lediglich die Patent-Problematik adressieren. Die Vorschläge waren allerdings schon im ersten polnischen Vorschlag viel zu schwach, um die Patentproblematik anzugehen, so eine Bewertung der AbL und IG Saatgut (link). Die beiden Folgevorschläge schwächen die Maßnahmen immer weiter ab und zeigen eine große Offenheit für die Argumentation der Patentbefürworter, so die AbL-Bewertung des 2. Polnischen Vorschlags (link) und die Bewertung des aktuellen 3. Vorschlags (link).

Wollte Polen anfangs noch am Saatgut kennzeichnen, wenn es Patente auf NGT-Pflanzen der Kategorie 1 gibt, so soll es jetzt lediglich Eintragungen in der vorgesehenen NGT-1-Datenbank geben. Die Antragsteller müssen beim Anbau (oder sollen bei Freisetzungen) lediglich Erklärungen zum Patentstatus abgeben - nach bestem Wissen und Gewissen - oder eine Erklärung, dass keine Patente existieren oder angemeldet sind. Zudem können die Antragsteller eine schriftliche Erklärung des Patentinhabers einreichen, dass dieser „gerechte“ Lizenzerklärungen erstellen will. Was gerecht sein soll, bleibt offen. Klargestellt wird jedoch im polnischen Vorschlag, dass die Patentinformationen und Lizenzerklärungen nur deklaratorischen Wert haben und nicht nachgeprüft werden. Mittels Leitlinien sollen v.a. den Nutzer:innen von NGT-Pflanzen Informationen zur Verfügung gestellt werden, die sie bei der Orientierung in der Patent-Landschaft unterstützen sollen. Genannt werden verfügbare Lizensierungsplattformen, öffentliche Einrichtungen und bestehende Datenbanken. Nach dem dritten Vorschlag soll die EU-Kommission zudem Informationen an Wirtschaftsbeteiligte veröffentlichen, die die Chancen der neuen Gentechnik-Verfahren darstellen und wie sie davon profitieren können. In diesen Informationen sollen jedoch nicht die Risiken durch NGTs für die Umwelt oder die Wirtschaftsbeteiligten aufgeführt werden, wenn sie ungeprüfte NGTs auf den Markt bringen oder zu ungeklärten Haftungsfragen.

AbL fordert den EU-Rat auf, die polnischen Vorschläge und des gesamten NGT-Gesetzesentwurf abzulehnen

Aus bäuerlicher Sicht sind die polnischen Vorschläge komplett unzureichend, da sie keine wirksamen Lösungen aufzeigen, um die Patentierung und deren Folgeprobleme zu stoppen. Zudem werden die anderen strittigen Knackpunkte des Gesetzesvorschlags der EU-Kommission nicht adressiert. Deshalb fordert die AbL den EU-Rat auf, sowohl die polnischen Vorschläge als auch den Gesetzesvorschlag in Gänze abzulehnen.

Ein gemeinsames Positionspapier bäuerlicher und konventioneller Verbände zeigt die Mindestanforderungen auf, die die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, die IG Nachbau und die Katholische Landvolkbewegung an eine nötige Regulierung auch von neuen Gentechnik-Pflanzen stellen, um die gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung – konventionell und ökologisch – und das EU-Vorsorgeprinzip zu sichern (link).

Um die Patentproblematik wirksam zu lösen und Rechtssicherheit zu schaffen fordert die AbL in einem ersten Schritt die Durchsetzung bestehender Patentverbote im Bereich der „im Wesentlichen biologische Verfahren“, die die Zufallsmutagenese einschließen müssen. Es braucht eine klare Eingrenzung von Patenten auf die Verwendung von Gentechnik-Verfahren. Dies ist unmittelbar von den Mitgliedsstaaten anzugehen. Patente auf NGT-Pflanzen sollten durch die Änderung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) verboten werden. Dazu müsste sich die EU für die Einberufung einer diplomatischen Konferenz aussprechen, um das internationale Recht entsprechend zu ändern. Behelfsweise sollten Patente nur für die direkte NGT-Pflanzen gelten – und nicht auf deren Produkte oder Eigenschaften. Grundsätzlich behindern Patente den freien Zugang zu Saatgut. Diesen ungehinderten und freien Zugang gilt es aber zu gewährleisten, um eine breite und vielfältige Züchterlandschaft in Europa aufrechtzuerhalten.

Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL