Özdemir stellt Bio-Strategie 2030 vor

Am 16. November hat der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die im Koalitionsvertrag der Ampel beschlossene und nun ausgearbeitete „Bio-Strategie 2030“ vorgelegt. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und Bioverbände begrüßen die Strategie, mahnen jedoch an, dass die in der Strategie formulierten Ansätze ihren Weg in die Umsetzung finden müssen, in den Umbau der der Land- und Lebensmittelwirtschaft investiert werden muss und alle Ministerien mit anpacken. Warum die Bio-Strategie nicht zu 30 Prozent Bio führen wird, wird in einem Kommentar von BioHandel, dem Fachmedium der Bio-Branche, erklärt.

Mit der jetzt vorgelegten Bio-Strategie verfolgt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) das Ziel, entlang der gesamten Wertschöpfungskette – also von der Betriebsmittelbereitstellung über die Erzeugung und Verarbeitung bis hin zum Handel und Konsum – die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen und bestehende Hürden zu beseitigen, damit bis zum Jahr 2030 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland ökologisch bewirtschaftet werden können.

Dabei gilt es laut BMEL, die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft qualitativ weiterzuentwickeln. So könnten die Krisenfestigkeit und die Produktionspotenziale des Öko-Landbaus besser ausgeschöpft und seine wissenschaftlich belegten gesellschaftlich relevanten Umweltleistungen erhöht werden. Angestrebt wird eine ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft, die mit ihrer Innovationskraft substanziell zur nachhaltigen Entwicklung der gesamten Ernährungs- und Landwirtschaft beiträgt. Dazu gehört auch, konventionellen Unternehmen eine Entwicklungsperspektive aufzuzeigen und die Innovationen der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft allen Wirtschaftsbeteiligten zugänglich zu machen, so das BMEL.

Die Bio-Strategie 2030 stellt laut Ministerium vier zentrale Ansatzpunkte in den Vordergrund:

  • Gesellschaftliche Leistungen der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft besser honorieren.
  • Die Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln unterstützen und ihren Anteil in der Außer-Haus-Verpflegung steigern.
  • Forschung, Wissenstransfer, Datenverfügbarkeit und Infrastruktur für die ökologische Lebensmittelkette stärken.
  • Lösungen für bürokratische Herausforderungen erarbeiten.

Die wichtigsten Inhalte der Bio-Strategie 2030

Mit insgesamt 30 Maßnahmen zeigt die Bio-Strategie 2030 laut BMEL Wege auf, wie das BMEL gemeinsam mit allen entscheidenden Stakeholdern bestehende Hemmnisse abbauen kann. Mit den Maßnahmen würden neue, wichtige Impulse zur nachhaltigen Stärkung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft gesetzt – entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Einige zentrale Maßnahmenbereiche sind laut BMEL:

  • Erzeugung stärken durch eine starke ökologische Züchtung, eine auf ökologische Wirtschaftsweise ausgerichtete Forschung, Beratung und Betriebsmittelbereitstellung.
  • Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete ökologische Verarbeitungsunternehmen fördern und damit Bio-Wertschöpfungsketten u. a. in ländlichen Regionen stärken.
  • Bio-Außer-Haus-Verpflegung vor allem in der Gemeinschaftsverpflegung ausbauen.
  • Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) an den Zielen Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz sowie Vorzüglichkeit der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft ausrichten.
  • Kommunikation und Bildung zur ökologischen Wirtschaftsweise ausbauen.
  • Kohärenten Rechtsrahmen schaffen.
  • Methoden des ökologischen Landbaus als eine Handlungsoption für den globalen Süden für das Erreichen des Menschenrechts auf angemessene Nahrung nutzbar machen.

BÖLW begrüßt Bio-Strategie 2030 

Auf der zeitgleich zur Vorstellung der Bio-Strategie tagenden Mitgliederversammlung des BÖLW wurde die folgende Stellungnahme zur Bio-Strategie veröffentlicht.
“Es ist richtig, dass die Bundesregierung den Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft mit dem Ziel 30 Prozent Bio bis 2030 auf der Fläche und im (Bio-) Handelsregal vorantreibt. Mit Bio als zentralem Baustein kann der Plan gelingen, die Weichen für eine enkeltaugliche Land- und Lebensmittelwirtschaft zu stellen. Eine nachhaltige und vor allem erfolgreiche Transformation gelingt jedoch nur gemeinsam: mit Bäuerinnen und Bauern und den Lebensmittelunternehmen – also der gesamten Bio-Wertschöpfungskette! Auch deswegen involvierten sich etliche Bio-Akteure und brachten ihre Vorschläge und Ideen in die Entwicklung der Bio-Strategie ein. 

Denn Bio ist die unmittelbare und funktionierende Antwort auf die großen Herausforderungen. Mit seiner Kreislaufwirtschaft schafft Bio eine größere Unabhängigkeit von fossilen Energien und den daraus hergestellten synthetischen Düngemitteln, die zuletzt verstärkt aus Russland oder Katar importiert wurden. So wird mit Bio unsere Ernährung sicherer, unabhängiger und klimafreundlicher. Bio sorgt für Artenvielfalt, fruchtbare Böden, saubere Gewässer und artgerechte Tierhaltung. Damit auch künftige Generationen gute und gesündere Lebensmittel produzieren können. Zudem sorgt Bio für Resilienz durch seine regional orientierten Betriebe der Wertschöpfungskette. Die BÖLW-Mitglieder begrüßen die im Rahmen der Strategie geplante Informationsoffensive, die am 20. November 2023 startet. Sie informiert Verbraucherinnen und Verbraucher über die gesellschaftlichen Leistungen des Öko-Landbaus und über die Vorteile nachhaltigerer und vor allem geschmackvollerer Bio-Lebensmittel.

Damit noch mehr Betriebe der Land- und Lebensmittelwirtschaft dazu beitragen können, unser Ernährungssystem zukunftsfähig zu machen, müssen nun auch die Ressourcen der Bundesregierung auf das 30 Prozent Bio-Ziel bis 2030 ausgerichtet werden. Noch immer wird kaum in die Bio-Forschung investiert. Beim Thema EU-Gentechnikregulierung muss sich die Bundesregierung für Wahlfreiheit und gentechnikfreie Lebensmittel einsetzten. Ebenso für konsequente Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie. Auch ist die EU-Agrarpolitik nicht konsequent auf das Bio-Ziel ausgerichtet.

Wichtig ist nun, dass alle Ministerien mit anpacken: Das Forschungsministerium mit maßgeschneiderten Öko-Forschungsprogrammen, um die Innovationskraft von Bio zu stärken; das Wirtschaftsministerium mit passender Förderung für starke regionale Wertschöpfungsketten, das Umweltministerium mit Konzepten, die das volle Umweltleistungspotenzial von Bio heben, das Verteidigungsministerium durch Bio-Verpflegung für die Bundeswehr und nicht zuletzt muss das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Bio in allen Gesetzgebungsverfahren – von der GAP bis zur Kennzeichnung – einplanen.

Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) attestiert dem Öko-Landbau eine hohe Innovationskraft sowie eine systemübergreifende Technologieoffenheit. Denn ob standortangepasste Fruchtfolgen, Nährstoffmanagement, mechanische Unkrautbekämpfung oder Mobilstallhaltung: Über 55.000 Bio-Betriebe in Deutschland zeigen jeden Tag auf dem Feld, im Stall und bei der Lebensmittelverarbeitung und im Handel, dass Pioniergeist und zukunftsgerichtete, praktische Konzeptentwicklungen tief in der Bio-DNA verankert sind.“

30 Prozent werden nicht erreicht

Cem Özdemirs Bio-Strategie 2030 wird Bio in Deutschland voranbringen. 30 Prozent werden mit ihr aber nicht erreicht werden – auch deshalb nicht, weil das Thema Bio den Regierungspartnern der Grünen teilweise völlig egal ist. Ds erklärt Leo Frühschütz in einem Kommentar des Fachmediums BioHandel. Auch wenn der Minister bei der Präsentation betont habe, dass er alle relevanten Ressorts hinter sich habe: „Die Bio-Strategie ist nur eine des Ministeriums und nicht der ganzen Regierung. Der FDP und großen Teilen der SPD ist Bio völlig egal – und das merkt man dieser Strategie an“, so Frühschütz.

Mit Blick auf die vom BÖLW erwähnten Ministerien, die jetzt mit anpacken müssten, heißt es in dem Kommentar: „Vergessen hat der BÖLW den Bundesfinanzminister, der etwa die Mehrwertsteuer für Biolebensmittel auf Null setzen könnte.“

Doch solche und andere großen Hebel wolle die Regierung nicht in Bewegung setzen und habe das auch nie gewollt.  Deshalb seien die zusammengestellten Maßnahmen weitgehend auf den Tätigkeitsbereich des Ministeriums beschränkt. Diese oft sehr kleinteiligen Maßnahmen seien hilfreich und würden Bio voranbringen – aber nicht auf 30 Prozent. „Denn sie setzen lediglich die 2017 aufgesetzte Zukunftsstrategie ökologischer Landbau fort und werden weiterhin weitgehend über das Bundesprogramm Ökolandbau finanziert. Das wird für 2024 leicht aufgestockt, doch der finanzielle Spielraum für die Strategie bleibt beschränkt und ist angesichts knapper Kassen grundsätzlich kürzungsanfällig“, erklärt Frühschütz und verweist auf geplante Kürzungen im Fördertopf der GAK (Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz). Dort soll der Sonderrahmenplan für „Maßnahmen des Ökolandbaus und der Biologischen Vielfalt“ mit bisher 175 Millionen Euro komplett wegfallen. Das gefährde zahlreiche Agrarumweltprogramme, von denen auch Ökolandwirtschaftsbetriebe profitierten.

Der eigentliche Grund für diese Streichung sieht Frühschütz in der fehlenden Strategie der Bundesregierung. Sie hätten sich bei der Haushaltsplanung für 2024 nicht auf Prioritäten einigen können und deshalb mussten alle Ministerien ihren Etat mit dem Rasenmäher kürzen. Im Agrarhaushalt fließen zwei Drittel der Gelder in die sozialen Sicherungssysteme und können nicht angetastet werden. Deshalb, so der Kommentar, griff Özdemir zum Sparen in den GAK-Topf und konterkarierte damit seine eigene Bio-Strategie.