Nicht bei notwendigen Dürrehilfen stehen bleiben
Auf Grundlage der Erntezahlen und der Schadensmeldungen der Länder hat Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner die Entwicklung im Zusammenhang mit der Trockenheit „als außergewöhnliches Wetterereignis von nationalem Ausmaß“ eingestuft. Dies ist laut Klöckner die Voraussetzung dafür, dass sich der Bund an Hilfsmaßnahmen der - in erster Linie zuständigen - Länder beteiligen könne. „Die genauen Modalitäten eines gemeinsamen Bund-Länder-Programms verhandeln wir aktuell mit den Bundesländern“, teilte die Ministerin mit. Klöckner sagte auf ihrer Pressekonferenz in Berlin Hilfen in Höhe von 340 Mio. Euro für „bedürftige“ Betriebe zu, die sich Bund und Länder teilen sollen.
In einer ersten Reaktion fordert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) die Verantwortung aller Marktpartner ein, von denen in der Pressekonferenz nicht die Rede war, und eine konsequente Klimaschutzpolitik.
„Die heute von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen für die von der Trockenheit betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe ist der Versuch, die größten Schäden und Einkommenseinbußen abzumildern“, kommentiert der Bundesgeschäftsführer Georg Janßen das Angebot der Ministerin, um gleich hinzuzufügen, dass schon jetzt bei vielen Betroffenen klar sei, dass dies nicht reichen wird. „Wir Bauern brauchen gezielte Hilfen und organisieren mit Selbsthilfemaßnahmen z.B. den Austausch von Futter. Wo bleibt in der Krisensituation die Verantwortung der Molkereien, Schlachthöfe, des Getreidehandels und des Lebensmitteleinzelhandels? Über faire Preise ließe sich die existenzgefährdete Situation kurzfristig in den Griff bekommen. 32 Cent für den Liter Milch, 1,47 Euro für das Kilo Schweinefleisch – das ist verantwortungslos“, sagt Janßen. „Wir Bauern wissen aber auch: Natur lässt sich nicht beherrschen. Wo bleibt die Verantwortung der Politik? Wir Bauern brauchen den Klimaschutz und deshalb auch eine Landwirtschaft und eine Agrarpolitik, die das Klima schont und schützt. Wo bleibt eine konsequente Klimaschutzpolitik? Um diese Antwort kommen die Bundesregierung und die Bundeslandwirtschaftsministerin bei der aktuellen Diskussion um die europäische Agrarreform nicht herum“, erklärt der AbL-Bundesgeschäftsführer.
Der BUND will den Bauern nicht nur kurzfristig helfen. „Die kurzfristigen Finanzhilfen für die betroffenen Agrarbetriebe sind zu begrüßen. Um den Bauern nicht nur kurzfristig zu helfen, sondern die Betriebe vor zukünftigen Schäden zu bewahren, müssen Steuermittel für den Umbau zu einer umweltfreundlichen und klimaschonenden Landwirtschaft genutzt werden“, kommentiert Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Bereits heute wird, so der BUND, sehr viel Geld für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume ausgegeben: Während der laufenden Förderperiode fließen innerhalb von sieben Jahren 44 Milliarden Euro aus den Töpfen der EU-Agrarpolitik nach Deutschland. Davon würden fast fünf Milliarden Euro jährlich als pauschale Flächenprämien an die Agrarbetriebe ausgeschüttet, ohne dass diese Gelder an konkrete Leistungen in den Bereichen Umwelt, Tierwohl oder Klimaschutz gebunden seien. „Dieses Geld muss in Zukunft sinnvoller verteilt werden“, erklärt Weiger.
Der BUND fordert, dass den dürrebedingten Soforthilfen jetzt eine ambitionierte Reform der EU-Agrarpolitik folgt. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner müsse sich für eine klare ökologisch-soziale Wende in der Agrarpolitik einsetzen. Die pauschalen Flächenprämien müssten abgeschafft und umweltfreundliche Betriebe unterstützt werden. „Es ist notwendig, instabile und anfällige Hochleistungssysteme in der Landwirtschaft zu ersetzen durch agrarökologische Anbaumethoden, die Bäuerinnen und Bauern eine Zukunft bieten und unsere Ernährung sichern. Mit den Milliarden der EU-Agrarpolitik könnte bereits ab 2021 mit dem Umbau begonnen werden“, so der BUND-Vorsitzende.
Auch der Sprecher für Agrarpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Friedrich Ostendorff begrüßt die angekündigten Hilfen für die betroffenen Betriebe, sieht aber auch die Molkereien und den Lebensmittelhandel gefordert. Diese Krise mache aber auch deutlich, dass die Probleme tiefer liegen.
„Es sind gleichermaßen die Auswirkungen der Klimakrise und der strukturellen Ungleichgewichte auf den Agrarmärkten als auch die ungleiche Marktmacht in der Wertschöpfungskette. Die landwirtschaftlichen Betriebe müssen einerseits ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Marktkrisen und Klimaextremen durch eine hohe betriebliche Diversität und Qualitätsprodukte ausbauen. Andererseits müssen die schweren strukturellen Probleme vor denen wir stehen, dringend politisch angegangen werden“, sagt Ostendorff und benennt zwei Punkte: „Wir brauchen eine grundsätzliche Neuausrichtung der Landwirtschaft und müssen auf klimaangepasste landwirtschaftliche Systeme umsteigen, die besser an Wetterschwankungen und -extreme angepasst sind und gleichzeitig einen geringeren Beitrag zu klimaschädlichen Emissionen leisten“ und „wir brauchen kostendeckende Erzeugerpreise und eine Umstellung der Landwirtschaft auf mehr Regionalität und Qualität, statt auf Massenproduktion für den Weltmarkt zu Lasten von Klima, Umwelt und bäuerlichen Existenzen“.
Von der Ministerin fordert er diesen Systemwechsel voranzutreiben und sich nicht auf den Dürrehilfen auszuruhen. „Das erfordert einen Klimaaktionsplan für die Landwirtschaft und die Förderung von regionalen, kurzkettigen Absatzwegen, des ökologischen Landbaues, neuer Sorten und Kulturpflanzen und einer angepassten und flächengebundenen Tierhaltung. Dies muss mit einer Neuausrichtung der Agrarpolitik verbunden sein. Agrargelder dürfen in Zukunft nur noch die Betriebe erhalten, die nachweislich gesellschaftliche Leistungen in den Bereichen Klima-, Umwelt-, Tier- und Naturschutz erbringen und so zu einer Lösung der globalen Probleme beitragen“, so Ostendorff abschließend.
Zu der Ermittlung der Höhe der Dürrehilfen erklärte die Ministerin: „Uns wurden Schadensmeldungen aus allen Bundesländern übermittelt. Es werden sich voraussichtlich 14 Länder an einem Bund-Länder-Programm beteiligen. Etwa jeder 25. landwirtschaftliche Betrieb in Deutschland ist betroffen. Die Meldungen beruhen auf Schätzungen. Natürlich kann der Staat nicht die kompletten Schäden eines betroffenen Betriebes übernehmen, es gibt keine Vollkaskoabsicherung. Sondern nur zu 50 Prozent werden wir bei den Betroffenen und Berechtigten den Schaden ausgleichen können, davon wiederum Bund und Länder je zur Hälfte. Auf dieser Grundlage gehe ich davon aus, dass mit einem Bedarf von Finanzhilfen aus öffentlichen Mitteln in Höhe von 340 Millionen Euro gerechnet werden muss. Daraus ergäbe sich ein Bedarf an Bundesmitteln von etwa 150 bis 170 Millionen Euro. Dies ist mehr als 2003, da mehr Regionen und Betriebe betroffen sind und die Förderhöhe eine andere ist.“
Die folgenden Eckpunkte sind dabei für die Ministerin entscheidend:
1. Antragsberechtigt sind Betriebe mit einem Naturalertragsrückgang um mindestens 30% im Vergleich zu den Vorjahren.
2. Ein finanzielles Engagement des Bundes kann es nur geben für existenzgefährdete Betriebe. Wir brauchen daher eine entsprechende Bedürftigkeitsprüfung.
3. Der Bund beteiligt sich zu 50 Prozent an dem gemeinsamen Hilfsprogramm von Bund und Ländern.
4. Die Hilfen sollen als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewährt werden.
Zum Hintergrund erklärt das Ministerium:
Die Ausgestaltung der Bund-Länder-Hilfsmaßnahmen wird der Bund in Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern abstimmen. Wichtig ist die Übereinstimmung mit den EU-rechtlichen Vorgaben für Beihilfen. Bis Mitte September sollen die Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern unterschrieben werden.
Es soll ein einheitliches Angebot an Hilfen für alle Betriebsformen im Rahmen eines Bund-Länder-Programms geben. Um Betrieben schnell helfen zu können, können die Länder Abschlagszahlungen in Betracht ziehen. Die Bedürftigkeitsprüfung ist in diesen Fällen nachzuholen. Die Länder können auch Anträge von Futterbaubetrieben bevorzugt bearbeiten/bescheiden.