„Mit Milchvermarktung beschäftigen wie mit der Ausstattung des neuen Treckers“

Interview mit Friedhelm Markert, dem Geschäftsführer der Nord-MEG, zu den Möglichkeiten der gemeinsamen Milchvermarktung

Unabhängige Bauernstimme: Was ist die Nord-MEG und wie arbeitet sie?

Friedhelm Markert: Die Norddeutsche Milcherzeugergemeinschaft w. V (Nord-MEG) ist als wirtschaftlicher Verein seit 2013 eine Dachorganisation für jeweils eigenständige Milcherzeugergemeinschaften (MEGs). Zur Zeit sind neun MEGs aus Niedersachsen, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen in der Nord-MEG zusammengeschlossen. Sie erzeugen und verkaufen zusammen etwa 287 Millionen Kilogramm Milch pro Jahr. Eine weitere Gruppe befindet sich gerade in der Gründungsphase – und es gibt mehrere Beratungsanfragen von Gruppen und einzelnen Milcherzeugern. Zweck der Nord-MEG ist es, die Milcherzeuger dabei zu unterstützen, ihre Milch bestmöglich zu vermarkten. Und wir beraten gerade auch bei der Gründung und bei rechtlichen Fragen.

Was für Beratungsthemen und Fragen stehen bei der Gründung einer MEG an?

Im Erstgespräch geht es zunächst um das das Wissen, was eine Milchvermarktung als MEG ist. Da kommen dann meist Fragen wie: Wie sieht das rechtlich aus? Wie laufen Vertragsverhandlungen, wie ist der Umgang mit den Milcherzeugern? Muss ich für andere haften? Die meisten Bauern und Bäuerinnen haben sich damit noch nie beschäftigt. Es kommen auch oft die Bedenken: Was ist, wenn die MEG sich auflöst – bleibt dann meine Milch stehen? Wer kümmert sich? Wie ist das, wenn ich als einziger im Dorf nicht mehr an die Genossenschaft liefere? Da müssen wir erst informieren und Vertrauen aufbauen, bis sich das für eine MEG-Gründung nötige Gefühl „Wir schaffen das“ einstellt. Der Milchmarkt ist komplex und vielen ist das lästig. Das ist schade, denn es geht um die eigenen Einnahmen. Ich sage immer: Wenn man sich einmal mit der Milchvermarktung so auseinandersetzt wie mit der Kabinenausstattung des neuen Treckers, dann ist man schon einen großen Schritt weiter.

Wir empfehlen dann die Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins. Dazu sind mindestens sieben Leute nötig. Und es stellt sich die Frage nach der Art der Vermarktung: Entweder verhandelt die MEG mit einer oder mehreren Molkereien Lieferverträge über Milchmengen und -preise für eine bestimmte Laufzeit. Oder die Gruppe entscheidet sich für die selbständige Vermarktung. Wichtig ist in jedem Fall ein aktiver Vorstand. Meist sind es drei oder vier Leute, die aktiv sind und sich intensiv mit der Thematik beschäftigen.

Was ist der Unterschied zwischen Molkereiverträgen und eigenständiger Milchvermarktung?

Bei den klassischen Lieferbeziehungen, wie sie bei den meisten MEGs üblich sind, läuft die Logistik und die Abrechnung über die abnehmende Molkerei. Der Vertragspreis setzt sich dann meist zusammen aus einem der veröffentlichten Durchschnittspreise und einem ausgehandelten Zuschlag. Mehr und flexiblere Vermarktungsmöglichkeiten tun sich auf, wenn die MEG in die Direktvermarktung einsteigt. Dabei wird es aber auch komplexer: Die MEG organisiert die Milcherfassung ihrer Mitglieder ebenso wie die Milchgeldabrechnungen selbst. Als Händler müssen dann Spezifikationen für die Ware Rohmilch vorliegen, d. h. wir brauchen die Analysewerte. Außerdem spielen auf dem Markt verschiedenste Standards eine Rolle – erfüllen beispielsweise alle MEG-Mitglieder die Kriterien der Tierhaltungsstufe drei? Von wem wurden sie zertifiziert und bekommen sie als Betrieb die Zertifikate oder liegen die bei der Molkerei? Wichtig ist es, in einem erfahrbaren Rahmen einen Milchlastzug voll zu bekommen. Dann lässt sich sehr flexibel und breit aufgestellt vermarkten: mit mehreren Käufern, unterschiedlichen Vertragslaufzeiten, zusätzlichen kurzfristigen Abnehmern.

Welche Unterstützung bietet die Nord-MEG bei der Vermarktung?

Wir vermitteln z. B. das Know-how zu unterscheiden, wie sich die Milchauszahlungspreise zusammensetzen. Weil alle über „den Milchpreis“ reden, jede Molkerei aber ihr eigenes Abrechnungsmodell hat, muss man die genannten Preise immer hinterfragen und sauber runterbrechen. Nur dann ist ein transparenter Vergleich möglich: netto oder brutto, Grund- oder Auszahlungspreis, welche Fett- und Eiweißgehalte werden zugrunde gelegt, welche Zuschläge, Prämien oder Abzüge kommen hinzu oder sind einberechnet? Das ist sehr komplex und es ist meine Aufgabe, da Licht ins Dunkel zu bringen. Außerdem haben wir hier die nötigen Formblätter, kennen die Abrechnungsmodelle, prüfen die Verträge und können die Milchgeldabrechnung durchführen. Für die Vertragsverhandlungen holen wir Angebote ein, legen diese der MEG zur Diskussion und Auswahl vor und übernehmen die Verhandlung mit den Käufern. Oder wir geben den Milcherzeugern im Vorfeld Hilfestellungen und versorgen sie mit den wesentlichen Informationen, wenn diese die Verhandlungen selbst führen wollen. Dazu gehört z. B. ein aktueller Marktspiegel und der Einblick in vergleichbare Verträge, die andere MEGs abgeschlossen haben.

Wie sehen Sie die geplante Vertragspflicht auf Grundlage des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktordnung der EU (GMO)?

Ich hoffe, dass nun endlich die ausnahmslose Vertragspflicht mit konkreten Mengen und Preisen politisch umgesetzt wird. Da wir den Artikel 148 GMO schon erfolgreich leben, können wir nur hoffen, dass dieses wichtige Marktinstrument nicht durch verkrustete Denkstrukturen und falsch verstandenen Lobbyismus auf dem Weg in die Umsetzung weichgespült wird. Eine Verankerung in allen Strukturen des Milchmarktes hätte deutliche Auswirkungen auf die Stärkung der Position der Milcherzeuger.

Vielen Dank für das Gespräch!