Menschenrechte in der Lieferkette und der Fleischindustrie

Das Deutschen Institut für Menschenrechte legt jährlich einen Bericht an den Deutschen Bundestag über die Lage der Menschenrechte in Deutschland vor. Im jüngsten Bericht „Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Juli 2017 – Juni 2018“ wird als Problemfeld unter anderem auch die Fleischindustrie genannt. In der jetzt im Bundestag erfolgten Beratung spielt die Berücksichtigung von Menschenrechten in der Lieferkette eine zentrale Rolle. „Ich erfahre in Diskussio­nen in anderen Ländern, aber auch bei der Staatenprüfung in Genf – einige Kollegen aus dem Haus waren dabei – immer wieder, dass man die Situation in anderen Ländern nur dann glaubwürdig kritisieren kann, wenn man auch bereit ist, im eigenen Land hinzuschauen, wo es Proble­me gibt, und zu Verbesserungen beizutragen“, erklärt im Bundestag die SPD-Abgeordnete Bärbel Kofler. Sie begrüßt „ausdrücklich, dass uns das Deutsche Institut für Menschenrechte wichtige Hinweise gibt, wo es Verbesserungsbedarf gibt: ob zum Beispiel bei den Arbeitsbedingungen für Arbeitsmigranten, wo es um den Missbrauch von Leih- und Werksverträgen geht – ich glaube, ein ganz relevantes Thema –, ob bei der Frage der Genehmigungspraxis bei Rüstungsexporten oder bei der Frage – ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt –, wie man in globalen Lieferketten Wirtschaft und Men­schenrechte zusammenbringen kann“. Ihrer Ansicht nach wissen „alle Kollegen, die jemals eine Reise in ein anderes Land gemacht haben und gesehen haben, wie durch Kinderarbeit, wie durch katastrophale Arbeits­bedingungen, wie durch Enteignung von Kleinbauern, von Besitzern kleiner Landparzellen menschenrechtlich schwerste Verletzungen entstanden sind“ und „dass wir bei den Fragestellungen Investitionen und Lieferketten ansetzen müssen, auch bei uns“. Da gehe es um eine Ver­schränkung von Innen- und Außenpolitik. Für die grüne Abgeordnete Margarete Bause geht es „um eine durchgängig menschen­rechtsorientierte Politik in allen Politikbereichen“. Zum Bereich Wirtschaft und Menschenrechte erklärt sie, dass die Expertinnen und Experten sich einig sind, „dass die Frei­willigkeit bei der Einhaltung der Menschenrechte ent­lang der Lieferkette gescheitert ist“, und verweist auf den von Entwicklungsminister Müller (CSU) vorgelegten Gesetzentwurf für ein „Sorgfaltspflichtgesetz“. Müller will damit die Einhaltung menschenrechtlicher Standards für Unternehmen entlang ihrer globalen Lieferketten notfalls erzwingen. Das sagte Müller im Bundestags-Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Bisher habe die Bundesregierung mit dem "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte" (NAP) auf das Prinzip Freiwilligkeit gesetzt. "Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel", zitiert das Nachrichtenportal heute im Bundestag (hib) Müller mit Blick auf die Erfahrungen mit dem von ihm initiierten Bündnis für nachhaltige Textilien. Laut Koalitionsvertrag tritt die Bundesregierung für "verbindliche soziale, menschenrechtliche und ökologische Standards in EU-Handels-, -Investitions- und -Wirtschaftspartnerschaftsabkommen" ein. Union und SPD haben sich aber auch darauf verständigt, den "Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte" im kommenden Jahr zu überprüfen. Sollte sich zeigen, dass freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen zur Beachtung menschenrechtlicher Standards in ihren Lieferketten nicht ausreicht, will sich die Bundesregierung laut hib für eine gesetzliche Regelung einsetzen, national und auch auf EU-Ebene. Von „schwerer Arbeitsausbeutung“ spricht der Bericht des Instituts für Menschenrechte mit Blick auch einen Teil der Arbeitsmigrant_innen in Deutschland. „Diese Menschen kommen aus Osteuropa, aber auch aus Ländern außerhalb der EU. Das genaue Ausmaß ist nicht bekannt. Beratungsstellen in Deutschland, die von Arbeitsausbeutung betroffene Menschen unterstützen, haben seit Jahren einen hohen Zulauf. Die Betroffenen klagen über Löhne weit unterhalb des Mindestlohns, Arbeitgeber_innen führen keine Sozialabgaben für sie ab. Zum Teil sind ihre Unterkünfte menschenunwürdig. Sie müssen eine Vielzahl unbezahlter Überstunden leisten und Arbeitgeber_innen halten sie mit Drohungen oder durch Gewalt davon ab, sich Hilfe zu suchen oder das Arbeitsverhältnis zu verlassen. Fälle von schwerer Arbeitsausbeutung sind aus vielen Branchen bekannt, beispielsweise der Baubranche, der Fleischproduktion, der Pflege oder der Prostitution“, heißt es in dem Bericht. Für sein Engagement für die Rechte von Werkvertragsarbeitern/Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie, gegen Lohndumping und schlechte Wohnverhältnisse ist kürzlich der katholische Geistliche Peter Kossen mit dem Vikar-Henn-Preis für Zivilcourage der Bürgerstiftung Cloppenburg ausgezeichnet worden. Jahrelang als Prälat im niedersächsischen Vechta, einer Hochburg der Fleischindustrie, aktiv, lebt und arbeitet er heute in Lengerich/Nordthein-Westfalen. Der mit 2.500 Euro dotierte Preis wurde erstmals in diesem Jahr verliehen. Ausgezeichnet werden Menschen, die sich im Alltag gegen Gewalt und Diskriminierung, für Menschenwürde und Gerechtigkeit eingesetzt haben. Die 2.500 Euro will Kossen dem neu gegründeten Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ spenden, der sich um die Belange der Werkvertragsarbeiter kümmern will.
24.02.2019