Laut der Expertengruppe des UN-Welternährungsrats
Committee on World Food Security (CFS) gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass sich die Corona-Pandemie zu einer Welternährungskrise ausweitet. Schon jetzt sind arme Bevölkerungsgruppen besonders betroffen. Darauf weist die Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland hin und sieht die Staatengemeinschaft in der Pflicht, globale Gegenmaßnahmen einzuleiten. Diese müssen nach Ansicht von FIAN vom Welternährungsrat koordiniert werden und das Menschenrecht auf Nahrung muss dabei handlungsleitend sein.
„Schon vor der Corona-Krise verschlechterte sich die globale Ernährungssituation. Die Hungerzahlen stiegen drei Jahre in Folge an. Nun könnte sich die Situation dramatisch verschärfen“, erklärt Roman Herre, FIAN-Agrarreferent, für den sich die Anzeichen für diese Verschärfung mehren: Durch landesweite Schulschließungen in aktuell 165 Ländern verlieren hunderte Millionen Kinder den Zugang zu regelmäßigen Schulmahlzeiten, alleine in Indien über 100 Millionen Schülerinnen und Schüler. Rund zwei Milliarden Menschen weltweit arbeiten im informellen Sektor, ohne Sozial- oder Gesundheitsversicherung. Einkommensverluste durch Ausgangssperren bedeuten für viele, kein Essen mehr kaufen zu können. Lokale Wochenmärkte werden geschlossen; diese sind für Kleinbäuer*innen oder Fischer*innen oft die einzige Möglichkeit, ihre Waren zu verkaufen. Sollten sie sich für Hybridsaatgut und Kunstdünger verschuldet haben, droht ihnen nun eine existentielle Krise; oftmals droht der Verlust von Ackerland und Haus.
Die mittelfristigen Auswirkungen für die globale Ernährungslage sind nach Ansicht von FIAN noch schwer einzuschätzen. Exportstopps – aktuell zum Beispiel der von Reis durch die großen Exportländer Vietnam und Kambodscha – erinnern an die Nahrungsmittelpreiskrise 2007/2008. Beschränkungen und Verzögerungen im globalen Frachtverkehr treffen besonders Nahrungsmittelimportländer sowie Landwirte, die stark von global gehandelten Agrarinputs wie Kunstdünger und kommerziellem Saatgut abhängen. Schon jetzt verschiebt sich laut FIAN in manchen Teilen von China die Aussaat. Zudem verlieren Landarbeiter*innen durch Reisebeschränkungen ihre oft überlebenswichtigen Einkommen; dies kann sich auch in Europa negativ auf den Anbau von Obst und Gemüse auswirken.
Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland ergänzt: „Nationale Alleingänge können die globale Ernährungssituation – besonders für arme und von Nahrungsmittelimporten abhängige Länder – verschärfen. Daher ist eine globale Koordinierung der Strategien und Maßnahmen dringend notwendig. Das Mandat dazu liegt beim Welternährungsrat CFS. Dieser muss nun alle Energie für koordinierte, auf dem Menschenrecht auf Nahrung basierende Antworten bündeln.“
Die Europäische Kommission erwartet eine tiefere Wirtschaftskrise als 2009. Vielen armen Ländern Afrikas und vor allem den öffentlichen Haushalten für die Landwirtschaft droht nach Ansicht von FIAN ein Kollaps. Viele Länder sind extrem verschuldet und haben in der Landwirtschaftspolitik – auch durch Anraten und Förderung der Industrienationen – einseitig auf hohe Subventionen von Agrarinputs wie Kunstdünger gesetzt. Fallen die Subventionen in Krisenzeiten weg, sind die Bäuer*innen in einer Verschuldungsfalle gefangen.
Und auch in Deutschland trifft die Coronakrise die Ärmsten und ihre Ernährung: Essensausgaben für Obdachlose sind stark reduziert. 400 Tafeln haben aktuell ihre Nahrungsmittelverteilung eingestellt – für FIAN ein deutliches Zeichen für die Fragilität einer Versorgung über Lebensmitteltafeln.