Der Bundestag hat in der letzten Woche die Gesetze zur nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie die Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes für das Übergangsjahr 2022 mit den Stimmen der Regierungskoalition und zum Teil auch der Oppositionsfraktionen beschlossen. Demnach wird es eine zusätzliches Eco-Scheme-Regelung für Grünlandbetriebe trotz aller parteiübergreifenden Beteuerungen zur Bedeutung des Grünlandes und der Weidewirtschaft respektive der Milchviehhaltung nicht geben. In den Beschlüssen sehen nicht nur Bundestagsabgeordnete sondern auch Umweltverbände Licht und Schatten. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) appelliert an Klöckner und Schulze.
Noch unmittelbar vor der Beschlussfassung hatte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) die Aufnahme einer Weidetierprämie in die Öko-Regelungen und im Rahmen einer Anhörung in einer
Stellungnahme weitere Ergänzungen der Gesetzesentwürfe gefordert. „Sollten die Gesetzentwürfe ohne Anpassungen für Grünlandbetriebe verabschiedet werden, wird es in der kommenden Förderperiode kaum gelingen, das große Potenzial des Grünlands für den Arten-, Klima-, und Tierschutz zu heben. Schlimmer noch: wir laufen Gefahr, dass einige Grünlandbetriebe ihre Produktion noch weiter intensivieren und z.B. ihre Kühe von der Weide in den Stall holen. Ich fordere die Regierungsfraktionen auf, die Hinweise und Vorschläge aus dem Berufsstand sowie dem Natur- und Tierschutz ernst zu nehmen und die Öko-Regelungen um eine zusätzliche Weideprämie für Milchkühe und deren Nachzucht zu ergänzen. Nicht zuletzt auch, weil es dem Berufstand nicht zu vermitteln ist, dass kleine Wiederkäuer und Mutterkühe honoriert werden, während Milchviehhalter leer ausgehen“, erklärte Ottmar Ilchmann, Sprecher der AbL für Milchmarktpolitik und Milchbauer in Ostfriesland.
Zu den Kernpunkten der jetzt beschlossenen Gesetze gehören unter anderem eine schrittweise Anhebung der Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule von zunächst derzeit 6% auf 8%, und weiter steigend in 2023 auf 10%, 2024 auf 11%, 2025 auf 12,5% und zum Ende der Förderperiode in 2026 auf 15%, eine Umverteilungsprämie zugunsten der ersten Hektare (in Stufe 1 bis 40 ha wird es demnach einen Zuschlag von rund 69 Euro/ha geben, in Stufe 2 von 41 ha bis 60 ha rund 41 Euro/ha) und eine Hektarprämie für Junglandwirte von 70 Euro für bis zu 120 ha. Außerdem ist eine Prämie für Weidetiere von 30 €/Mutterschaf und Ziege sowie 60 €/Mutterkuh vorgesehen.
CDU-Bundestagsabgeordnete sehen in den Beschlüssen „in der Tat einen Systemwechsel“. Und auch der SPD-Abgeordnete Rainer Spiering spricht in der Debatte von einer „Systemveränderung“ hin zu dem Ansatz „öffentliches Geld für öffentliche Leistung“. Für Kirsten Tackmann von der Linken werden zwar „die richtigen Weichen gestellt, nur der behauptete Systemwechsel ist das natürlich nicht. Denn in der Landwirtschaft Tätige arbeiten weiter vor allen Dingen für Profite von Konzernen und Bodenspekulanten statt zum eigenen und zu unser aller Wohl. Hier hat die Koalition weitgehend versagt, und das ist katastrophal.“ Und der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Friedrich Ostendorff erklärt in Richtung Regierungskoalition: „Wir tragen dieses Paket heute teilweise mit, nur: Es reicht bei Weitem nicht aus. Es reicht hinten und vorne nicht. Wir kämpfen weiter für die Ziele: stärkere Umverteilung zugunsten der ersten Hektare, Kappung und Degression, stärkere Umschichtung in die zweite Säule, starke Gemeinwohlorientierung, vielfältige, kleiner strukturierte Betriebe. Das ist der Wunsch der Gesellschaft. Das ist das, was wir überall erfahren, hören, bei jeder Diskussion. Doch Ihre Politik ist weit weg davon“.
BUND: Öko-Regelungen attraktiv ausgestaltenDie vom Bundestag verabschiedeten Gesetze können aus Sicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Landwirtschaft umwelt- und klimafreundlicher machen. „Jetzt ist es notwendig, die neuen Öko-Regelungen attraktiv auszugestalten und das Zusatzgeld für die zweite Säule in wirkungsstarke Umwelt- und Klimaprogramme sowie den Ökolandbau zu stecken“, sagt Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND. Zugleich bekräftigt der BUND seine Kritik, dass die deutschen Gesetze bereits vor Abschluss der Trilog-Verhandlungen in Brüssel beschlossen werden.
Bandt: „Die neue GAP-Förderperiode bis 2027 muss genutzt werden, um in den schrittweisen Ausstieg aus der pauschalen Flächenprämie einzusteigen. Ab 2028 darf es nur noch Prämien für übergesetzliche gesellschaftliche Leistungen der Agrarbetriebe geben. Der Bundestagsbeschluss ist ein Schritt in diese Richtung, kann aber massive Probleme auslösen. Verwässerungsversuche seitens der Agrarlobby wurden vorerst verhindert. Mit Blick auf den Green Deal, das Pariser Klimaabkommen und der EU-Biodiversitätsstrategie hätten wir uns jedoch mehr erhofft.“
Bäuerinnen und Bauern brauchen Planungssicherheit. Sie müssen wissen, mit welchen Prämien und in welcher Höhe ihre wichtigen Leistungen zum Schutze der Natur, des Klimas und zum Erhalt der Kulturlandschaft honoriert werden. Der BUND erwartet von der neuen Bundesregierung, dass sie die neue GAP bis Ende 2024 darauf überprüft, ob sie zu mehr Umwelt- und Klimaschutz beiträgt. Andernfalls muss zügig nachgebessert werden, etwa durch weitere Öko-Regelungen für Weideland, mehr Geld in Umwelt-Prämien und zusätzliche Förderprogramme zum Klimaschutz. Bandt: „Der Einstieg in die Agrarreform darf nicht zu Lasten der Ökobauern und Grünlandbetrieben in den Mittelgebirgen führen, die schon jetzt umweltverträglich arbeiten. Wir erwarten nach dem Ende der Trilogverhandlungen auf EU-Ebene in den nationalen Umsetzungen noch Nachbesserungen für Öko- und Grünlandbetriebe. Ein Einkommensverlust ist für die Betriebe nicht hinnehmbar.“
Der BUND hat intensiv dafür geworben, das Budget für die Öko-Regelungen schrittweise ansteigen zu lassen. Um den Ausbau des Ökolandbaus abzusichern, ist auch eine höhere Umschichtung von der ersten in die zweite Säule notwendig. Leider ist der Bundestag diesen Forderungen nicht nachgekommen. Erfreulich ist jedoch, dass Agroforstsysteme nun auch auf Grünland förderfähig sein werden. Für den Naturschutz besonders wertvolle Wiesen und Weiden sollten dabei ausgeschlossen sein. Der BUND wird darauf achten, dass die notwendigen Details, die in Verordnungen in den kommenden Monaten geregelt werden, zielführend sind. Bandt: „Wir erwarten von der EU-Kommission eine kritische Prüfung des deutschen GAP-Strategieplans und falls notwendig, zügige Nachbesserungen durch die neue Bundesregierung.“
NABU: Beschlossenen Gesetz nicht genehmigungsfähig
Im Vergleich zu den ursprünglichen Vorschlägen des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat sich nach Ansicht des Naturschutzbund (NABU) das Gesetzespaket aus Sicht des Natur- und Klimaschutzes zwar etwas verbessert. Dennoch bleibe es weit hinter dem zurück, was notwendig gewesen wäre, um die Arten- und Klimakrise zu bremsen. Der NABU fordert gleichzeitig Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf, sich aktiver in die festgefahrenen Agrarverhandlungen in Brüssel einzubringen. Sie müsse verhindern, dass die Mitgliedsstaaten dort noch schlechtere Standards vereinbaren. Andernfalls komme die europäische Natur genauso unter die Räder wie die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Agrarbetriebe.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik sollte die Landwirtschaft zukunftsfähig und naturverträglich gestaltet werden. In Deutschland ist davon nur ein schwaches Gesetzespaket übriggeblieben, das kaum Verbesserungen für Klima und Artenvielfalt in der Agrarlandschaft bewirken wird. Auch für die Landwirtinnen und Landwirte fehlt es an Planungssicherheit und eine Perspektive für die Zukunft ihres Betriebs. Das Artensterben wird sich so weiter ungebremst fortsetzen. Schon jetzt wird jede zweite Bienenart auf der Roten Liste als bedroht geführt. Fast jeder zweite Feldvogel ist seit 1980 aus unserer Agrarlandschaft verschwunden. Eine Umkehr dieser besorgniserregenden Entwicklungen ist mit den beschlossenen Gesetzen in den nächsten fünf Jahren nicht zu erwarten. Konkret kritisiert der NABU, dass der Schutz von Grünland im Gesetzespaket vernachlässigt wird und zu wenig nicht-bewirtschaftete Flächen für die Natur bereitgestellt werden. So werden nur drei statt der notwendigen zehn Prozent Agrarflächen reserviert, um die Biodiversität zu erhalten, und das nur auf die Ackerflächen bezogen. Darüber hinaus werden landwirtschaftlichen Betriebe auch zukünftig zu wenig für Naturschutzmaßnahmen entlohnt.
Laut NABU ist jedoch das letzte Wort noch nicht gesprochen: “Die verabschiedeten Gesetze sind aus unserer Sicht nicht genehmigungsfähig. Die EU-Kommission wird sie 2022 ablehnen müssen, da sie in keiner Weise dem EU-Green-Deal entsprechen.” so Konstantin Kreiser, Leiter Agrarpolitik im NABU.
BÖLW: Zusätzliche Umweltleistungen aller Höfe honorierenNoch kurz vor der Beschlussfassung erklärt Peter Röhrig, Geschäftsführer des BÖLW, mit Blick auf die vorliegenden Gesetzesentwürfe, dass die Abgeordneten von Union und SPD nicht ausreichend bedacht haben, „dass die neuen Regeln ausgerechnet Öko-Höfe benachteiligen werden. Das ist absurd und fatal zugleich. Denn so würden genau die Betriebe unter die Räder geraten, die heute schon Klima, Gewässer und Artenvielfalt wirksam schützen und die Menschen mit heimischen Bio-Produkten versorgen.“
Würden Bio-Höfe aufgeben müssen oder konventionelle Kollegen die Umstellung nicht wagen, dann erreiche Deutschland niemals seine Bio- und damit Umwelt- und Klimaziele. Das wäre ein großer Rückschritt statt des viel beschworenen Systemwechsels.
„Lässt das Parlament die GAP-Gesetze so passieren, haben es Julia Klöckner und Svenja Schulze in der Hand. Die Bundesministerinnen müssen dafür sorgen, dass alle Betriebe zusätzliche Umweltleistungen honoriert bekommen. Diese wirklich letzte Chance müssen die Ministerinnen ergreifen, wenn es darum geht, die Agrarförderung in den nächsten Wochen konkret auszugestalten“, so der BÖLW-Geschäftsführer.