Bericht zum Stand der Deutschen Einheit: Beeinträchtigung der Agrarstruktur durch branchenfremde Investoren

Nach einem massiven Umstrukturierungsprozess in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung hat sich der Landwirtschaftssektor in den neuen Ländern erfolgreich aufgestellt, wozu nicht zuletzt auch die Privatisierung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. So steht es im jetzt von der Bundesregierung vorgelegten Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2020., der „in Würdigung des 30-jährigen Jubiläums der Wiedervereinigung“ eine „Bilanz der Aufbauleistung“ zieht. Ungefähr die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Flächen wird laut Bericht in den neuen Ländern durch juristische Personen, wie Genossenschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), und weitere rund 22 Prozent durch Personengesellschaften mit jeweils weit über dem Bundesdurchschnitt von 66,3 Hektar liegenden Betriebsgrößen bewirtschaftet. Auch mit Blick auf die Besitzverhältnisse gebe es daher deutliche Unterschiede zur Situation in den alten Ländern, wo knapp 90 Prozent der Flächen von Einzelunternehmen bewirtschaftet werden. „Als Folge einer vergleichsweise geringen Viehhaltung sowie von Betriebsgrößen, die den Einsatz arbeitssparenden technischen Fortschritts begünstigen, ist der Arbeitskräftebesatz in den neuen Ländern vergleichsweise niedrig. So standen im Jahr 2016 rund 1,7 Arbeitskrafteinheiten je 100 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) in den neuen Ländern rund 3,6 Arbeitskrafteinheiten je 100 Hektar LF in den alten Ländern gegenüber“, heißt es in dem Bericht. Eine „Beeinträchtigung der Agrarstruktur“ stellt der Bericht seit der Finanzkrise 2007 fest. „Einzelne branchenfremde Investoren erwerben landwirtschaftliche Betriebe und bewirtschaften sie in unterschiedlich organisierten Unternehmensverbünden. Die Übernahmen haben regional erheblichen Umfang und sind ausführlich in einer Studie des Thünen-Instituts dargestellt. Das niedrige Zinsniveau, die damit zusammenhängende hohe Nachfrage der Investoren und weitere Faktoren sorgen für einen Anstieg der Bodenpreise. Die Unternehmensorganisation in Holdingstrukturen kann den Abfluss von Wertschöpfung aus ländlichen Regionen begünstigen und die Konzentration auf die Pflanzenproduktion verringert oft die Zahl der Arbeitsplätze“, heißt es in dem Bericht. Begünstigt würden die Betriebsübernahmen durch Investoren durch Regulierungslücken im Grundstückverkehrsgesetz und im Grunderwerbsteuergesetz. Für das Grundstückverkehrsgesetz sind die Länder zuständig; sechs Länder haben laut Bericht inzwischen angekündigt, diese Lücke schließen zu wollen, indem zukünftig – wie bisher schon der Kauf landwirtschaftlicher Flächen – dann auch der Erwerb von Anteilen landwirtschaftlicher Betriebe über das Grundstückverkehrsgesetz kontrolliert werden soll. Die Umgehung der Grunderwerbsteuer durch Investoren mit Anteilskäufen soll nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung geschlossen werden. Die Bundesregierung hat zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen in der Grunderwerbsteuer (Share Deals) den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes am 31. Juli 2019 beschlossen. „Das Gesetzesvorhaben befindet sich im parlamentarischen Verfahren“, heißt es dazu im Jahresbericht zur Deutschen Einheit.