Der landwirtschaftliche Berufsstand ist massiv überaltert. Auf vielen Betrieben ist die Hofnachfolge ungeklärt und es fehlt an jungen Menschen, die Betriebe gründen, übernehmen und fortführen. Blickt man auf die nackten Zahlen, ist diese Situation wenig überraschend. Rund 800.000 Euro kostet die Einrichtung eines Arbeitsplatzes in der Landwirtschaft – ohne den Faktor Boden und mit stark steigender Tendenz. Hinzu kommt, dass diese 800.000 Euro in einem Sektor refinanziert werden müssen, der eine sehr schlechte Rentabilität aufweist. Schlimmer noch: Der Wegfall von immer mehr Höfen bzw. die immer weiter zunehmenden Betriebsgrößen legen den Schluss nahe, dass die Kosten für die Gründung oder Übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebs auch in Zukunft noch weiter ansteigen werden. Und: Vielen potenziellen Hofnachfolgern innerhalb von Bauernfamilien ist inzwischen klar, dass sie ihr Einkommen außerhalb der Landwirtschaft deutlich einfacher und vor allem mit weniger Zeitaufwand verdienen können.
Für alle, die sich für den Erhalt und die Förderung einer bäuerlichen Landwirtschaft mit vielen und vielfältigen Betrieben einsetzen, sollte diese Situation ein massives Alarmsignal sein. Denn wenn die vielen Höfe, bei denen die Nachfolge aktuell noch ungeklärt ist, keine jungen Menschen finden, die den Betrieb übernehmen, werden diese mehrheitlich an einen naheliegenden Wachstumsbetrieb verkauft oder verpachtet. Dieser wird dann wiederum eine Größe erreicht haben, die für keinen finanziell durchschnittlich ausgestatteten Junglandwirt mehr übernehmbar ist. Kurz: Gelingt es uns nicht sehr schnell, deutlich mehr junge Menschen dafür zu begeistern und in die Lage zu versetzen, Höfe zu übernehmen, wird es eine eigentümergeführte bäuerliche Landwirtschaft, wie wir sie heute zum Glück noch kennen, zukünftig nur noch als Nische geben.
Wer diese Entwicklung offenbar erkannt hat und verhindern möchte, ist der neue Agrarkommissar der Europäischen Union, Christophe Hansen. Er hat die Förderung des Generationenwechsels zu einem zentralen Inhalt seiner Vision für die Zukunft der Landwirtschaft gemacht. Noch für dieses Jahr hat er zudem die Vorlage einer „Strategie zur Erneuerung der Generationen“ mit konkreten politischen Maßnahmen angekündigt. Es ist daher wenig überraschend, dass aktuell viele landwirtschaftliche Interessenvertretungen verstärkt Jugendorganisationen gründen oder ausbauen und diese zum Sprachrohr ihrer Anliegen machen.
AbL und junge AbL arbeiten bereits seit vielen Jahren zur Hofnachfolge und zur Förderung landwirtschaftlicher Existenzgründungen. Ihre Analysen, Vorschläge und Forderungen zur Umsetzung einer nicht flächengebundenen, sondern konzeptgebundenen Existenzgründungsprämie in der GAP und zur Schaffung einer Freibetragsregelung im Grunderwerbsteuergesetz für Betriebe ohne oder mit wenig Eigenland sind hierfür prominente Beispiele. Von ihrer Umsetzung würden sowohl inner- als auch außerfamiliäre Hofnachfolger stark profitieren, wenn sie ein zukunftsfestes Betriebskonzept vorlegen. In Verbindung mit einer Marktpolitik, die Bäuerinnen und Bauern in die Lage versetzt, am Markt gewinnbringende Erzeugerpreise zu verhandeln, können diese Instrumente wichtige und konkrete Bausteine eines Gesamtpaketes zur Förderung des Generationenwechsels in der Landwirtschaft sein.
Auf Basis dieser Vorarbeit hat die AbL aktuell eine hervorragende Ausgangslage, selbstbewusst und lösungsorientiert in eine der zentralen agrarpolitischen Debatten der kommenden Monate und Jahre einzugreifen. Nun kommt es darauf an, dass sie diesen Vorsprung klug nutzt und unbedingt ausbaut.