Ackerbaustrategie braucht Verbindlichkeit und konkrete Ziele

Ein nachhaltiger und ressourceneffizienter Ackerbau in Deutschland ist das Ziel des vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) im Dezember letzten Jahres vorgestellten Entwurfs einer Ackerbaustrategie 2035. Die wird nicht viel bewirken, kritisiert jetzt der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW.
„Da der Ackerbaustrategie substanzielle und überprüfbare Ziele fehlen, und damit jede Verbindlichkeit, wird sie nicht viel bewirken“, sagt Alexander Gerber, BÖLW-Vorstand für Landwirtschaft. „Mit dem Entwurf für die Ackerbaustrategie verpasst Landwirtschaftsministerin Klöckner die Chance, zu zeigen, wohin die Reise für eine Bewirtschaftung innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen gehen wird.“ Gerber spricht sich dafür aus, dass die Ackerbaustrategie die Ziele der europäischen Farm to Fork-Strategie stützt. Der EU-Plan zielt auf minus 50 % Pestizideinsatz, weniger Stickstoffdüngereinsatz sowie 25 % Öko bis 2030. Der BÖLW verweist in seiner Kritik auch auf die Äüßerungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibnitz Institutes für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), die die Vorschläge als unzureichend kritisieren. Sie geben zu bedenken, dass die Ackerbaustrategie dem ‚systemischen Charakter der Landwirtschaft in ihren Wechselwirkungen mit Umwelt und Gesellschaft nicht wirklich gerecht wird‘. Die Forschung moniert ferner, dass die Maßnahmen zu allgemein und unverbindlich seien. „Dabei ist nachhaltiger Ackerbau keine Zauberei“, sagt der Landwirtschaftsvorstand des Bio-Spitzenverbandes. „Allein eine verbindliche Festlegung auf Anbauabstände von Ackerkulturen über die gute fachliche Praxis Pflanzenschutz würde unmittelbar zu einem besseren Ackerbau führen.“ „Der Innovationstreiber Ökolandbau, der nahezu alle Aspekte der Ackerbaustrategie schon heute umsetzt, wird nur am Rande erwähnt“, wundert sich Gerber. Da auf Bio-Flächen weder chemisch-synthetische Pestizide noch Kunstdünger eingesetzt werden, wäre es wirksam und nur logisch, Öko als Zielindikator in die Ackerbaustrategie aufzunehmen. „Bio muss zum Leitbild jedes modernen und enkeltauglichen Ackerbaus werden. Weil Bio heute schon funktioniert mit Blick darauf, was Öko-Bauern auf dem Acker für Artenvielfalt, Gewässer-und Bodenschutz leisten“, so Gerber, der hinzufügt: „Es ist ermüdend, es immer wiederholen zu müssen. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur neuen Gentechnik sollen genau die Gemeingüter vorsorglich geschützt werden, deren Erhalt auch das Kernanliegen der Ackerbaustrategie ist.“ Gerber nennt es „fatal“, dass im Entwurf der Ackerbaustrategie angedeutet wird, beim Urteil handele es sich um bürokratische Willkür. „Guter Ackerbau braucht keine Gentechnik, die Bauern abhängig macht von patentiertem Saatgut einer Industrie, deren Kerngeschäft es ist, Pestizide zu verkaufen“, erklärt er. „Die Regierenden können Ökolandbau nutzen, der nachweislich und mit jedem Hektar genau die Leistungen auf dem Acker erbringt, die es braucht“, so der BÖLW-Vorstand abschließend. Anders werde Deutschland weder seine eigenen Ziele noch die EU-Ziele der Farm to Fork-Strategie erreichen. Zum Hintergrund teilt der BÖLW mit:
Im Dezember 2019 legte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verspätet die im Koalitionsvertrag angekündigte Ackerbaustrategie vor. Bis dahin blieben der konkrete Inhalt und die Verbindlichkeit der Strategie im Dunkeln. In zwölf Handlungsfeldern definieren das BMEL und seine Ressortforschung Maßnahmen, welche den Ackerbau in Deutschland zu mehr Umwelt- und Naturschutz führen, gleichzeitig für die Klimakrise wappnen und mit alledem zu mehr Wertschätzung in der Bevölkerung sorgen sollen. Dabei formuliert die Ackerbaustrategie viele Einzelmaßnahmen, die genauso bereits heute der Standard im ökologischen Ackerbau sind – leider aber ohne dies je zu benennen, geschweige denn die Ausweitung der Öko-Ackerbaufläche als Maßnahme und Indikator aufzunehmen, obwohl Erfolge damit leicht nachprüfbar wären. Die Ackerbaustrategie bewegt sich so agrarpolitisch im luftleeren Raum – ohne klaren Bezug zur Zukunftsstrategie Ökolandbau (ZöL), zur Nutztierhaltungsstrategie oder EU-Agrarpolitik (GAP). Damit ist die Ackerbaustrategie weniger kohärent, umfassend und ambitioniert als die Farm to Fork-Strategie als Teil des Green Deal for Europe der EU-Kommission. Über ein halbes Jahr nach Erscheinen der Strategie startete nun das BMEL einen Diskussionsprozess, und zwar genau zur Ernte- und Ferienzeit. Neben der schriftlichen Stellungnahme für Verbände (mit Frist zum 15. August) gab es eine öffentliche Diskussion in Form einer Online-Plattform. Hier wurde die Rückmeldefrist kurz vor deren Auslaufen Ende Juli auf den 31. August verlängert. In freien Kurzbeiträgen von bis zu 500 Zeichen (plus Abschlussstatements mit bis zu 1.000 Zeichen je Handlungsfeld) konnten Interessierte ihre Meinung auf 13 Unterseiten mit mehreren Fragen kundtun. Wie genau das BMEL die auf diese Art gesammelten Meinungs-Schnipsel auswerten und objektivierbar zu machen will, ist völlig unklar. Kritisch bleibt, dass das BMEL auch in der Ackerbaustrategie den Heilsversprechen der scheinbar einfachen Gentechnik-Lösungen auf komplexe Herausforderung auf den Leim geht, die wissenschaftsbasierte Sachdiskussion über Risiken verweigert und ignoriert, dass die breite Mehrheit in Deutschland keine Gentechnik auf Acker oder Teller will.