Wir sind noch nicht am Ziel

Eigentlich waren wir in den letzten Jahren frohen Mutes, als unsere Forderungen nach einer Agrarwende aufgenommen und in konkreten Konzepten ausgearbeitet wurden, dass wir nun den Umbau der Landwirtschaft Punkt für Punkt abarbeiten können. Die Zukunftskommission Landwirtschaft und die Borchert-Kommission hatten hierfür ein Mandat aus dem Landwirtschaftsministerium und damit auch eines einer CDU-geführten Bundesregierung. Was sollte da noch schief gehen.

Die Ergebnisse liegen bei der Borchert-Kommission seit drei Jahren und bei der Zukunftskommission seit eineinhalb Jahren auf dem Tisch. Umgesetzt wurde bisher nichts. Und das, obwohl nicht nur fast alle landwirtschaftlichen Verbände, sondern auch Umwelt- und Tierschutz die Umsetzung der Ergebnisse mit entsprechendem Finanzierungskonzept fordern. Dafür müssen wir weiter kämpfen.

Auch bei einem anderen Thema reibt man sich in den letzten Monaten verwundert die Augen, wenn man mitbekommt, wie hier diskutiert wird. Die Gentechnik wollte die letzten Jahre niemand mehr wirklich befürworten. Viele Akteur*innen waren plötzlich ganz emsig dabei, gentechnikfreie Lieferketten aufzubauen. Hatte man doch erkannt, dass Verbraucher*innen großen Wert auf gentechnikfreie Lebensmittel legen. Der Gentechnikindustrie hat das sicherlich nicht geschmeckt und so hat sie sich etwas Neues ausgedacht, was viel besser ist: CRISPR/Cas heißt das Zaubermittel und wer hier kritisch ist, gilt plötzlich in Landwirtschaftskreisen als nicht innovativ. Dabei hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil von Juli 2018 klar gesagt, dass auch diese Methode als Gentechnik zu kennzeichnen ist. Auch hier müssen wir klar sagen, dass wir Gentechnik auf dem Acker, in den Ställen und vor allem auf dem Teller nicht haben wollen.

Die Freihandelsabkommen, die in den letzten Jahrzehnten vorbereitet wurden, stießen bei Bäuer*innen alle auf wenig Gegenliebe. Glücklicherweise konnte man hier einen Schulterschluss mit Verbraucher*innen schließen, die auch ihre Grundrechte in Gefahr sahen. Das CETA-Abkommen mit Kanada wurde in diesem Jahr ohne viel Diskussion verabschiedet, mit allen negativen Folgen für die Landwirtschaft. Auch hier müssen wir zeigen, dass wir damit nicht einverstanden sind, weil wir die Verlierer*innen solcher Abkommen sind.

Ab dem 1. Januar 2023 gilt die neue Förderperiode für die gemeinsame Agrarpolitik in der EU. Viele Hoffnungen sind dort reingeflossen, dass die Direktzahlungen in Zukunft ökologischer und vor allem sozial gerechter werden. Der Strategieplan der Bundesregierung war dann aber für bäuerliche Betriebe sehr ernüchternd. Wortgewandt wurde hier alter Wein in neuen Schläuchen vom Minister verkauft. Faktisch verlieren die meisten Betriebe Geld, aber gerade die kleinstrukturierten Betriebe werden von den zusätzlichen Anforderungen, die an die Prämienzahlungen geknüpft werden, besonders hart getroffen. Für ihre gesellschaftlichen Leistungen werden sie dennoch nicht zusätzlich honoriert. Wer aber flächendeckend eine bäuerliche Landwirtschaft will, muss die Leistungen auch endlich angemessen vergüten. Auch dafür müssen wir weiter auf die Straße gehen.

Der Klimawandel ist in den letzten Jahren, und gerade auch wieder im letzten Sommer, auf den Höfen angekommen. Bäuer*innen gehören zu den ersten Berufsgruppen, die die Folgen auch finanziell zu spüren bekommen. Waldbesitzer*innen stehen teilweise ebenfalls vor dem Ruin. Sicherlich wird es auch für uns zu Veränderungen kommen. Verringerung der Tierbestände, Wiedervernässung der Moore, entwaldungsfreie Lieferketten sind hier nur einige Punkte, die sehr stark im Fokus stehen. Aber es darf nicht der Eindruck entstehen, dass eine veränderte Landwirtschaft das gesamte Problem lösen würde. 85 Prozent der CO2-Emissionen stammen aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern. Wir müssen den Druck erhöhen, damit politisch Verantwortliche das 1,5-Grad-Ziel ernst nehmen.

Es gibt also viele Gründe, am 21. Januar nach Berlin zu kommen und zu sagen, dass wir die aktuelle Agrarpolitik satt haben.

05.01.2023
Von: Elisabeth Fresen und Martin Schulz, AbL-Bundesvorsitzende