„Wir machen der Gesellschaft ein sehr gutes Angebot“

Ein Interview mit Elisabeth Fresen, AbL-Bundesvorsitzende und Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft über deren Abschluss Unabhängige Bauernstimme: Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) legt am 6. Juli einen von allen Mitgliedern getragenen Abschlussbericht vor. Wie kam es überhaupt zur Einsetzung der ZKL durch die Bundeskanzlerin? Elisabeth Fresen: Die bedrohliche Lage auf den Höfen aufgrund niedriger Preise und steigender Anforderungen hatte sich im Jahr 2019 zugespitzt. Viele Bäuer*innen von ganz unterschiedlichen Betrieben, in allen Regionen protestierten und lehnten sich auf. Die Organisation Land schafft Verbindung entstand. Bundeskanzlerin Merkel lud daraufhin im Dezember 2019 viele Verbände nach Berlin ein, um über die Not zu sprechen. Der Vorschlag von Georg Janßen, eine Kommission einzuberufen, wurde aufgenommen, die Bundesregierung berief deren Mitglieder und im September 2020 trafen wir uns endlich das erste Mal. Da saß die ganze Bandbreite an Landwirtschaft beteiligter Interessengruppen an einem Tisch. Gingen die Meinungen und Vorstellungen nicht oft auseinander? Viele Mitglieder sehen, genau wie ich, nicht nur Handlungsbedarf, sondern spüren auch eine hohe Verantwortung, denn wir wollen die Zukunft der Landwirtschaft gestalten. Wir tragen Verantwortung für Bäuer*innen, für Umwelt und Klima, für Tiere und eben nicht allein für unsere Verbandsinteressen. Das ist ein Spagat und bedeutet auch, dass wir aufeinander zugehen mussten. Natürlich sind und waren wir nicht bei allen Themen einer Meinung. In kleineren Arbeitsgruppen herrschte aber oft eine sehr konstruktive Debatte. Es hat Freude gemacht, Kompromisse und gute Lösungen zu erarbeiten. Aber sehen alle Mitglieder der ZKL den Transformationsbedarf für die Landwirtschaft? Ein Großteil der Mitglieder sieht den Transformationsbedarf, insbesondere die landwirtschaftlichen und Umweltverbände sowie die Wissenschaft. Wir müssen handeln. Deutlich wird das auch in unserer Aufstellung über die gesamtgesellschaftlichen Kosten der Transformation: Ein umfassender Umbau der Landwirtschaft hin zu fairer Bezahlung bäuerlicher Arbeit, Umwelt-, Klima- und Tierschutz ist gesamtgesellschaftlich wesentlich günstiger, als nichts zu tun und weiterhin auf Kosten des Gemeinwohls zu wirtschaften. Gab es unerwartete Positionen oder ungewöhnliche Allianzen? Ermutigend empfinde ich das klare Bekenntnis der Umweltseite, dass Bäuer*innen für Gemeinwohlleistungen bezahlt werden müssen und dass wir faire Preise brauchen, damit wir im Sinne des Gemeinwohls wirtschaften können. Ganz deutlich wird dieser Grundgedanke der ZKL im gemeinsamen Jugendbild von BUNDjugend und dem Bund der deutschen Landjugend (BDL). Welche Bedeutung ist dieser Zukunftsvision, die Landwirtschaft und Naturschutz verbindet, zuzumessen? Dem gemeinsamen Zukunftsbild der Jugendverbände ist eine hohe Bedeutung beizumessen. Es ist ermutigend für uns Bäuer*innen, genauso wie für die Gesellschaft. Wir haben uns als ZKL davon leiten lassen. Im Zukunftsbild ist die Arbeit von Bäuer*innen die Basis für ein regionales Ernährungssystem, einschließlich Lebensmittelverarbeitung, -handel und öffentlicher Verpflegung. Auf den Höfen werden Tiere artgerecht gehalten, mit regionalen Futtermitteln gefüttert. Der Ackerbau ist vielfältig mit weiten Fruchtfolgen, die Landwirtschaft ist klima- und umweltschonend. Marktbedingungen und Handel sind fair, Landwirt*innen bekommen angemessene, kostendeckende Preise. Die Gesellschaft erkennt die wertvolle Arbeit von uns Bäuer*innen für Arten-, Klima-, Umwelt-, Wasser-, Tier- und Bodenschutz an, auch finanziell. Das Zukunftsbild nimmt junge Menschen in den Fokus: Der Beruf des/der Landwirt*in soll für Menschen jeden Geschlechts attraktiv sein. Junge Menschen sollen beim Einstieg in die Landwirtschaft, bei Hofübernahme und Existenzgründung unterstützt werden, denn die Anzahl der Höfe soll schließlich steigen. Was erwarten Sie in Bezug auf die praktische Umsetzung der Ergebnisse? Ich erwarte, dass die Ergebnisse von der kommenden Regierung ernst genommen und umgesetzt werden. Nach jahrelangem Zögern und Fehlleiten müssen wir handeln. Da nehme ich die Parteien, die Anspruch auf Kanzler*innenamt und Regierungsbeteiligung erheben, in die Pflicht. Als ZKL machen wir deutlich, dass der Umbau der Landwirtschaft eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Diesen Stellenwert müssen politisch Verantwortliche ihr einräumen. Die GAP mit ihrer nationalen Umsetzung ist immer noch im Entstehungsprozess und bietet noch viel Entscheidungsspielraum. Inwiefern sollten die Ergebnisse der ZKL hier noch einfließen? Inwieweit hat Frau Klöckner die Zwischenergebnisse beachtet? Die GAP ist das wichtigste Steuerungsinstrument, um die Arbeit sowie die Bedingungen auf den Betrieben direkt zu beeinflussen. Dieses Instrument für die nötige Transformation nicht zu nutzen, wäre fahrlässig. Es ist also entscheidend, dass die GAP im Sinne der ZKL gestaltet wird: Innerhalb der nächsten zwei Förderperioden sollen die Direktzahlungen schrittweise und vollständig an konkrete Gemeinwohlleistungen geknüpft werden. Die Maßnahmen sollen betriebswirtschaftlich attraktiv sein, was bedeutet, dass wir Bäuer*innen nicht nur Mindererträge ausgeglichen, sondern wirkliche Anreize bekommen. Ob die Maßnahmen hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz wirksam sind, soll in der Halbzeitbewertung untersucht werden, um frühzeitig ein Nachsteuern des rechtlichen Rahmens zu ermöglichen. Dadurch wollen wir gewährleisten, dass die GAP-Gelder tatsächlich wirksam im Sinne des Gemeinwohls sind. Von Frau Klöckner hätte ich erwartet, dass sie in diesem Sinne ihre EU-Ratspräsidentschaft 2020 genutzt hätte und die GAP national entsprechend umsetzt. Das hat sie nicht getan, obwohl sie den Großteil unserer Empfehlungen zur GAP bereits kannte. Frau Klöckner hat im Hinblick auf die ZKL immer wieder betont, dass dort lediglich Empfehlungen erarbeitet werden können… Dass wir uns aufeinander zubewegt und einstimmig der künftigen Bundesregierung diese Empfehlungen geben, sollte auch die Politik bewegen. Ich verlange von der Politik, dass sie den Abschlussbericht ernst nimmt und die Empfehlungen umsetzt. Was sind denn nun die wichtigsten Ergebnisse? Das Bekenntnis der ZKL, dass wir Bäuer*innen faire Preise für unsere Produkte und dass die Erbringung von Gemeinwohlleistungen betriebswirtschaftlich attraktiv werden muss, sind die zentralen Ergebnisse unserer Arbeit. Wir empfehlen die GAP dafür zu nutzen und mithilfe der freiwilligen und zeitlich begrenzten Mengenregulierung Überproduktion und Preiskrisen, bspw. auf dem Milchmarkt, zu verhindern. Wichtig sind auch unsere Empfehlungen zur flächengebundenen Tierhaltung, zur Regulierung neuer Gentechniken gemäß Vorsorgeprinzip und Wahlfreiheit, zum Bodenmarkt, um außerlandwirtschaftliche Investor*innen zu stoppen und die verpflichtende Kennzeichnung von Lebensmitteln auf europäischer Ebene. Handelsabkommen sollen mit sozialen und ökologischen Standards verbunden und die Menschenrechte eingehalten werden müssen. Wie ist das Ergebnis aus Sicht der Bauern und Bäuerinnen zu bewerten? Aus meiner Sicht ist es ist ein Fortschritt für die Bäuer*innen. Die Zukunft der Landwirtschaft ist jetzt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - alle müssen Verantwortung übernehmen, statt nur Forderungen zu stellen. Wir machen der Gesellschaft ein sehr gutes Angebot und fordern dafür Wertschätzung und finanzielle Honorierung unserer Arbeit. Und wie geht es jetzt weiter? Natürlich werden wichtige Bestandteile des ZKL-Berichts agrarpolitischer Diskussionsgegenstand der nächsten Koalitionsverhandlungen in Berlin werden müssen. Nach dem Kassensturz der neuen Bundesregierung beginnt die Auseinandersetzung, was konkret und mit welchen Folgen umgesetzt wird. Da sind wir Kommissionsmitglieder, aber natürlich auch die AbL wieder gefordert. Vielen Dank für das Gespräch!