Wie die Transformation unserer Ernährungssysteme gelingt

Ein Jahrzehnt nach dem Weltagrarbericht (IAASTD) der Vereinten Nationen und der Weltbank ziehen einige Autorinnen und Autoren in einem soeben erschienenen Buch «Transformation of our food systems – the making of a paradigm shift» (Umgestaltung unserer Ernährungssysteme – die Entstehung eines Paradigmenwechsels) eine kritische Zwischenbilanz. Darin beschreiben 40 internationale Expert*innen Entwicklungen und Meilensteine seit 2009 der „Weltagrarbericht“ (IAASTD) der Vereinten Nationen veröffentlicht wurde, der einen Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung des globalen Ernährungssystems einleitete. Die COVID-19-Pandemie bringt nach Ansicht der Herausgeber große Ungerechtigkeiten und ein Systemversagen der heute vorherrschenden Landwirtschafts- und Ernährungssysteme schonungslos ans Licht. Sie haben sich beschleunigt im Laufe des vergangenen Jahrzehntes, das wohl als die destruktivste Periode globaler Landwirtschaft und Ernährung in die Geschichte eingehen werde. «Weiter wie bisher ist keine Option», war die provokante Botschaft von mehr als 400 Autor*innen des 2009 im Auftrag der UN und der Weltbank erstellten „International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development“ (IAASTD). Dieser sogenannte ‚Weltagrarbericht‘ ist die bis heute umfassendste Bestandsaufnahme der globalen Landwirtschaft. Heute sind sich die meisten internationalen Vertreter*innen von Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft der Welt einig, dass unsere Ernährungssysteme grundlegend transformiert werden müssen. Nur so können sie den enormen Herausforderungen von heute und morgen widerstehen: Der Klima- und der Biodiversitätskrise, der Erschöpfung natürlicher Ressourcen sowie der zunehmenden Unter- und Fehlernährung und deren gesundheitlicher Auswirkungen. Dennoch war nach Ansicht der Herausgeber des Buches das vergangene Jahrzehnt die vielleicht destruktivste Periode der globalen Ernährungssysteme für die Ökosysteme, aber auch für das soziale und kulturelle Gefüge ländlicher Gemeinschaften weltweit. Die 40 Landwirtschafts- und Ernährungsexpert*innen, die meisten von ihnen bereits am IAASTD beteiligt, beschreiben in dem Buch die Entwicklung der Diskussion und der Realität unserer Ernährungssysteme des letzten Jahrzehnts. 13 internationale wissenschaftliche Folgeberichte und UN-Abkommen werden von Beteiligten an diesen Prozessen vorgestellt und erläutert. In 15 Beiträgen samt 13 Infografiken beschreiben dazu ehemalige IAASTD-Autor*innen die wichtigsten Entwicklungen im Laufe der vergangenen Dekade. Das Buch kam auf Initiative von Hans Herren, World Food Price Träger und ehemaliger Ko-Präsident des IAASTD, und Benny Haerlin, einem NGO-Vertreter im IAASTD-Büro, und langjährigen Ernährungs- und Agraraktivisten zustande. Sie wurden von einem 16-köpfigen Beirat unterstützt. «Diese Mischung internationaler Ansichten und Perspektiven ist eine Fundgrube für Entscheidungsträger, Aktivistinnen, Wissenschaftler und Praktikerinnen vom Feld bis zum Teller», so Benny Haerlin. «Es beschreibt die Unausweichlichkeit der Transformation, zeigt wie sie gelingen kann und wo sie bereits stattfindet.» Das Buch richtet sich an das in diesem Jahr nur virtuell ausgerichtete Treffen des UN Ausschusses für Ernährungssicherheit (Committee on World Food Security, CFS). Erstmals steht hier Mitte Oktober die Agrarökologie im Mittelpunkt der Diskussion, in der es auch um einen «besseren Wiederaufbau» («build-back-better») nach COVID-19 geht. «Dieses Buch zeigt aus verschiedenen Perspektiven, dass der agrarökologische Ansatz das wichtigste, umfassendste und innovativste Konzept für eine nachhaltige Transformation unserer Ernährungssysteme ist», schließt dazu Hans Herren, «das ist auch unsere besorgte und kritische Botschaft an den sogenannten Food Systems Gipfel im kommenden Jahr, der zurzeit unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen organisiert wird ». Eine deutsche Version der Kernbotschaftes des auf Englisch erschienenen Buches findet sich hier..